Maut-Debakel: Neue Vorwürfe gegen Scheuer

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bei einer Kabinettssitzung in Berlin.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bei einer Kabinettssitzung in Berlin.

Foto: Pool / Getty Images

Sie sollte viel Geld in die Staatskasse bringen – die Pkw-Maut. Dann wurde sie gekippt. Jetzt erhebt das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ harte Vorwürfe gegen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU,45) .

Laut einer Auswertung Tausender interner Dokumente aus dem Bundesverkehrsministerium durch „Report Mainz“ wurden der Bundestag und der Bundesrechnungshof von Scheuer und seinem Stab bewusst getäuscht. Zudem hätten sie die Aufklärung des Skandals behindert.

Zum Hintergrund: Im Sommer letzten Jahres erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Scheuers Pkw-Maut für unzulässig. Die Verträge mit den Betreibern waren damals allerdings schon unterschrieben. Deshalb fordern die Maut-Firmen „Kapsch/Eventim“ jetzt rund eine halbe Milliarde Euro Schadenersatz. Zur Aufklärung des Skandals wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. BILD hatte darüber berichtet.

Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) einen Verstoß gegen Haushaltsrecht vor. Es habe u. a. Kosten für die Maut-Erhebung zur bundeseigenen „Toll Collect GmbH“ verschoben und den Bundestag erst im Nachhinein darüber informiert.

Das Staatsunternehmen Toll Collect sollte dem privaten Betreiber u. a. seine Mautbrücken und Terminals zur Verfügung stellen. Gegenwert laut internen Unterlagen: 360 Millionen Euro!

Bundesrechnungshof spricht von „Arbeitsverweigerung“

Eine der Schlüsselfragen lautet nun: Warum wurde der Bundestag erst im Nachhinein über den „Toll Collect-Deal“ informiert?

Der Bundesrechnungshof ist überzeugt: Das Verhalten des Ministeriums grenzt an „Arbeitsverweigerung“. Mehrmals sei kritisiert worden, dass wichtige Maut-Unterlagen fehlten.

Das BMVI behauptet bis heute, dass der Deal zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mautvertrages noch nicht feststand.

Oliver Luksic, FDP-Vertreter im Untersuchungsausschuss ist jedoch überzeugt: Das Bundesverkehrsministerium lügt! „Das ist eine ganz krasse Fehlaussage und Unwahrheit“, so Luksic. Der „Toll Collect-Deal“ sei fester Teil des Betreibervertrags gewesen.

Der Bundesverkehrsminister spricht 2019 bei einer aktuellen Stunde zum Scheitern der PKW-Maut im Bundestag

Der Bundesverkehrsminister spricht 2019 bei einer aktuellen Stunde zum Scheitern der Pkw-Maut im Bundestag

Foto: Lisa Ducret / dpa

Dokumente, die ebenfalls „Report Mainz“ vorliegen, zeigen, dass bereits mehrere Wochen vor Unterzeichnung der Mautverträge, die Einbindung von „Toll Collect“ feststand. Dazu passt auch, dass schon wenige Tage nach der Maut-Unterschrift die gemeinsame Arbeit zwischen dem Mautanbieter „Kapsch/Eventim“ und „Toll Collect“ begann.

Genau diese Papiere hat das BMVI inzwischen als „Verschlusssache“ eingestuft.

„Report Mainz“ berichtet von internen Mails

Interne Mails, die „Report Mainz“ ebenfalls vorliegen, zeigen, dass Mitarbeitern im Verkehrsministerium die Lage nicht ganz geheuer ist.

So schrieb eine ranghohe Mitarbeiterin an eine Kollegin: „(...) es ist nicht schön, wenn wir als Fachebene für die allgemein politischen Auseinandersetzungen benutzt werden und Aussagen tätigen sollen, die definitiv nicht stimmen.“ Die Mitarbeiterin beendete ihre Mail mit der Empfehlung an ihre Untergebene: „Bitte bei dem Thema – wo es irgendwie geht –raushalten!“

Harte Beurteilung vom Staatsrechtler

Der Staatsrechtler Prof. Joachim Wieland kommt zu dem Schluss, dass bei der Maut mehrfach gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde. Einige Wochen vor der Vertragsunterschrift hatte das Verkehrsministerium heimlich Verhandlungen mit dem einzig verbliebenen Anbieter „Kapsch/Eventim“ geführt. Das war laut Vergaberecht verboten.

Die Opposition ist überzeugt: Scheuer hat ganz bewusst Recht gebrochen, er trägt dafür die Verantwortung.

Der Abgeordnete Oliver Krischer, sitzt für die Grünen im Untersuchungsausschuss zur Maut, sagt: „Wir haben einen Minister, der ganz bewusst Recht gebrochen hat, um ein Lieblingsprojekt der CSU durchzusetzen; der in Kauf genommen hat, dass die Steuerzahler um dreistellige Millionenbeträge geschädigt werden. Und deshalb hat Herr Scheuer in diesem Amt nichts verloren.“

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