Denkmal für Helmut Dietl:Thomas Mann hätt's viel eher verdient

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Der Monaco Franze, der Alois Permaneder und das echte Münchner Lebensgefühl

"Ein Denkmal für Helmut Dietl" vom 8. November:

Nun hat also der zuständige Bezirksausschuss einstimmig der Errichtung einer Bronzeplastik zu Ehren des Regisseurs Helmut Dietl vor dem Café "Münchner Freiheit" neben der seines Spezls Helmut Fischer zugestimmt. Möglichst mit Zigarette in der Hand, wie von seiner Witwe aus Authentizitätsgründen gefordert. Und wenn möglich angetan mit seinem sommers und winters getragenen weißen Anzug und dem wehenden Schal, mit dem Herr Dietl jahrzehntelang durch die Stadt lief, um dem Münchner Lebensgefühl nachzuspüren und ihm alsdann in seinen Serien ein Denkmal zu setzen.

Das seltsame ist nur, dass ich, die ich seit gut 36 Jahren in München lebe, nie auch nur im Entferntesten das in Dietls Serien dargestellte Münchner Lebensgefühl kennengelernt habe. Niemals habe ich hier in all den Jahren die in Dietls Filmen dargestellte Lässigkeit, Lockerheit, Coolheit, Witzigkeit und das sorglose In-den-Tag-Leben gesehen, durch welches sich das Münchner Lebensgefühl angeblich auszeichnet. Auch an meinen Münchner Bekannten - egal ob in München geboren und aufgewachsen oder irgendwann zugezogen - ist diese Erfahrung vollkommen vorbeigerauscht. Niemand scheint auch nur ansatzweise etwas davon mitbekommen zu haben.

Was Wunder allerdings: Für die in dieser Stadt lebenden Menschen bedeutet das Leben hier aufgrund der hohen Preise und des in München herrschenden Konformitätsdrucks in erster Linie, möglichst gut zu funktionieren und hart zu arbeiten, um den bestehenden Anforderungen einigermaßen gerecht zu werden.

Auch wenn dieser Stress und Anpassungsdruck zu Dietls großen Serienzeiten weniger ausgeprägt gewesen sein mag, von sorgloser Lässigkeit und Unbekümmertheit in der Lebensweise, wie Dietl sie den Charakteren in seinen Filmen andichtet, kann und konnte in München nie die Rede sein. Trotzdem (oder gerade deswegen?) werden diese Serien absurderweise als die authentischsten Darstellungen von München und seinen Bewohnern gehandelt. Als Dank dafür will die Stadt München ihm nun also ein Denkmal setzen.

Wenn jemandem ein Denkmal gebührt, so ist das meines Erachtens Thomas Mann, der berühmte Schriftsteller und Nobelpreisträger, der in München seine wichtigsten und bekanntesten Werke verfasst hat. Allein für die Beschreibung der Figur von Alois Permaneder in seinem Roman "Die Buddenbrooks" gebührt Thomas Mann ein Denkmal. Nie wurde das Münchner Lebensgefühl besser und authentischer beschrieben als in diesem Roman. Thomas Mann gebührt ein Denkmal, nicht Helmut Dietl! Renate Pachneck, München

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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