BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14614 21. Wahlperiode 23.10.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir und Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 15.10.18 und Antwort des Senats Betr.: Umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr in Hamburg Der Einbau von Aufzügen zur Ermöglichung des Haltestellenzugangs für mobilitätseingeschränkte Menschen kommt voran und soll Anfang der 2020er-Jahre weitgehend abgeschlossen sein. Barrierefreiheit ist ein Anspruch, der auch für Menschen mit anderen Handicaps umgesetzt werden muss. Exemplarisch wären taube und blinde Menschen zu nennen. Durch die Konzentration des öffentlichen Interesses auf die große Gruppe der Mobilitätseingeschränkten treten ihre besonderen Bedürfnisse zum Teil in den Hintergrund. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Unter Leitung der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) tagt regelmäßig die Arbeitsgruppe zum „Barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“, der Behinderten- und Seniorenvertreterinnen und -vertreter sowie Vertreterinnen und Vertreter der Verkehrsunternehmen und maßgeblichen Behörden angehören. In dieser Arbeitsgruppe werden die Maßnahmen und Konzepte zum barrierefreien ÖPNV diskutiert und gemeinsam auf den Weg gebracht. Im Zuge der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) wurden die Verkehrsunternehmen vom Senat beauftragt , ein Konzept für eine „vollständige Barrierefreiheit“ bis zum Jahr 2022 zu erarbeiten . Vor diesem Hintergrund hat der HVV im Jahr 2014 einen umfassenden Abstimmungsprozess angestoßen, an dem die Arbeitsgruppe sowie das Hamburger Umland beteiligt sind. Ziele sind die Aktualisierung von Standards zur Barrierefreiheit, eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands sowie die Entwicklung von Maßnahmen und Konzepten zur Erreichung einer vollständigen Barrierefreiheit. Betrachtet werden in diesem mehrjährigen Prozess sowohl Haltestellen und Fahrzeuge als auch die Themen Information und Service. Dies schließt nicht nur die Belange mobilitätseingeschränkter Personen, sondern beispielhaft auch die Belange von blinden oder tauben Personen mit ein. Die Barrierefreiheit des ÖPNV wird im Verbundgebiet des HVV seit Jahren mit Erfolg vorangetrieben. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des HVV, der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), der Altona- Kaltenkirchen-Neumünster Eisenbahn GmbH (AKN), der Verkehrsbetriebe Hamburg- Holstein GmbH (VHH) und der Deutschen Bahn AG (DB AG) wie folgt: 1. Welche Informationsangebote des HVV zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel sind in Leichter Sprache und/oder als audiovisuelle Medien verfügbar? Drucksache 21/14614 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Piktogramme stellen derzeit eine leicht verständliche Informationsquelle an Bahnhöfen und Haltestellen dar. Audiovisuelle Informationen stehen im Internet, unter anderem auf dem YouTube-Kanal des HVV, unter folgendem Link zur Verfügung: https://www.youtube.com/channel/UCG-EXtx-kY-Zh2Qk0ch5-1Q/videos? disable_polymer=1. Mobilitätshilfen, welche die Nutzung des HVV erleichtern, werden im Internet unter folgendem Link beschrieben: https://www.hvv.de/service/mobilitaet-fuer-alle/ mobilitaetshilfen/. Weitergehende Informationen bietet der Prospekt „Barrierefrei unterwegs“, der in allen Servicestellen des HVV erhältlich ist. In dem Streckenplan (USAR-Plan) sind die barrierefreien Haltestellen durch Symbole gekennzeichnet. Weitere Informationsangeboten in leichter Sprache werden im Rahmen des in der Vorbemerkung genannten Prozesses berücksichtigt. 2. Wie hoch ist der Anteil der Bushaltestellen im Hamburger Stadtgebiet, die mit elektronischen Anzeigen ausgestattet sind? Der HVV arbeitet derzeit, entsprechend einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft ÖPNV, an einer aktuellen Erfassung von Daten zu Bushaltestellen. Diese Erfassung ist noch nicht abgeschlossen. Der Anteil von Bushaltestellen in Hamburg, die mit elektronischen Anzeigen ausgestattet sind, kann daher derzeit nicht genau beziffert werden. Die HOCHBAHN hat auf Hamburger Gebiet 290 elektronische Anzeigen im Einsatz. Die VHH hat in Hamburg etwa 132 elektronische Anzeigen im Einsatz. Es ist nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass rund 4.000 Richtungshaltestellen in Hamburg bestehen. Gemessen daran sind mehr als 10 Prozent dieser Richtungshaltestellen mit elektronischen Anzeigen ausgestattet. Bei der elektronischen Anzeige handelt es sich allerdings nicht um ein generelles Ausstattungsmerkmal einer Haltestelle, sondern diese ist für nachfragestarke Haltestellen beziehungsweise Haltestellen mit hoher Umsteigerelevanz, insbesondere im Rahmen der Busbeschleunigung, angedacht. 