Trauerfeier mit Misstönen

Mehr als 200 Menschen aus Kultur, Zivilgesellschaft und Politik nahmen am Montag Abschied vom Schriftsteller und Visionär Al Imfeld. Die Abdankung war allerdings nicht frei von Nebengeräuschen.

Al Imfeld vor zwei Jahren bei seinem 80. Geburtstag.
Al Imfeld vor zwei Jahren bei seinem 80. Geburtstag. (Bild: Reto Schlatter)

Am Montag wurde Al Imfeld auf dem Gelände der Schweizerischen Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) im schwyzerischen Immensee beigesetzt. Zentrales Thema der Feier wie auch der Gespräche beim anschliessenden Trauermahl war die Deutung der Biographie des bekannten Theologen. Imfeld, der schon früh in die SMB eingetreten war, um katholischer Priester zu werden, später dann aber auf evangelische Theologie umschwenkte, war in vielen der medialen Nachrufe als Querdenker bezeichnet worden. «Querdenker», sagte eine Frau entrüstet, «nein, Al war ein Mitdenker.» Sie erinnerte daran, wie konstruktiv und engagiert er als Vorstandsmitglied eines kleinen afrikanischen Hilfswerks mitgewirkt hatte. Und noch etwas ärgerte sie: «Afrika hatte bei der Trauerfeier wohl keinen Platz.»

Afrika, das grosse Lebensthema von Al Imfeld, blieb in der Abdankungszeremonie des SMB-Generalvikars tatsächlich unerwähnt. «Afrikanische Musik, das hätte der kühlen Feier gut getan», meinte auch Karl Rechsteiner, Mitinitiator von Oikocredit. Er erinnerte sich zurück, wie Imfeld immer wieder eine «Geldgeschichte» beigesteuert hatte, um den Aufbau der neuen Organisation für Mikrokredite im Süden zu unterstützen. «Daraus ist ein Buch geworden», erzählte Rechsteiner. Eines von mehr als fünfzig Büchern, die Imfeld in seinem Leben geschrieben hat. Sein letztes mit dem Titel «AgroCity. Die Stadt für Afrika» kommt in diesen Tagen posthum in den Buchhandel.

Schwierige Versöhnung

Auch wegen der Internationalität der Missionsgesellschaft wundert es, dass Al Imfelds Wirken im Ausland bei der Traueransprache übergangen wurde. Eines war jedenfalls deutlich spürbar: Auch im Tode haben sich einige der noch lebenden Missionsbrüder mit dem verlorenen Sohn nicht versöhnen können. Schon die aufgehängten Trauerzirkulare in den Korridoren des Missionshauses kündeten davon. Da war etwa zu lesen, dass Imfeld «es mit den autobiografischen Details nicht so genau nahm» oder dass er «als unorthodox Denkender sich nicht nur mit einigen seiner Mitbrüder anlegte.»

Diesen Refrain nahm der Generalvikar auch in seiner Trauerrede auf. «Fehler und Ungereimtheiten» seines Mitbruders erwähnte er, das manchmal «Verstörende und Zerstörende», «das Stossende und Abstossende». Man wolle Al Imfeld nicht zu den Altären erheben und ihn heilig sprechen, sagte er.

Irritierte Trauergäste

Diese Worte irritierten offenbar viele. Unbarmherzig sei das gewesen, hörte man aus der 200-köpfigen Trauergemeinde, die sich nach der Eucharistiefeier bedächtig zum Friedhofshügel hoch bewegte. Da seien wohl alte Wunden selbst über den Tod des unorthodoxen Al Imfeld nicht verheilt. Und ein Trauergast erklärte sogar, dass er ob diesem Strafgericht über einen Toten die Kirche beinahe demonstrativ verlassen hätte.

Aber es passt zu Al Imfeld, dass er noch als Toter provoziert. Und es passt zu ihm, dass er bewusst entschieden hat, trotz aller Konflikte dem Orden treu zu bleiben, wenn er auch nicht im «Missionarsaltersheim», wie er einmal sagte, dem Tod entgegendämmern wollte. Bis zuletzt lebte er darum in seiner Wohnung in Zürich.

Der Zweifler – ein Leben lang

Von der katholischen Kirche trennte er sich ebenfalls nicht. Trotz seiner intensiven theologischen Suchbewegungen in den 1960er-Jahren, als er sich der Gott-ist-tot-Theologie von Dorothee Sölle anschloss, trotz seinem lebenslangen Ringen in Glaubensfragen, kam es nie zum totalen Bruch. Selbst als die gestrengen Professoren der vatikanischen Universität Gregoriana in Rom seine Doktorarbeit ablehnten, kehrte er der Kirche nicht den Rücken.

Das kirchlich verordnete Scheitern Imfelds wurde zum biographischen Glücksfall. In den USA fand der berühmte evangelische Theologe Paul Tillich zu Beginn der 60er-Jahre Gefallen an den Thesen des Schweizers. Zudem lernte Imfeld dort Martin Luther King kennen und studierte Journalismus. Gute Voraussetzungen, um 1967 mit Poesie und Publizistik im Reisegepäck nach Zimbabwe, damals noch unter dem Kolonialnamen Rhodesien auf der Landkarte eingezeichnet, zu fliegen. An der dortigen Missionsschule brachte er den Schülern nicht nur Schreib- und Lesefähigkeiten bei, sondern legte auch den Grundstein für eine ganze Generation von Journalistinnen und Lyrikern.

Den vielen verschiedenen Trauergästen ist es schliesslich zu verdanken, dass Afrika bei der Abdankung dennoch präsent war. Ein weit gespanntes Spektrum von Menschen traf man da an: agnostische Kulturschaffende, Drittweltbewegte, Hilfswerkvertreter, Publizisten, Journalisten und Zürcher Freunde. Sie widerspiegelten den Facettenreichtum des Verstorbenen – und machten klar: Al Imfeld war ein grosser Netzwerker, der an seinem Küchentisch in der Konradstrasse 23 in Zürich bis zum Schluss die unterschiedlichsten Milieus miteinander ins Gespräch brachte. (reformiert./Delf Bucher)


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von reformiert., Interkantonaler Kirchenbote und ref.ch.