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Mehr als 500 Deutsche haben es schon bekommen: 1000 Euro fürs Nichtstun: So lebt es sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen
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Geld
Monika Skolimowska/zb/dpa Eine Frau hält eine Geldbörse mit zahlreichen Banknoten und Bankkarten in der Hand (Symbolbild)

Viele Menschen träumen davon, regelmäßig Geld ohne Gegenleistung zu erhalten. Experten nennen das bedingungsloses Grundeinkommen (bGE). In Modellversuchen wird es ausprobiert, doch die Kritik an den Experimenten ist scharf. Ein Versuch zeigt, wie sich Teilnehmer am bGE fühlen.

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Seit mehr als fünf Jahren existiert der Verein „Mein Grundeinkommen“. Der Vereinszweck wird auf der Website klar definiert: „Wir wollen wissen, was Grundeinkommen mit Menschen macht“, heißt es dort. Deshalb sammelt der Verein per Crowdfunding Geld. Der Zweck: „Immer wenn 12.000 Euro zusammenkommen, verlosen wir das Geld als Bedingungsloses Grundeinkommen: Ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro. Ohne Bedingungen. Für Alle.“

Für alle bedeutet natürlich nicht, dass jeder 12.000 Euro jährlich bekommt, sondern vielmehr, dass jeder an der Verlosung teilnehmen darf.

Gründer Bohmeyer verteidigt sein Projekt

Gründer Michael Bohmeyer
meingrundeinkommen.de Gründer Michael Bohmeyer

Gründer von „Mein Grundeinkommen“ ist Michael Bohmeyer. Die Website führt ihn als „Initiator & Projektentwicklung“. Aktuell hat der Unternehmer „knapp 30 Angestellte“, wie die „Welt“ berichtet. Der Verein konnte bislang 546 einjährige bGE vergeben. Bohmeyer entwickelte die Idee, weil er selbst seit vielen Jahren monatlich 1000 Euro von einer Firma bekommt, die er mitgegründet hat.

„Mein Grundeinkommen“ wertet Erfahrungen aus, die Gewinner des bGE gemacht haben. „Viele von denen, die das Grundeinkommen gewinnen, haben eine Opferhaltung, weil sie finanziell abhängig vom Partner oder dem Chef sind“, erläutert Gründer Bohmeyer der „Welt“. Mit Erhalt des bGE hätten sie mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben übernommen, so Bohmeyer.

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Dabei können die Gewinner mit ihrem bGE machen, was sie wollen. Die Website von „Mein Grundeinkommen“ listet verschiedene Beispiele auf. Einige Verlosungsteilnehmer würden gerne „sich weiterbilden“, andere „mehr Bio- und Regionalprodukte kaufen“ wollen. Eine gewisse Lunablau sowie 8311 andere Nutzer würden nach Gewinn des bGE „eigene Ideen verwirklichen und anderen Menschen (noch mehr) helfen, ihr Potential zu entfalten“.

Das Deutsche Wirtschaftsinstitut (DIW) hatte 2019 in einer repräsentativen Studie ermittelt, wie der typische bGE-Interessent aussieht. Die Ergebnisse lauten zusammengefasst: Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens sind eher jung, höher gebildet, Geringverdiener und politisch links. 45 Prozent sprachen sich laut der Studie gegen ein bGE aus – häufig gehören ältere Bundesbürger zu dieser ablehnenden Gruppe.

Ergebnisse der DIW-Studie

Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens sind eher jung, höher gebildet, Geringverdiener und politisch links.
DIW Berlin Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens sind eher jung, höher gebildet, Geringverdiener und politisch links.

„Ausbruch aus ungesunden Lebensverhältnissen"

Bohmeyer will mit seinem Verein bisherige Denkmodelle aufbrechen, wie er unumwunden einräumt. Bisher werde das Sozialsystem eher mit Armen gleichgesetzt, die selbst schuld an ihrer Situation seien, erklärt der Gründer laut dem Bericht. Das bGE helfe, von einer Bittsteller-Selbstwahrnehmung wegzukommen. Bohmeyer fasst seine Beobachtungen zusammen: „Viele der Gewinner konnten durch das Grundeinkommen aus ungesunden Lebensverhältnissen ausbrechen und mit weniger Sorgen, Druck und Stress in die Zukunft schauen.“

Bedingungsloses Grundeinkommen: Kritiker sehen Leistungsprinzip untergraben

Die verschiedenen bGE-Experimente haben massive Kritik provoziert. Denn das Modell untergräbt den Leistungsgedanken. Und die Vorstellung, dass „sich Leistung lohnen muss“, wie oft zu hören ist. Hier liegt ein zentraler Punkt der Kritik: Wer Geld fürs Nichtstun bekommt, sehe keine Notwendigkeit dafür, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.

