Parlamentswahl in Frankreich:Macrons Bündnis verliert absolute Mehrheit

Parlamentswahl in Frankreich: Bisher musste Präsident Emmanuel Macron nicht mit ernsthaftem Widerstand aus dem Parlament rechnen. Das wird sich ändern.

Bisher musste Präsident Emmanuel Macron nicht mit ernsthaftem Widerstand aus dem Parlament rechnen. Das wird sich ändern.

(Foto: Aurelien Morissard/imago)

Die Parlamentswahl in Frankreich endet mit einer Niederlage für den Präsidenten. Seine Allianz bleibt stärkste Kraft, braucht aber Partner zum Regieren. Die Rechtsextremen vervielfachen die Zahl ihrer Mandate.

Von Nadia Pantel, Paris

Das Parteienbündnis Ensemble ist am Sonntag in Frankreich bei der Parlamentswahl daran gescheitert, die absolute Mehrheit zu sichern. In Ensemble hatten sich die Partei von Präsident Emmanuel Macron (früher La République en Marche, heute Renaissance) mit der Mitte-Partei MoDem, der gemäßigt konservativen Partei Horizons und anderen zusammengeschlossen. Nach dem vorläufigen Endergebnis kommen die Ensemble-Abgeordneten auf 244 Mandate, für eine absolute Mehrheit wären 289 Sitze nötig. Für Präsident Macron bedeutet dieses Ergebnis eine heftige Niederlage.

In Macrons erster Amtszeit konnte seine Partei La République en Marche das Programm des Präsidenten ohne großen Widerstand im Parlament durchsetzen - denn sie hatte dort die absolute Mehrheit. Macron selbst hatte seinen Regierungsstil, der ganz auf einen omnipräsenten Präsidenten setzt, einst als "jupiterhaft" beschrieben, in Anlehnung an Jupiter, den obersten Gott der Römer. Zwar wurde Macron bei der Präsidentschaftswahl im April mit 58 Prozent der Stimmen wiedergewählt, seine Regierung ist nun jedoch auf punktuelle Absprachen mit der Opposition angewiesen, um Gesetzesvorschläge durchzubringen.

Den mit Abstand größten Zugewinn verzeichnet bei der Parlamentswahl Marine Le Pens rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN). Die RN erreichen 89 Sitze. Das wären 81 Sitze mehr als bei der Abstimmung vor fünf Jahren. Damals waren nicht genug RN-Abgeordnete (früher Front National) in die Nationalversammlung eingezogen, um eine eigene Fraktion bilden zu können.

Le Pens Fraktion ist sogar größer als die der Republikaner

Die Fraktion der Rechtsextremen ist damit dieses Mal größer als die der bürgerlich-konservativen Republikaner, die gemeinsam mit ihren Verbündeten 74 Mandate erhielten. Der stellvertretende RN-Vorsitzende Jordan Bardella sagte dem Sender TF1: "Das ist ein Tsunami." Die Vorsitzende Marine Le Pen selbst wurde am Sonntag in der Stichwahl in ihrem Wahlbezirk in Nordfrankreich mit 62 Prozent der Stimmen zur Abgeordneten gewählt. Le Pen sagte am Wahlabend, die Nationalversammlung werde nun "ein wenig mehr national".

Die wichtigste Gruppe der Opposition wird die linke Nupes-Allianz. Sie kommt auf 127 Sitze. Um das Wahlversprechen des Nupes-Anführers Jean-Luc Mélenchon umzusetzen, ("Ich werde Premierminister") hätten die links-grünen Parteien gemeinsam mindestens 289 Sitze holen müssen, die die absolute Mehrheit gesichert hätten. Zur Nupes-Allianz gehören Mélenchons France insoumise, die Sozialisten, die Kommunistische Partei und Frankreichs Grüne Europe Écologie Les Verts.

Mélenchon selbst wird nicht in der Nationalversammlung sitzen, da er nicht für einen Sitz kandidierte. Mélenchon sprach am Sonntagabend von einer "totalen Niederlage der Partei des Präsidenten". Die France-insoumise-Abgeordnete Clémentine Autain sprach am Sonntag von einem "unglaublichen Durchbruch" für die linke Allianz. In den vergangenen fünf Jahren waren es die rechtsbürgerlichen Républicains, die in der Nationalversammlung die erste Oppositionspartei waren.

Einige der zentralen Verbündeten Macrons verpassten am Sonntag den Einzug ins Parlament. Der frühere Innenminister Christophe Castaner (2018-2020) verlor die Stichwahl in seinem Wahlkreis ebenso wie der bisherige Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand. Die Premierministerin Élisabeth Borne und der aktuelle Innenminister Gérard Darmanin sicherten hingegen ihre Mandate.

Macrons Umweltministerin verliert ihr Mandat - und wird wohl zurücktreten müssen

15 Minister hatten bei der Parlamentswahl kandidiert. Emmanuel Macron koppelte ihr Verbleiben in der Regierung an einen Erfolg bei der Wahl. Die Umweltministerin Amélie de Montchalin, der nach Macrons Plänen eine der Schlüsselrollen in der neuen Regierung hätte zukommen sollen, verlor ihren Wahlbezirk und wird zurücktreten müssen. Dem Europaminister Clément Beaune, für den es zunächst sehr knapp ausgesehen hatte, gelang am Sonntagabend hingegen der Einzug ins Parlament.

Regierungssprecherin Olivia Grégoire kommentierte am Sonntagabend das Wahlergebnis: "Sind wir ein bisschen enttäuscht? Ja. Aber haben uns die Franzosen wieder zur stärksten Gruppe gemacht? Ja." Man werde "Wege finden, damit das Land nicht blockiert wird".

In der frisch gewählten Nationalversammlung spiegelt sich die neue Dreiteilung der französischen Politik wieder. Präsident Macron und seine Unterstützer markieren die Mitte, rechts und links von ihm haben die radikalen Kräfte stark hinzugewonnen. Für die Regierungsarbeit bedeutet dies, dass sich Macrons Abgeordnete zwischen einer harten linken und einer harten rechten Opposition eingekeilt sehen könnten. Politische Beobachter befürchten eine "Unregierbarkeit" des Landes.

Die Parlamentswahl war nicht nur von der Niederlage Macrons, dem Erfolg der Linken und dem Durchbruch der Rechtsextremen gekennzeichnet, sondern auch von einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung. Mehr als die Hälfte der Franzosen verzichtete sowohl im ersten als auch im zweiten Wahlgang darauf, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag an diesem Sonntag bei nur etwas mehr als 46 Prozent.

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