Der Konflikt um das Spitzenpersonal in der Europäischen Union geht weiter. Kanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen wollen heute erneut versuchen, sich auf die Vergabe der Posten zu einigen. Trotz langer Beratungen hatten sie am Montag keine Einigung erzielt, weshalb EU-Ratschef Donald Tusk den Sondergipfel auf den heutigen Dienstag vertagt hat.

Die deutsche Grünen-Politikerin Ska Keller will sich ungeachtet der Suche der Mitgliedsländer ebenfalls für die Präsidentschaft im Europaparlament bewerben. Die Europäischen Grünen würden die 37-Jährige für die Wahl vorschlagen, hieß es am Montagabend in Straßburg. Keller war in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Belgier Philippe Lamberts Co-Vorsitzende der Fraktion. Nach der Europawahl wurden beide im Amt bestätigt. "Ich möchte das Europäische Parlament demokratischer, offener und transparenter machen", sagte Keller, deren Kandidatur symbolisch mit der bisherigen Vergabe des Postens bricht: Bislang wurde der neue Präsident immer von den Staats- und Regierungschefs ohne Beteiligung des Parlaments bestimmt.

Das Parlament kommt an diesem Dienstag erstmals in Straßburg zusammen und soll am Mittwoch einen Nachfolger für Antonio Tajani wählen. Die Grünen sind mit 75 Sitzen die viertstärkste Fraktion im neuen Parlament. Als weitere Kandidaten für den Posten des EU-Parlamentspräsidenten sind unter anderem der belgische Liberale Guy Verhofstadt und der italienische Sozialist Roberto Guarnieri im Gespräch.

Ska – eigentlich Franziska – Keller wurde im brandenburgischen Guben nahe der polnischen Grenze geboren, sie ist seit 2009 EU-Abgeordnete. Die studierte Islamwissenschaftlerin und Turkologin spricht außer Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch auch Katalanisch, Türkisch und etwas Arabisch. Verheiratet ist Keller mit einem Finnen.

Oder doch Manfred Weber?

Die Staats- und Regierungschefs der EU verhandeln derzeit über die Besetzung mehrerer Spitzenposten – dazu gehört auch das Amt des Parlamentspräsidenten. Das Parlament ist in seiner Wahl zwar frei, als Teil eines Personalpakets könnte jedoch ein Deal geschlossen werden, der bei Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen Unterstützung findet. Dann dürfte es für Keller schwierig werden.

Im Vordergrund der Beratungen über die Spitzenpositionen in der EU steht die Suche nach einem EU-Kommissionspräsidenten, der möglichst für alle 28 Mitgliedstaaten, aber auch für das Europäische Parlament akzeptabel ist. Ein 21-stündiger Verhandlungsmarathon während des EU-Sondergipfels hatte am Vortag keine Lösung gebracht. Am Vormittag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen weiter beraten.

Zuletzt wurde ein Personalpaket diskutiert, das den niederländischen Sozialdemokraten und bisherigen EU-Kommissionsvize Frans Timmermans als Nachfolger für Jean-Claude Juncker vorsieht. Für Manfred Weber, Fraktionsvorsitzenden der EVP, die das beste Wahlergebnis erzielte, gab es für dieses Amt bisher keine Mehrheit. Die Staats- und Regierungschefs brachten Weber daher stattdessen als möglichen Präsidenten des Parlaments ins Gespräch. Der CSU-Politiker muss sich bis zum Abend entscheiden, ob er für das höchste Amt im Europaparlament kandidieren will. 

Für den Job der Vizepräsidentin des EU-Parlaments gibt es inzwischen ebenfalls eine Kandidatin aus Deutschland. Für diese Position bewirbt sich die frühere Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). "Die Europäische Union hat ein Kommunikationsproblem, und ich möchte dem EU-Parlament mehr Gehör verschaffen", sagte sie dem Nachrichtenportal Business Insider. Dabei verwies sie auf ihre Erfahrung in der Bundespolitik und als Ministerin.  Barley war bei der Europawahl im Mai als Spitzenkandidatin angetreten und wechselt nun ins Europaparlament.