3. Werden kurzfristige Störungen, wie zum Beispiel Streckensperrungen, sowohl auf den Zuganzeigern der Bahnhöfe als auch auf den Monitoren der neueren U-Bahn-Züge angezeigt? HOCHBAHN: Bei kurzfristigen Störungen informieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leitstelle der HOCHBAHN die Fahrgäste. Hierfür werden visuelle Anzeigemedien in den Haltestellen (elektronische Hinweistafeln), akustische Möglichkeiten in Haltestellen und Fahrzeugen (Lautsprecher) und die sozialen Medien im Internet genutzt. Auf den Monitoren der U-Bahn-Fahrzeuge erfolgt bei kurzfristig auftretenden Störungen keine Anzeige. Im übrigen Schnellbahnverkehr werden die Fahrgäste ebenfalls über visuelle Anzeigemedien in den Haltestellen (elektronische Hinweistafeln) sowie über akustische Möglichkeiten in Haltestellen und Fahrzeugen (Lautsprecher) und über die sozialen Medien im Internet informiert. 4. Wie viele Bahnsteigkanten im Schnellbahnnetz sind mit taktilen Elementen versehen und wie hoch ist dieser Anteil im Vergleich zum Gesamtbestand ? HOCHBAHN: Die barrierefrei auszubauenden Haltestellen der U-Bahn werden mit taktilen Elementen im Bahnsteigbereich versehen. Derzeit sind dies die Bahnsteigkanten von 61 Haltestellen in Hamburg. Dies entspricht einem Anteil von 74 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. AKN: In Hamburg sind alle Haltestellen der AKN mit taktilen Leitstreifen ausgestattet. Im HVV-Verbundraum sind 35 von 36 Haltestellen der AKN mit taktilen Blindenleitstreifen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14614 3 ausgestattet. Dies entspricht einem Anteil von 97 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand . S-Bahn: Die DB AG hat hierzu keine Angaben übermittelt. 5. Wie viele Zugangsbauwerke im Schnellbahnnetz sind mit einer durchgängigen taktilen Wegeführung vom Eingang bis zum Bahnsteig versehen und wie hoch ist dieser Anteil im Vergleich zum Gesamtbestand? Eine statistische Erfassung zur durchgängigen taktilen Wegeführung liegt nicht vor. Der HVV praktiziert ein zwischen den Behindertenverbänden, den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern abgestimmtes Vorgehen zur taktilen Ausstattung von Haltestellen. Gefordert ist eine taktile Wegeleitung auf den Bahnsteigen im Zuge des barrierefreien Ausbaus der Haltestellen. Taktile Leitsysteme in Zwischenebenen und Schalterhallen sollen jedoch nur an unübersichtlichen Haltestellen umgesetzt werden. Mit der U-Bahn-Haltestelle Barmbek ist dementsprechend eine von 82 U-Bahn-Haltestellen im Stadtgebiet mit einer durchgängigen taktilen Wegeführung ausgestattet. Dies beinhaltet an der Haltestelle Barmbek zwei Schalterhallen und zwei Zugänge. Entsprechend sind zwei von 123 Schalterhallen der HOCHBAHN mit einer durchgängigen taktilen Wegeführung ausgestattet. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 6. An wie vielen Bahnsteiggleisen im Schnellbahnnetz ist ein Zugang mit Rollstuhl oder Rollator in den haltenden Zug aufgrund einer zu großen Lücke zwischen Fahrzeug und Bahnsteig nicht sicher möglich? HOCHBAHN: An allen barrierefrei ausgebauten U-Bahn-Haltestellen im HVV-Verbundraum ist der Zugang mit einem Rollstuhl oder einem Rollator sicher möglich. Vorhandene Unterschiede im Spaltmaß zwischen der Bahnsteigkante und dem Fahrzeug sind technisch bedingt. Die HOCHBAHN testet derzeit einen sogenannten Gapfiller an der U-Bahn- Haltestelle Klosterstern, um mittels einer Gummilippe mögliche Spaltmaße weiter zu reduzieren. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. AKN: Der Einstieg mit einem Rollstuhl beziehungsweise einem Rollator ist an allen Haltestellen sicher möglich. An der Haltestelle Burgwedel am Gleis Richtung Hamburg sowie an der Haltestelle Eidelstedt in beiden Richtungen erschwert die Einstiegshöhe gegebenenfalls den Einstieg mit einem Rollstuhl oder einem Rollator. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. S-Bahn: Die DB AG hat hierzu keine Angaben übermittelt. 