Wahl zum Sportler des Jahres:Ehre, wem Ehre gebührt

Leichtathletik-WM

Überlegene Weitsprung-Weltmeisterin: Malaika Mihambo.

(Foto: dpa)

Wer wird Sportler des Jahres? Das Jahr 2019 bot eine Auswahl an zum Teil kriminellen Verfehlungen - aber auch an Charakteren, die Erfolg und Haltung zeigten.

Kommentar von Barbara Klimke

Der Wettkampfkalender neigt sich dem Ende zu, doch bevor die Ergebnislisten abgeheftet werden, wird noch einmal nachgemessen. Nicht auf frostigen Böden oder in zugigen Turnhallen findet die Schlussrechnung statt, sondern in der Prachtkulisse einer Residenzstadt: Im Kurhaus Baden-Baden, unter der Kassettendecke, werden am Sonntag die Sportler des Jahres gekürt.

Wer vor 700 geladenen Gästen in Frack, Tüll, Plüsch und Pailletten die Auszeichnung entgegennehmen darf, ist noch nicht bekannt. Zu den Favoritinnen dürfte aber wohl jene Frau zählen, die in diesem Jahr so weit durch die Lüfte segelte, wie keine andere Konkurrentin auf dem Planeten: Weitspringerin Malaika Mihambo. Den Triathleten, die sich im Glutofen von Hawaii abstrampelten, Anne Haug und Jan Frodeno, werden ebenfalls gute Chancen eingeräumt, außerdem Zehnkampfkönig Niklas Kaul. Und auch bei den Mannschaften, der dritten Kategorie, sollten sich Persönlichkeiten finden lassen, die das Auswahlkriterium erfüllen: die nicht nur durch Athletik und Wendigkeit, sondern durch Charakterstärke und Haltung aufgefallen sind.

Während hierzulande noch bis Sonntagabend über Zeiten, Weiten und Sympathiepunkten spekuliert wird, meldet von der anderen Seite des Ärmelkanals das Mutterland des Sports bereits Vollzug. Auch in Großbritannien stimmten die Sportjournalisten ab: Die Zeitung The Guardian hat nun ihre Siegerliste vorgelegt, die dadurch überrascht, dass sie alle Vorbildrollen konsequent ignoriert. Statt Fairness und Wohlverhalten zu loben, wird ausdrücklich deren komplettes Fehlen betont. Ausgerufen wird der Flegel der Saison, dem der Titel "Anti-Sports Personality of the Year" verliehen wird - eine Art Goldene Runkelrübe des Sports.

Gemogelt wurde im Sport schon immer

In die Auswahl gelangte Australiens Tennisrabauke Nick Kyrgios, der seine lange Reihe an Rauhbeinigkeiten auf dem Platz in diesem Jahr durch Unterarm-Aufschläge in Acapulco und Stuhlwerfen in Rom erweitert hat. Dazu kam der Versuch, seinem Lieblingsfeind Rafael Nadal absichtlich ein Ball vor die Brust zu schleudern, versehen mit dem maliziösen Zuruf, dass so ein Großverdiener es nicht anders verdiene. Ebenfalls zu den engeren Bewerbern gehört der spanische Profigolfer Sergio Garcia, der in Saudi-Arabien disqualifiziert wurde, weil er in seiner Wut gleich fünf sorgsam gepflegte Grüns vorsätzlich mit dem Schläger umpflügte. Das war allerdings noch nichts gegen die chinesischen Orientierungsläufer, die sich bei den Militärspielen in Wuhan - einem sportlichen Großereignis - von verborgenen, nur ihrem Team bekannten Geländemarkierungen durchs Gestrüpp lotsen ließen. Durch diese moralische Richtungslosigkeit, so urteilte der Guardian spöttisch, haben Chinas Crossläufer den Rüpelpreis des Jahres verdient. Er ist übrigens undotiert.

Gemogelt wurde im Sport schon immer: Regelverstöße, die in die Kategorie dummdreister Unverschämtheiten fallen, sind Teil des Wettbewerbs, seit es Regularien gibt. Umso wichtiger ist es, die Schummler herauszustellen und die Unbescholtenen zu schützen. Wo mit kriminellen Methoden betrogen wird, erübrigt sich ohnehin jede Ironie. Denn auch solche Fälle gehörten ins Sportjahr 2019, das nun zu Ende geht: In Russland, das seit Jahren des Staatsdopings überführt ist, wurden weiter Daten aus dem Moskauer Kontrolllabor gelöscht und massiv gefälscht. Und im Februar bestätigte spektakulär die "Operation Aderlass" bei der Nordischen Ski-WM in Tirol, dass es auch in Deutschland Doping-Netzwerke gibt.

Jene, die sich im Sport trotz allem an ihren moralischen Kompass halten, dürfen sich einmal im Jahr feiern lassen. Glückwunsch ins Kurhaus! Allen anderen: eine schrumpelige Runkelrübe!

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