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Gründer Bohmeyer widerspricht diesen aus seiner Sicht pauschalen Vorwürfen: Viele bGE-Gewinner seien in ihren Jobs geblieben. Die zusätzlichen 1000 Euro im Monat hätten ihnen etwaige Existenzängste genommen. Bohmeyer erklärt laut dem Bericht: „Wer auf Geld angewiesen ist, traut sich weniger zu und fühlt sich wertlos. Doch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen spürten sie das Bedürfnis, etwas zurückzugeben.“

Bohmeyer steht zu seinem Projekt. „Mehr als die Hälfte der Gewinner gab an, dass sie andere unterstützen, ehrenamtlich Arbeiten oder umweltbewusster einkaufen wollen“, erklärte er der „Welt“. Sein Resümee: Positive Anreize könnten einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen. Das müsse nicht durch Druck geschehen.

bGE-Gewinner schildern ihre Erfahrungen

Der „Welt"-Artikel zitiert einige Nutznießer des bGE, die ihr Jahr mit dem Grundeinkommen rekapitulieren. So erklärte Henrik Maaß, der das bGE von Juli 2017 bis Juni 2018 bezog: „Das bedingungslose Grundeinkommen kam gerade zur rechten Zeit. Im Sommer 2017 waren wir kurz davor, Sozialhilfe für meine chronisch kranke und arbeitsunfähige Freundin beantragen zu müssen. Das konnten wir zum Glück aufschieben, denn der Gewinn ergänzte in unserem gemeinsamen Haushalt das fehlende Einkommen. Mit dem Geld bezahlten wir Medikamente und Therapien, die die Krankenkasse damals nicht übernahm. Ich engagierte mich aber auch wieder ehrenamtlich ... Nach dem Jahr mussten wir doch Unterstützung vom Staat beantragen. Da habe ich den Unterschied gemerkt. Trotz des rechtmäßigen Anspruchs war da immer die Angst, dass etwas schiefläuft. Außerdem bedeutete die Bedürftigkeitsprüfung einen riesigen Aufwand für uns."

Henrik Maaß wünscht sich, dass Deutschland das bGE einführt – dann „wäre die Gesellschaft freundlicher und nachhaltiger. Denn Menschen ohne Existenzängste können besser darüber nachdenken, was gute Ernährung oder sinnstiftende Arbeit ist. Deshalb verstehe ich nicht, dass die Politik nicht ernsthaft und positiv darüber diskutiert.“

Florian Helfer bezog bGE von Oktober 2017 bis September 2018. Er erklärt: „Das Experiment hat mir gezeigt, dass der Mensch keinen Antrieb braucht, sondern Ruhe und Sicherheit. Nur wenn es einem gut geht, kann man seinen Blick auf andere richten und für sie da sein. Für mich waren die 1000 Euro ein Privileg, und als Student konnte ich das Geld gut gebrauchen. Es ging mir einfach sehr gut in diesem Jahr. Im Gegensatz zu jetzt, wo neben Weihnachtsgeschenken auch Studiengebühren anstehen. Da muss ich mit dem Gehalt als studentische Hilfskraft schon genauer schauen. Ich merke, wie psychisch aufreibend die Situation für mich ist. Hab ich noch genug Geld für meine Miete? Ich spüre gerade sehr, was das Geld mit einem macht, wenn es fehlt. Den Blick auf andere zu richten fällt mir schwer. Mit dem Grundeinkommen habe ich Obdachlosen immer mal wieder Geld gegeben, heute muss ich zwei Mal überlegen, ob ich den Euro übrig habe. Bin ich deshalb ein schlechter Mensch?"

Nicht alle haben Dienst an der Gemeinschaft im Sinn

Es gibt natürlich auch Teilnehmer an der bGE-Verlosung, die weniger das gesellschaftliche Wohl im Auge haben als viel mehr ihren eigenen Vorteile. In dieser Richtung äußerst sich Wulf-Peter Fröhlich/Palme auf der Website von „Mein Grundeinkommen". Er erzählt, was er anstellen würde, wenn das Los auf ihn fallen sollte: „Viel Zeit würde ich darein investieren, mehr der kreativen Ideen weiterführen, die zum Teil schon sehr lange liegen, da mir in einer normalen Arbeitswoche einfach die Zeit/der Raum/die Energie fehlt mich intensiv in sie hineinzudenken und sie auszugestalten."

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