Nach dem Protest von etwa 30 Menschen vor dem Privatgrundstück des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) am Sonntagmorgen hat der Präsident des Sächsischen Landtags, Matthias Rößler (CDU), den Vorfall verurteilt. Es sei falsch, Politiker zu Hause aufzusuchen, sagte Rößler am Montag bei „MDR Aktuell“.
Es handele sich hierbei um eine Grenzüberschreitung, für die mit Konsequenzen gerechnet werden müsse. Der CDU-Politiker mahnte an, die Privatsphäre von Politikern zu achten und ihre Familien in Ruhe zu lassen.
Ähnliche Töne schlug am Montag auch Sachsens Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner an. Er warf für einen respektvollen Umgang miteinander. „Wir sind auch aktuell nicht mit allem einverstanden, was da aus der Regierung oder dem Parlament kommt. Aber stets achten wir darauf, die Persönlichkeit und die Privatsphäre des Anderen zu respektieren“, sagte er.
In der Sache sei Meinungsstreit und Widerrede, auch Protest, völlig in Ordnung. Man könne auch den Ministerpräsidenten kritisieren, dafür brauche es aber keinen spontanen Besuch in seiner Privatsphäre. „Ich appelliere an alle Bürger, die Auseinandersetzungen klar und deutlich, aber stets anständig zu führen.“
Als Kretschmer die Reichkriegsflagge sah, war Schluss
Kretschmer selbst schilderte den Vorfall in einem Interview so: „Es war für mich keine bedrohliche Situation. Es ist mir wichtig, mit den Menschen zu reden, in der Hoffnung, sie zu überzeugen“, zitierte ihn n-tv. Als jedoch eine Frau demonstrativ ein Halstuch in den Farben der Reichskriegsflagge über ihren Mund zog, sei für ihn eine Grenze erreicht gewesen. „Dann habe ich das Gespräch abgebrochen. Das ging zu weit“, sagte der 45-jährige CDU-Politiker.
Ebenfalls schockiert habe ihn, dass die protestierenden Menschen vor seinem Haus einen „derartigen Unwillen zeigen, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen“.
Verstoß gegen Versammlungsrecht? Anzeige erstattet
Am Sonntagmorgen hatte eine Gruppe von etwa 30 Menschen vor dem Privatgrundstück des sächsischen Ministerpräsidenten in Großschönau (Landkreis Görlitz) gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Kretschmer sei im Garten gewesen, um Schnee zu schippen und habe dann persönlich mit den etwa 30 Menschen am Gartenzaun gesprochen, teilte die Polizei mit.
Videos und Screenshots zeigten das Gespräch der Beteiligten und kursierten auch in den sozialen Medien – unter anderem verbreitete sie der einschlägig bekannte Account „Antifa Zeckenbiss“.
Die Debatte endete nach etwa 15 Minuten, sie sei friedlich und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Das Video vermittelt hingegen zumindest teilweise einen anderen Eindruck: Als der Ministerpräsident die Demonstranten laut auffordert, „Ruhe“ zu halten, droht die Stimmung fast zu kippen, teils sind die Wortwechsel durchaus erregt.
Dennoch hätten anschließend alle Personen den Ort freiwillig wieder verlassen, wie die Polizei mitteilte. Weiter hieß es vonseiten der Polizeidirektion Görlitz: Die Menschen trafen sich offenbar, um Kretschmer gegenüber „ihre Meinung auszudrücken“. Nach bisherigen Ergebnissen sei es zu keinen strafbaren oder ordnungswidrigen Handlungen gegenüber dem Ministerpräsidenten gekommen.
Allerdings hätten viele der Demonstranten keine Maske getragen und die Abstände teilweise nicht eingehalten. Polizeibeamte fertigten eine Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz aus.