Wirtschaftsskandal:Ex-Wirecard-Chef sagt bei Ermittlern aus

Wirtschaftsskandal: Markus Braun sitzt seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft - wegen anhaltender Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

Markus Braun sitzt seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft - wegen anhaltender Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Markus Braun soll eine betrügerische Bande geleitet haben, von einem "militärisch-kameradschaftlichen" Korpsgeist ist die Rede. Lange hat er zu den Vorwürfen geschwiegen. Jetzt will er reden.

Von Klaus Ott und Jörg Schmitt

Mehr als vier Monate lang hat Markus Braun seit seiner Inhaftierung geschwiegen; hat nichts gesagt zu den schweren Anschuldigungen gegen ihn. Jetzt will der frühere Wirecard-Chef reden. Für Anfang kommender Woche ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung seine erste Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft München I geplant. Begleitet von seinem Strafverteidiger Alfred Dierlamm will Braun erzählen, was es aus seiner Sicht zum Skandal bei Wirecard zu sagen gibt.

Es dürfte spannend werden. Im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestag hatte Braun kürzlich noch die Aussage verweigert. Das ist sein Recht als Beschuldigter in einem Strafverfahren. Doch obwohl absehbar war, dass er sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihn äußern würde, hatte der U-Ausschuss Braun trotzdem geladen, was zu einem Spektakel führte.

Jetzt sagt Braun unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus; Überraschungen sind dabei eher nicht zu erwarten. Er hat bereits im Sommer über seine Anwälte erklärt, er weise alle Vorwürfe zurück. Daran dürfte sich nichts ändern, trotz schwerer Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft. Die hat kürzlich dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags geschrieben, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen habe Braun innerhalb einer betrügerischen Bande bei Wirecard als "Kontroll- und Steuerungsinstanz" fungiert.

Braun habe ein "hierarchisches System" aufgebaut, das nach dem Prinzip "teile und herrsche" funktioniert habe. Dieses System sei von einem "militärisch-kameradschaftlichen Korpsgeist und Treuschwüren untereinander" geprägt gewesen. Braun habe "strategische Weisungen und konkrete Geschäftsaktionen" vorgegeben, so die Staatsanwaltschaft, die ihm Betrug in Milliardenhöhe, Bilanzfälschung und weitere Delikte vorwirft.

Die Anschuldigungen beruhen vor allem auf den Aussagen eines Kronzeugen; eines früheren Wirecard-Managers, der ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt. Der Kronzeuge hat mündlich wie schriftlich umfassende Angaben gemacht und Braun, den untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sowie andere Konzernmanager schwer belastet. Was sich davon bewahrheitet, bleibt abzuwarten.

Braun will von allem offenkundig nichts gewusst haben

Der Kronzeuge ist der bislang einzige frühere Vertraute von Marsalek, der auspackt und ein Geständnis abgelegt hat. Marsalek gilt als Kopf der mutmaßlichen Betrüger-Bande, die für Schäden der Aktionäre, der Hausbanken und der Investoren von Wirecard in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro verantwortlich gemacht wird. Braun will, da er alles zurückweist, von Betrügereien, falschen Bilanzen und anderem nichts gewusst haben.

Nicht bekannt ist, wo Braun vernommen wird; ob im Gefängnis oder bei der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der Polizei in München. Der frühere Wirecard-Chef sitzt in der Justizvollzugsanstalt in Augsburg-Gablingen. Dort war 2018 auch der ehemalige Audi-Vorstandschef Rupert Stadler in Untersuchungshaft. Er sagte im Gefängnis mehrmals zu den Betrugsvorwürfen gegen ihn in der Abgasaffäre aus. Stadler wies alle Vorwürfe zurück, kam dann aber frei und steht heute in München vor Gericht, wo er weiter seine Unschuld beteuert.

In großen Wirtschaftsverfahren ist es wiederholt vorgekommen, dass Manager in Untersuchungshaft saßen, dann ausgesagt haben und schließlich freigekommen sind - ohne Geständnis, aber weil die Flucht- und Verdunkelungsgefahr entfallen war. Ob das auch bei Braun in Frage käme, vielleicht gegen eine Millionen-Kaution wie bei seiner ersten Verhaftung im Juni, ist derzeit nicht absehbar. Im Januar 2021 steht allerdings ohnehin die halbjährliche Haftprüfung an. Braun war im Juli nach den Aussagen des Kronzeugen erneut verhaftet worden. Die Justiz hat den Haftbefehl gegen ihn zwischenzeitlich mehrmals um neue Vorwürfe erweitert.

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