UBS-Rettung zahlt sich aus

Mit Dutzenden von Milliarden Franken haben Nationalbank und Bund 2008 die UBS gerettet. Die bis jetzt beispiellose Hilfsaktion hat sich in ein Geschäft verwandelt: Für Nationalbank und Bund zeichnet sich ein Gewinn von 6,5 Milliarden Franken ab.

Daniel Hug
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Damals war der Erfolg noch ungewiss: SNB-Präsident Jean-Pierre Roth, Bundespräsident Pascal Couchepin und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am 16. Oktober 2008. (Bild: Keystone)

Damals war der Erfolg noch ungewiss: SNB-Präsident Jean-Pierre Roth, Bundespräsident Pascal Couchepin und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am 16. Oktober 2008. (Bild: Keystone)

Die SNB hat Zeit, wir sind da für die Ewigkeit.» Mit diesen Worten erklärte am 16. Oktober 2008 Jean-Pierre Roth, damals Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), warum seine Institution die Milliarden an illiquiden Wertpapieren der UBS zu tragen vermöge. Die Ewigkeit hat in diesem Fall nur fünf Jahre gedauert: Im Verlaufe der nächsten Wochen wird die Nationalbank voraussichtlich die letzten Tranchen ihres Kredits an den Stabilitätsfonds, in den die toxischen UBS-Wertpapiere ausgelagert worden waren, zurückerhalten. Das Darlehen der SNB, das sich einst auf über 30 Mrd. Fr. belief, ist dank den Erträgen aus den ehemals illiquiden Papieren Ende Juni auf 1,2 Mrd. Fr. geschrumpft.

Nun lässt sich abschätzen, was die Operation insgesamt gebracht hat: Erstens wurde die UBS gerettet, die heute von der Börse mit 71 Mrd. Fr. bewertet wird und 60 000 Mitarbeiter beschäftigt. Zweitens konnte der Bund für sein Darlehen (Wandelanleihe von 6 Mrd. Fr., Zinssatz 12,5%) im August 2009 einen Erlös von 1,24 Mrd. Fr. verbuchen.

Drittens hat die Nationalbank seit 2008 Zinseinnahmen für das Darlehen an den Stabilitätsfonds von 1,6 Mrd. Fr. erzielt. Zudem ist das Eigenkapital im Fonds stetig gestiegen. Der Verteilschlüssel bei der Auflösung sieht vor, dass die erste Milliarde der Eigenmittel an die SNB geht und der Rest zu gleichen Teilen unter UBS und SNB aufgeteilt wird. Ende Juni dürfte das Eigenkapital des Fonds auf etwa 6,3 Mrd. Fr. angestiegen sein; an die SNB würden dann rund 3,6 Mrd. Fr. fliessen. Diese Eckwerte können sich bis zur Auflösung des Fonds noch leicht verändern.

Insgesamt hat die grösste Rettungsaktion von Bund und Nationalbank für ein privatwirtschaftliches Unternehmen den Steuerzahler keinen Rappen gekostet, aber einen Gewinn in der Grössenordnung von 6,5 Mrd. Fr. in die Kasse des Staates und der Notenbank gespült. Dagegen in Rechnung zu stellen sind die gewaltigen Risiken, welche vor allem die Nationalbank tragen musste. Denn im Oktober 2008, nach dem Kollaps der US-Banken Bear Stearns und Lehman Brothers, war die Verunsicherung allgegenwärtig. Die UBS war viel zu schwach mit Eigenmitteln ausgestattet – und die globale Wirtschaft glitt in eine Rezession ab.

Bereiteten die hohen Risiken Jean-Pierre Roth damals schlaflose Nächte? «Nein», sagt er heute im Gespräch, «denn wir hatten die Operation schon monatelang intern vorbereitet. Bereits im Frühjahr 2008 diskutierten wir die Frage: Was ist zu tun, wenn eine Schweizer Grossbank in Schieflage gerät? Über diesen Punkt führten wir im Frühjahr auch mit unseren Kollegen bei der US-Notenbank Fed und der Bank of England einen Meinungsaustausch.» Danach seien zwei Szenarien im Vordergrund gestanden. Erstens: Die SNB gewährt der notleidenden Bank einen Kredit und übernimmt die toxischen Papiere als Sicherheit. Zweitens: Die SNB kauft der angeschlagenen Bank die toxischen Papiere gegen Cash ab – und nimmt diese auf ihre Bilanz. Im September akzentuierten sich die Refinanzierungsschwierigkeiten der UBS. «Wir waren uns rasch einig, dass die radikalere Variante die Märkte am meisten beruhigen wird», erläutert Roth rückblickend. «Im Austausch mit der UBS-Spitze entstand darauf die Idee einer Zweckgesellschaft, welche die illiquiden Papiere halten sollte.»

Am 16. Oktober verkündete Jean-Pierre Roth den Rettungsplan für die UBS. Es war, wie sich zeigen sollte, die komplexeste Operation, welche die Nationalbank je durchführte. Die SNB betrat damit völliges Neuland. Ausgesprochen heikel war etwa die Bewertung der illiquiden, meist an Hypotheken gebundenen Papiere. Es gab keine Marktpreise mehr. «Wir gingen bei der Bewertung der Papiere unglaublich vorsichtig vor. Wenn es zwischen den Experten zu Differenzen kam, nahmen wir stets den tieferen Preis. Hätten wir zu hohe Werte angenommen, hätten wir der UBS ein Geschenk gemacht und sie unzulässig subventioniert.»

Trotzdem gab es heftige Opposition gegen die Rettung, aus Politik und Wirtschaft. Die SP erachtete das Rettungspaket als «finanziell und demokratisch nicht haltbar», SP-Ständerat Alain Berset sprach von einer «katastrophalen Situation»; die Grüne Partei vermisste «finanzielle Sicherheiten». Am 8. Dezember 2008 genehmigte der Nationalrat die UBS-Rettung mit 116 gegen 55 Stimmen. Die Märkte verschlechterten sich jedoch weiter – das Eigenkapital des Stabilitätsfonds war im Frühjahr 2009 aufgezehrt. «UBS-Ramschtitel kontaminieren die SNB», titelte die «Handelszeitung».

In den Folgemonaten stabilisierte sich der US-Immobilienmarkt und damit auch die damit verbundenen Wertpapiere. «Wir sind Risiken eingegangen, aber kalkulierte Risiken», sagt Jean-Pierre Roth. «Es war eine Wette darauf, dass sich die Lage auf den Märkten über die Jahre wieder normalisiert. Ich hatte damit gerechnet, dass es etwa fünf Jahre dauern wird. Aber ich habe nicht erwartet, dass der Stabilitätsfonds ein so gutes Geschäft wird», sagt der ehemalige SNB-Präsident.

Oswald Grübel, ehemaliger UBS-Chef, hat das früh erkannt und wollte die Papiere aus dem Stabilitätsfonds schon vor Jahren zurückkaufen. «Doch die UBS war damals noch nicht genügend stark. Und wenn die SNB grosse Risiken eingeht, soll sie auch dafür entschädigt werden», sagt Roth. Die UBS-Rettung ist geglückt, so etwas sollte sich aber nicht wiederholen. Darum verlangt die Aufsicht von den Grossbanken nun viel höhere Eigenmittel.