Straßengebühren:Freie Fahrt

Europas oberste Richter verwerfen die von der CSU ersonnene Pkw-Maut, weil sie Ausländer diskriminiere. Damit bleibt die Autobahnbenutzung vorerst für alle kostenlos.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Verkehr auf der A4

Deutsche Autobahnen bleiben vorerst kostenlos: Österreich hat mit seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gewonnen.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Als der Bundestag vor vier Jahren die Einführung einer Pkw-Maut beschloss, warnten zahlreiche Kritiker und Fachleute vor den juristischen Risiken. Eine Abgabe, die letztlich nur EU-Ausländer treffe, verstoße gegen europäisches Recht. Auch eine Nachbesserung im Frühjahr 2017 - mit einer Prise Ökologie sowie einer Preissenkung für Kurzzeitvignetten - schien die Sache nicht zu retten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wertete das umstrittene Vorhaben nach wie vor als eine "mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit" - zu Lasten der Nachbarn aus Österreich und anderswo. Nun ist es genau so gekommen wie damals vorhergesagt: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Abgabe, mit deren Erhebung im Oktober 2020 begonnen werden sollte, für europarechtswidrig erklärt. Damit hat sich Österreich, unterstützt von den Niederlanden, mit seiner Klage gegen Deutschland durchgesetzt. Politisch dürfte das Schicksal des einst von der CSU ersonnenen und vom damaligen Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorangetriebenen Projekts damit besiegelt sein.

Die Abgabe - ursprünglich von der CSU als reine "Ausländer-Maut" im Bundestagswahlkampf 2013 propagiert - war 2015 als eine formal einheitliche Abgabe für alle Autofahrer beschlossen worden. Jeder, ob Deutscher oder Ausländer, sollte die bis zu 130 Euro teure Jahresvignette kaufen, gestaffelt nach Motortyp, Schadstoffausstoß und Hubraum. Um aber die deutschen Autofahrer nicht zusätzlich zu belasten - das war ein politisches Versprechen der Regierung -, sollte ihnen die Vignette über eine Steuerentlastung in gleicher Höhe erstattet werden. Schon früh stieß dies auf juristische Bedenken, die EU-Kommission strengte sogar ein Vertragsverletzungsverfahren an - das sie aber flugs wieder einstellte, nachdem Deutschland im März 2017 die geplanten Kurzzeitvignetten für Ausländer billiger gemacht hatte.

Das Ende aller Gebühren bedeutet das Urteil nicht. Eine faire Vignette wäre erlaubt

Das EuGH-Urteil verstärkt nun den Eindruck, der schon damals herrschte: dass der Rückzug der Kommission eher einem politischen Deal geschuldet war als einer juristischen Neubewertung. Denn aus Sicht des EuGH besteht kein Zweifel, dass die Last der Pkw-Maut faktisch allein von ausländischen Fahrern getragen werden sollte. Mit anderen Worten: Das Blendwerk einer "Vignette für alle" bei gleichzeitiger Kompensation allein für Deutsche hat die obersten EU-Richter nicht beeindruckt. Zwar hatte der Generalanwalt des EuGH in seinem Schlussantrag im Februar zur allgemeinen Überraschung empfohlen, diese wackelige Konstruktion doch rechtlich zu billigen. Der EuGH folgte dem jedoch nicht, denn aus seiner Sicht hatte die deutsche Regierung in dem Verfahren ihr zentrales Argument nicht hinreichend belegt - dass nämlich deutsche Autofahrer über die KfZ-Steuer bereits in gleichem Maße zur Straßeninfrastruktur beitrügen. Das Gericht vermisste genaue Zahlen zur Untermauerung dieser Behauptung; die Regierung habe zur Aufschlüsselung der Straßenfinanzierung "keine näheren Angaben" gemacht. Damit ist die Maut laut EU-Gericht ein klarer Fall von Ausländerdiskriminierung. Sie behindere den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen, weil sie die Kosten für die Nachbarn der Deutschen erhöht.

Das Ende jeglicher Mautpläne bedeutet das Urteil trotzdem nicht. Eine echte Vignette für alle, ob Inländer oder Ausländer, bleibt EU-rechtlich selbstverständlich nach wie vor erlaubt und wäre politisch vielleicht sogar erwünscht. Jedem Mitgliedstaat stehe es frei, die Straßeninfrastruktur auf eine neue Grundlage zu stellen - weg von der Steuerfinanzierung und hin zum "Verursacherprinzip". Deutschland könnte demnach ohne Weiteres ein System der Finanzierung durch sämtliche Nutzer aus In- und Ausland einführen, "damit alle Nutzer in gerechter und verhältnismäßiger Weise zu dieser Finanzierung beitragen", schreibt der EuGH. Nur eben ohne Diskriminierung.

Nicht nur juristisch, sondern auch finanziell wäre das die einzig sinnvolle Version einer Maut. Die seinerzeit von Dobrindt erhofften Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr wären ohnehin überschaubar gewesen. Schon vor Jahren wurde gewarnt, dass diese Annahme zu optimistisch sei. Nun mehren sich die Anzeichen, dass tatsächlich deutlich weniger Geld geflossen wäre - und zwar wegen der starken Steuerentlastung von Fahrzeugen mit Euro-6-Norm. So kann wohl sogar das Verkehrsministerium froh sein, dass die EU-Richter das Projekt einkassiert haben.

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