Baerbock gab sie zurück: Jetzt schenkt Nigerias Präsident die Benin-Bronzen einem König

Warum das die ganze europäische Rückgabepolitik infrage stellen könnte, und warum Deutschland hätte ahnen können, was mit den Benin-Bronzen geschieht.

Die Außenministerin Annalena Baerbock und der Kulturminister von Nigeria Lai Mohammed bei der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für Eigentumsübertragungen wertvoller Benin-Bronzen in Berlin.
Die Außenministerin Annalena Baerbock und der Kulturminister von Nigeria Lai Mohammed bei der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für Eigentumsübertragungen wertvoller Benin-Bronzen in Berlin.dpa

„Heute sind wir hier, um die Benin-Bronzen denen zurückzugeben, denen sie gehören, dem nigerianischen Volk“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in ihrer Rede Ende 2022 anlässlich der Rückgabe von Benin-Bronzen aus deutschen Museen an Nigeria. Es war ein symbolischer Wiedergutmachungsakt. Doch ob das nigerianische Volk die Bronzen jemals zu Gesicht bekommt, ist nicht mehr klar.

Nun wurde bekannt, dass der scheidende nigerianische Staatspräsident Mohammedu Buhari die Bronzen aus dem historischen Königreich Benin an den Nachfolger der Könige von Benin Oba Ewuare II. übereignet hat, das derzeitige Oberhaupt der Königsfamilie, und zwar schon am 23. März, wie zahlreiche afrikanische Medien berichteten. In Deutschland machte die Schweizer Wissenschaftlerin Brigitta Hauser-Schäublin in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf aufmerksam. Der Vorgang könnte die gesamte Rückgabepolitik von Artefakten aus europäischen Museen an afrikanische Länder aufs Spiel setzen.

In der am 23. März veröffentlichten offiziellen Bekanntmachung mit dem Titel „Notice of Presidential Declaration“ heißt es: „Nach dem vorgeschlagenen Gesetz müssen alle Artefakte an den Oba von Benin übergeben werden, der die Rechte des ursprünglichen Eigentümers ausübt. Dies gilt sowohl für die bereits zurückgegebenen als auch für die noch nicht zurückgegebenen Gegenstände.“ Nach der Plünderung und Verwüstung des Königspalastes von Benin durch britische Truppen im Jahr 1897 wurden mindestens 3000 Artefakte international verstreut.

Ihrer Sache sicher: Kulturstaatsministerin Claudia Roth (l.) und Außenministerin Annalena Baerbock  in Nigeria.
Ihrer Sache sicher: Kulturstaatsministerin Claudia Roth (l.) und Außenministerin Annalena Baerbock in Nigeria.dpa

Weiter heißt es in der Erklärung, es sei dem Oba überlassen, was er mit den Artefakten macht: Er könne sie in seinem Palast aufbewahren oder an jedem anderen Ort in Benin-Stadt oder anderswo, den der Oba und die nigerianische Regierung als sicher erachten. Wären die Benin-Bronzen im Palast den Augen der interessierten Öffentlichkeit, also dem nigerianischen Volk, von dem Annalena Baerbock sprach, entzogen?

Es heißt zwar, dort solle ein Palast-Museum gebaut werden, aber ob dieses Privatmuseum dann auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist, ist fraglich. Und noch etwas: Könnte der neue Besitzer die Bronzen möglicherweise auch an private Sammler verkaufen? An Sammler in Europa? Das wäre absurd, aber bei Privatbesitz nicht unmöglich.

Was ist der Unterschied zu Nazi-Raubkunst?

Andererseits könnte man argumentieren, dass Nazi-Raubkunst auch an die Erben beziehungsweise deren Nachfolger zurückgegeben wird und nicht an die Regierung eines Landes. Und diese Erben können damit machen, was sie wollen, sie können das Kunstwerk ins Wohnzimmer hängen oder auch verkaufen, ob an Privatleute oder Museen. Die Benin-Bronzen sind schlussendlich auch Beutekunst, die einer Familie geraubt wurde, eben der Königsfamilie von Benin. Was also ist der Unterschied? Doch hätte das vorher klar sein müssen. Der Oba war aber offenbar bei dem Staatsakt mit Claudia Roth und Annalena Baerbock gar nicht anwesend.

Das Vorgehen des nigerianischen Präsidenten wirft große Fragen auf. Brigitta Hauser-Schäublin bewertet den Vorgang höchst kritisch: „Für die deutsche Politik und die ihren Zielen dienenden Museumsleute endet da­mit die Rückgabe der Bronzen an ‚das nigerianische Volk‘ in einem Fiasko. Wie leichtfertig formuliert die Vereinbarung zur Eigentumsübertragung zwischen Deutschland und Nigeria war, zeigt sich jetzt in aller Deutlichkeit“, schreibt sie.

Auch erinnert Hauser-Schäublin daran, dass das Königshaus von Benin, bis zu seiner Unterwerfung durch die Briten schlimmste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe: „Notorische Angriffskriege über Jahrhunderte hinweg mit Plünderungen, Zerstörungen, Massakern, Versklavung von Kriegsgefangenen, Menschenopfer zu Ehren der in den Gedenkköpfen repräsentierten Ahnen sowie Sklavenjagd und -handel in großem Stil.“

Man hätte ahnen können, was Buhari vorhat

Auf derartige Bemerkungen zur unrühmlichen Geschichte des Königshauses von Benin reagiert man in Afrika empfindlich. Anfang Mai hieß es in einem Kommentar auf der Nachrichten-Webseite Modern Ghana in diesem Zusammenhang, Westler sollten sich vorsehen, den Sklavenhandel zu einer rein afrikanischen Angelegenheit zu machen.

Der nigerianische Präsident übergab dem Oba bereits im Jahr 2021 zwei Benin-Bronzen, sie kamen damals aus Großbritannien. 2022 erklärte Buhari laut eines Berichts der nigerianischen Zeitung Premium Times: „Meine Anweisung, diese Artefakte an den Oba von Benin zurückzugeben, markiert den Beginn eines weiteren Aspekts in der hochgeschätzten Beziehung zwischen der nigerianischen Bundesregierung und unseren traditionellen Institutionen, die in der Tat die wahren Hüter unserer Geschichte, Bräuche und Traditionen sind.“ Man hätte in Deutschland und anderswo also zumindest ahnen können, was Buhari vorhat.