Willi Holdorf war 1964 Zehnkampf-Olympiasieger. Foto: Chai

Klub-Chronik Teil 2: Von Willi Holdorfs Olympia-Gold bis zu den ersten Weltrekorden

1904 gegründet, erfolgte in den 1920er Jahren die Trennung in Sportvereinigung Bayer 04 Leverkusen und Turn- und Spielverein 04 Bayer Leverkusen. Die Wiedervereinigung zum TSV Bayer 04 Leverkusen erfolgte 1984. Wir stöbern im Archiv, schwelgen in Erinnerungen – und erzählen die Geschichten der Bahnbrecher mit dem Kreuz auf der Brust.


Zehnkämpfer Willi Holdorf, der im Februar sein 80. Lebensjahr vollendet hat, avancierte 1964 in Tokio zum ersten Olympiasieger des TSV Bayer 04. Auch auf andere Weise bewies der Diplom-Sportlehrer Vielseitigkeit: Als Bobfahrer holte er EM-Silber, später trainierte er die Bundesliga-Fußballer von Fortuna Köln. Stabhochspringer Claus Schiprowski führte er 1968 als Trainer zu Olympia-Silber, Hürdenläufer Günther Nickel in die Weltspitze. Hier mehr zu Willi Holdorf.

In der gesamtdeutschen Olympia-Auswahl stand in Tokio auch Wolfgang Reinhardt. Wenige Tage vor Willi Holdorfs Coup sicherte der Stabhochspringer den Leverkusener Leichtathleten die erste olympische Medaille überhaupt. Er überquerte 5,05 Meter und erkämpfte damit Silber. Wolfgang Reinhardt gehörte zunächst der Turnerschaft Göppingen an. Sein erster Trainer war Jörg Bernlöhr. Als er 1961 ein Studium an der Sporthochschule Köln aufnahm, erfolgte der Wechsel zu Bayer 04, wo er bei Bert Sumser trainierte. Von 1963 bis 1968 war Wolfgang Reinhardt der tonangebende deutsche Stabhochspringer. Er verstarb 2011.

Medaillenschmied Gerd Osenberg

1965 nahm Diplom-Sportlehrer Gerd Osenberg seine Trainertätigkeit in Leverkusen auf. Der heute 83-Jährige formte den TuS 04 zu einer regelrechten Leichtathletik-Hochburg. Er hievte zahllose Talente auf Weltklasse-Niveau – mit der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit, seinem immensen Ideenreichtum und psychologischem Einfühlungsvermögen. Insgesamt sammelten seine Schützlinge elf Olympiamedaillen – davon vier goldene.

„Gerd Osenberg konnte jede leichtathletische Disziplin trainieren und Sportler in die Weltspitze bringen. Hätte man ihn als Trainer im Pferderennsport eingesetzt, wäre er wohl Preisgeld-Millionär geworden“, sagte der damalige Abteilungsleiter Joachim Strauss Ende November 2015 anlässlich der 50-jährigen Vereinszugehörigkeit des Meistertrainers. 2002 ging Gerd Osenberg in Rente, stellte sich aber weiterhin als Übungsleiter zur Verfügung.

Weltrekorde durch Liesel Westermann und Kurt Bendlin

1967 verzeichnete Leverkusen die zwei ersten Leichtathletik-Weltrekorde. Liesel Westermann übertraf in São Paulo mit 61,26 Metern als erste Diskuswerferin der Welt die 60-Meter-Marke - am 5. November auf einer Südamerikareise zum Abschluss der Saison. Schon ein Jahr vorher gab es zwischen ihr und Gerd Osenberg erste schriftliche Kontakte. Es wurde das Arrangement getroffen, dass die Athletin weiterhin für Hannover 96 starten, aber sich der Trainingsgruppe in Leverkusen anschließen und an der Sporthochschule Köln ein Studium beginnen würde.

Zehnkämpfer Kurt Bendlin stellte Pfingsten 1967 einen Zehnkampf-Weltrekord auf - bei 38 Grad im Schatten. In Heidelberg sammelte der damals 24-Jährige 8.319 Punkte. Er verausgabte sich im abschließenden 1.500-Meter-Lauf völlig, brach im Ziel vor Erschöpfung zusammen. Kurt Bendlin unterbrach die Vorherrschaft der US-Zehnkämpfer. Zunächst Bauarbeiter und später Polizist, hatte er mit einem Bayer-Stipendium begonnen in Köln Sport zu studieren.

Nach Operationen an beiden Knien und forciertem Krafttraining drängte der Zehnkämpfer auf baldige Wettkämpfe. Bert Sumser konnte ihn nur bremsen, indem er einen Weltrekordversuch versprach und verabredete mit Bundestrainer Friedel Schirmer den Termin im Mai - vor allen wichtigen Wettkämpfen der Saison. Fast wäre die Sache geplatzt: Weil ihm fünf Tage vor dem Termin eine Hantel abrutschte, musste Kurt Bendlin zwei Tage das Bett hüten. Der sportbegeisterte Sohn eines Fabrikanten aus Casablanca, der ihn finanziell unterstützte, wollte ihn nach Heidelberg fahren. Doch unterwegs ging das Auto kaputt. Kurt Bendlin fuhr mit dem Zug weiter.

Teil 1: Von den Anfängen bis zu Armin Harys EM-Gold

Wird fortgesetzt. Nächste Folge: Montag, 18. Mai 2020

Harald Koken


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