7. An wie vielen Bahnsteiggleisen im Schnellbahnnetz ist ein Zugang mit Rollstuhl oder Rollator in den haltenden Zug auf der gesamten Bahnsteiglänge möglich? Der barrierefreie Ein- und Ausstieg in die U-Bahn-Fahrzeuge wird im gekennzeichneten sogenannten Schachbrettbereich des Bahnsteiges gewährleistet. Bei der AKN bestehen einheitliche Bahnsteighöhen auf den Haltestellen. Bei der S-Bahn Hamburg gibt es grundsätzlich ein durch die Triebfahrzeugführerin beziehungsweise den Triebfahrzeugführer unterstütztes Einstiegsverfahren an der jeweils ersten Tür des Zuges. Dabei werden kleine Bleche beziehungsweise Rampen zur Spaltüberbrückung (alle Baureihen) beziehungsweise zur Überwindung kleiner Höhen (Baureihe 472) ausgelegt , über die Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer gefahrlos in den Zug hinein- und auch wieder hinausrollen können. 8. In wie vielen Aufzügen im Schnellbahnnetz werden akustische Informationen angesagt? Bitte auch im Verhältnis zum Gesamtbestand an Aufzügen angeben. Drucksache 21/14614 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 HOCHBAHN: Bei 90 Aufzügen im U-Bahn-System werden akustische Informationen angesagt. Dies entspricht einem Anteil von 97 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. AKN: Bei fünf Aufzügen im HVV-Verbundraum beziehungsweise zwei Aufzügen im Hamburger Stadtgebiet werden akustische Informationen angesagt. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. S-Bahn: Die DB AG hat hierzu keine Angaben übermittelt. 9. In wie vielen Aufzügen im Schnellbahnnetz sind die Bedienungseinrichtungen in Brailleschrift beschriftet? Bitte auch im Verhältnis zum Gesamtbestand an Aufzügen angeben. Hochbahn: Bei 93 Aufzügen im U-Bahn-System sind die Bedieneinrichtungen mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand . AKN: Bei fünf Aufzügen im HVV-Verbundraum beziehungsweise zwei Aufzügen im Hamburger Stadtgebiet sind die Bedieneinrichtungen mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. S-Bahn: Die DB AG hat hierzu keine Angaben übermittelt. 10. Wie viele Notrufsäulen sind auch in Brailleschrift beschriftet? Bitte auch im Verhältnis zum Gesamtbestand angeben. HOCHBAHN: Alle 174 Notrufsäulen im HVV-Verbundraum sind mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. VHH: Die VHH hat eine Notrufsäule im Bestand. Diese ist mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. AKN: Alle sieben Notrufsäulen an Haltestellen in Hamburg sind mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. S-Bahn: Alle 160 Notrufsäulen an S-Bahn-Stationen im HVV-Verbundraum sind mit Brailleschrift versehen. Dies entspricht einem Anteil von 100 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand. 11. Wie geschieht an den Notrufsäulen eine für höreingeschränkte Menschen wahrnehmbare Rückmeldung, dass der Ruf gehört wird? HOCHBAHN: Während des Rufaufbaues an den Notrufsäulen blinkt der betätigte Ruftaster, bei Rufannahme wechselt die Ausleuchtung in ein Dauerlicht. VHH: Nach dem Betätigen der Notrufsäule leuchtet oberhalb der Säule ein rotes Signallicht, zudem ertönt ein lautes akustisches Signal. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14614 5 AKN: Nach dem Betätigen der Notrufsäule vibriert die Taste. S-Bahn: Bei der S-Bahn sind die Taster im Ruhezustand grün hinterleuchtet, bei Rufaufbau sind sie rot hinterleuchtet, bei aufgebauter Verbindung erlischt das Licht. 12. Welche telefonischen Kontaktmöglichkeiten stehen sehbehinderten Menschen zum HVV beziehungsweise den Verkehrsunternehmen zur Verfügung, um gegebenenfalls Assistenz anzufordern oder spezielle Auskünfte zu erhalten? Alle Ausfünfte können über die allgemeine telefonische Auskunft des HVV unter der Rufnummer 040/19449 von den Fahrgästen erfragt werden. Hilfe und Assistenz können auch über alle Notruf- und Informationssäulen erfragt werden. 13. Wie viele Bushaltestellen sind nicht mit einem Wetterschutz und einer Sitzgelegenheit ausgestattet? Bitte auch im Verhältnis zum Gesamtbestand angeben. In Stadtgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg gibt es rund 4.000 Richtungshaltestellen . Eine Statistik darüber, wie viele Bushaltestellen in Hamburg nicht mit einem Wetterschutz und einer Sitzgelegenheit ausgestattet sind, liegt nicht vor. Die Anzahl an aufgebauten Fahrgastunterständen variiert im Laufe eines Jahres. Sie ist insbesondere abhängig von den Straßenbaumaßnahmen. Zum Ende des Jahres 2017 wurden im Stadtgebiet circa 2.230 Fahrgastunterstände sowie mobile Fahrgastunterstände an Bushaltestellen gezählt.