Corona-Klartext nach vernichtender Experten-Bilanz: Kubicki: RKI-Chef Wieler muss weg!

FPD-Vize und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (l.) fordert harte personelle Konsequenzen: Lothar Wieler (r.) soll seinen Posten als Chef des Robert-Koch-Instituts räumen

FPD-Vize und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (l.) fordert harte personelle Konsequenzen: Lothar Wieler (r.) soll seinen Posten als Chef des Robert-Koch-Instituts räumen

Foto: Kay Nietfeld/dpa, picture alliance / Flashpic
Von: Philip Fabian, Hans-Jörg Vehlewald und Nikolaus Harbusch

Haben die Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht, 2G, Ausgangssperren und Schulschließungen gewirkt? Das sollte eine von Regierung und Bundestag eingesetzte Experten-Kommission klären, damit sich etwaige Fehler in der Pandemie-Bekämpfung im Herbst nicht wiederholen.

Heute legten die 18 Wissenschaftler, Mediziner und Juristen ihr Papier (165 Seiten) vor. Es ist eine Abrechnung mit den Corona-Hardlinern, die an immer mehr und immer härtere Maßnahmen glaubten, um die Lage in den Griff bekommen zu können.

Experten-KommissionEntschuldigung für manche Corona-Maßnahmen?

Quelle: BILD

Die vernichtende Bilanz der Experten: Bestenfalls am Anfang der Pandemie hatten die Lockdowns gewirkt, das Maskentragen wirkt in der Praxis nicht so gut wie im Labor und auch Schulschulschließungen sind mit Blick auf den Schaden, den sie Kindern zugefügt haben, höchst strittig. Auch 2G/3G hatte bestenfalls einen schwachen Effekt auf das Pandemie-Geschehen.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki (70) reagierte – und fordert Konsequenzen insbesondere mit Blick auf das Datenchaos während der Pandemie. Der WELT am SONNTAG sagte er: „Es ist unausweichlich, dass Lauterbach den RKI-Präsidenten Wieler als Verantwortlichen dieser Misere entlässt“.

Zu BILD sagte Kubicki: „Wir sind erschüttert. Die FDP wird darüber beraten. Fraglich ist nur, wie diese Einschätzung der Expertenkommission jetzt parlamentarisch aufbereitet wird – ob durch eine Enquete-Kommission oder in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.“

Wie reagiert Lauterbach?

Die Kommission übergibt ihre Stellungnahme um 14.30 Uhr an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, auch die Gesundheitsminister der Länder beraten über die Ergebnisse (ab 14 Uhr).

Heikel für Lauterbach: Er ist weiterhin „Team Vorsicht“ bis „Übervorsicht“. Doch die Ampel- Koalition ist bislang uneins, welche Corona-Eindämmungsmaßnahmen künftig erforderlich sein werden. Die FDP tritt dabei auf die Bremse, forderte bislang, zunächst die Evaluierung abzuwarten.

SPD und Grüne reden derzeit vor allem über eine neuerliche Maskenpflicht in Innenräumen. Doch die Experten-Kommission konnte aus ihren Erkenntnissen keine Empfehlung für eine FFP2-Maskenpflicht ableiten.

Lauterbach zeigte bislang wenig Respekt vor dem Zeugnis

Schon im Vorfeld hatte es Zoff um den Bericht gegeben. Harte Maßnahmenbefürworter standen im Verdacht, ihn verzögern zu wollen, obwohl er gesetzlich verpflichtend entstanden musste. Allen voran hatte ihn Lauterbach schlecht geredet – offenbar in Vorahnung zu dem, was drinstehen würde.

In einem Podcast („Apokalypse und Filterkaffee“) sagte Lauterbach vor drei Wochen: „Die machen ihr Gutachten. Das wird uns abgegeben, fertig ist.“ Auch danach drehe sich die Welt weiter, so der Minister.

Hausarzt Stephan Pilsinger (CSU), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, findet dieses Verhalten verheerend: „Die Vermutung, dass Gesundheitsminister Lauterbach die Evaluierung verzögern wollte, schürt das bereits bestehende Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber staatlichen Institutionen weiter an. Dies erweckt den Eindruck, dass die Bundesregierung solange Gutachten in Auftrag gibt, bis in diesen ihr genehme Ergebnisse herauskommen.“

Und: „Eine Erkenntnis aus dem Bericht ist, wie unverantwortlich Karl Lauterbach handelt, wenn er ohne wirkliche wissenschaftliche Grundlage erneut vor ‚Killerviren‘ im Herbst warnt. Der Minister lernt einfach nicht dazu. Die Bundesregierung ist dringend dazu aufgerufen, Corona-Schutzmaßnahmen nur noch zu erlassen, wenn es dafür auch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse gibt.“

Grünen-Gesundheitsexperte redet Bericht schlecht

Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen (40) misst dem Expertenbericht zur Beurteilung der bisherigen Corona-Maßnahmen nur eine begrenzte Aussagekraft bei. „Der Bericht liefert ergänzende Hinweise, aber keinesfalls eine abschließende Bewertung der Wirkung von Corona-Schutzmaßnahmen“, sagte Dahmen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

An vielen Stellen des Berichts weise der Ausschuss, der die Expertise verfasst hatte, auf bestehende Unsicherheiten bei der Bewertung hin. „Die Abwesenheit von Evidenz zur Wirksamkeit ist keine Evidenz für die Abwesenheit von Wirksamkeit“, sagte Dahmen – ganz so, als dürfe der Staat ohne Evidenz der Wirksamkeit einfach Maßnahmen einführen, die teilweise sogar Grundrechte einschränken.

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