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Münchens bester Abwehrspieler Niklas Süle Warum nur haben die Bayern diesen Mann vergrault?

Niklas Süle ist Bayerns stärkster Verteidiger – und im Sommer geht er ablösefrei zum BVB. Dass die Bayern eine Defensivstütze verscheuchen, ist nicht neu. Das liegt womöglich auch an Rekordmann Lucas Hernández.
Von Florian Kinast, München
Niklas Süle (M) gegen Fürth: Er kam, sah und stabilisierte

Niklas Süle (M) gegen Fürth: Er kam, sah und stabilisierte

Foto:

ANDREAS GEBERT / REUTERS

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In Minute 90.+2 griffen die Gäste aus Fürth noch einmal an. Afimico Pululu, der sehr robuste Linksaußen war am Ball, als plötzlich ein noch robusterer Niklas Süle herangerast kam. Zwei, drei Rempler, ein Hakeln unten am Fuß, ein Zweikampf wie aus dem Trainingslehrbuch, dann hatte Süle den Ball.

Es war keine entscheidende Szene bei diesem 4:1 für den FC Bayern gegen Greuther Fürth. Aber es handelte sich um einen Moment von vielen an diesem Sonntagnachmittag, der verdeutlichte, mit welchem Einsatz, mit welcher Freude Niklas Süle derzeit noch unterwegs ist, auf seiner Abschiedstour in München. An einem Nachmittag, an dem man sich auch fragte, warum die Bayern einen wie ihn eigentlich ziehen lassen, einen Verteidiger, den sie eigentlich benötigen.

Warum sie mal wieder einen Spieler vergrault haben.

Süle hatte die sehr konfuse erste Halbzeit der Bayern und die Fürther Führung kurz vor der Pause von der Bank gesehen. Dass er nach 53 Minuten für den mit einer Wadenverhärtung angeschlagenen Lucas Hernández kam, tat dem Spiel dann sehr gut. Süle übernahm in der Dreierkette mit Dayot Upamecano auf links und Benjamin Pavard auf rechts die zentrale Rolle als Abwehrchef, erkämpfte sich Bälle, glänzte mit Übersicht und sorgte mit dynamischen Sololäufen für bemerkenswerte Offensivaktionen.

Zwischendrin führte der Innenverteidiger gar einen Eckball aus, und als dann Joshua Kimmich eine Ecke trat, leitete er mit seinem Kopfball das 3:1 durch Robert Lewandowski ein. Danach lachte er vergnügt.

Süle hat gerade recht viel Spaß in seinen letzten Monaten bei den Bayern, vielleicht auch im befreiten Wissen, die Zeit bei diesem Klub bald hinter sich zu haben. Im kommenden Sommer wechselt er ablösefrei zu Borussia Dortmund, wo er die Wertschätzung gewiss haben dürfte, die ihm in München erstaunlicherweise mitunter versagt blieb.

Schon Alaba und Boateng wurden achselzuckend verabschiedet

Das war schon 2020 so, als er sich nach fast zehn Monaten Pause nach einem Kreuzbandriss ins Endturnier der Champions League zurückkämpfte und in Lissabon wesentlich zum Titelgewinn beitrug. Entsprechende Würdigungen der Kluboberen blieben aus, stattdessen zählten sie ihn öffentlich an, wenn er mal gegen Eintracht Frankfurt falsch stand oder vermeintlich zu viel Gewicht auf die Waage brachte.

Süle ist nicht die einzige Defensivkraft, die beim FC Bayern zuletzt in ziemlicher unterkühlter Stimmung achselzuckend verabschiedet wurde. Vergangenen Sommer war es David Alaba, den man auch wegen seiner Ansagen als Kommunikator in der Verteidigung jetzt schon wieder vermisst. Und auch Jérôme Boateng, dem Uli Hoeneß schon Jahre zuvor nahegelegt hatte, er könne sich einen anderen Verein suchen, und der danach mit den Bayern die Champions League gewann, als Stammspieler.

Dass gerade Alaba wie auch Süle bei ihren Vertragsverhandlungen deutlich mehr Gehalt gewünscht hatten, ist bekannt. Forderungen, denen der Klub dann immer entgegnete, sie lägen über der Schmerzgrenze. Womöglich ein hausgemachtes Problem, das viel mit Hernández zu tun hat. Der französische Weltmeister von 2018, der sich in seinen knapp drei Jahren zwar nicht als völliger Flop entpuppte, die Erwartungen aber auch nie wirklich erfüllen konnte. Mit großem Abstand ist Hernández der teuerste Zugang in der Münchner Klubgeschichte.

Lucas Hernández: Kam für 80 Millionen Euro

Lucas Hernández: Kam für 80 Millionen Euro

Foto: Sportfoto Zink / Wolfgang Zink / imago images/Zink

80 Millionen Euro kostete er, viermal so viel wie einst Süle. Und er rangiert, was die Gehaltsklasse betrifft, oben bei den Bayern: dem Vernehmen nach irgendwo zwischen 15 und 20 Millionen Euro.

Medienberichte über ein Jahresverdienst von gar 24 Millionen Euro konnten zwar vom Berater wie auch vom Klub im Frühjahr 2020 als deutlich zu hoch dementiert werden, sorgten aber auch in der Bayern-Kabine kurzzeitig für Unruhe. Dass zuletzt nun Alaba oder auch Süle aufgrund ihrer starken Leistungen im Salär nicht mehr allzu sehr dahinter rangieren wollten, ist nachvollziehbar. Hinter einem Hernández, der Stärken im Zweikampf hat, aber auch Defizite im Stellungsspiel und in der Spieleröffnung.

Ob eine Frage des Respekts, ob eine des Geldes, ob beides zusammen: In jedem Fall stecken die Bayern nun wieder einmal im Dilemma, dass sie für die kommende Saison die neuralgisch fragile Verteidigung neu gestalten müssen. Und dort vor allem endlich einen wirklichen Führungsspieler benötigen. Hernández, Upamecano, Pavard, zum Abwehrchef, der die Kommandos gibt, der entscheidet, wann sich die Kette zurückfallen lässt, wann sie aufrückt, reicht es da bei keinem.

Süle hätte so jemand sein können. Sein Trainer traut ihm diese Rolle offenbar zu, Julian Nagelsmann, der Süle einst schon in Hoffenheim trainiert hatte, soll sich bis zuletzt um einen Verbleib eingesetzt haben.

So müssen sich die Bayern nun um einen Toptransfer bemühen. Ob es Andreas Christensen vom FC Chelsea ist, Gleison Bremer vom FC Turin, oder wer auch immer. Und sie müssen versuchen, langfristig personelle Kontinuität in die Defensive zu bekommen, für eingespielte Abläufe, für blindes Verständnis. Ohne, dass sie wieder gleich den Nächsten verscheuchen.

Der von seinen Mitspielern in der Mannschaft als Mensch wie auch als Profi überaus geschätzte Niklas Süle wird seine letzten Monate in München noch genießen und den Klubbossen auf der Haupttribüne Mittelrang vergnüglich demonstrieren, was sie mit ihm verlieren.

Und dann darf er im Sommer endlich weg.