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Leben mit seltenen Erkrankungen

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www.leben<strong>mit</strong>.de<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong>...<br />

Seltenen <strong>Erkrankungen</strong><br />

Seite 10<br />

ATTR-Amyloidose:<br />

Detektivischer<br />

Spürsinn ist gefragt<br />

Seite 12<br />

CTX: Manfred Bauer<br />

ist einer von 30 bis<br />

40 Betroffenen<br />

Seite 14<br />

BPDCN-Patientin Becki:<br />

„Ich will meine Kinder<br />

aufwachsen sehen“<br />

Seite 19<br />

Gentherapie:<br />

neue Hoffnung für<br />

LHON-Patienten<br />

Seite 27<br />

SPIN2030:<br />

eine Agenda für<br />

die Forschung<br />

Kleiner Kämpfer<br />

Joschua ist zwei Jahre alt. Ein Entdecker, ein Schlawiner,<br />

lebensfroh, neugierig, süß – und schwer krank.<br />

Joschua hat Mukoviszidose.


2<br />

Vorwort<br />

Seltene <strong>Erkrankungen</strong> sind<br />

häufig! Dies mag zunächst<br />

paradox anmuten, da laut<br />

Definition weniger als fünf<br />

von 10.000 Menschen von<br />

einer als selten geltenden<br />

Erkrankung betroffen sind.<br />

Eva Luise Köhler<br />

Vorsitzende des Stiftungsrates<br />

der Eva Luise und Horst Köhler<br />

Stiftung für Menschen <strong>mit</strong><br />

Seltenen <strong>Erkrankungen</strong><br />

„Um es zu<br />

verdeutlichen: Vier<br />

Millionen Menschen,<br />

diese Anzahl ist<br />

vergleichbar <strong>mit</strong><br />

der Einwohnerzahl<br />

des Bundeslandes<br />

Rheinland-Pfalz<br />

oder rund der Hälfte<br />

aller Schulkinder in<br />

Deutschland – ein<br />

Alter, das leider viele<br />

von einer <strong>seltenen</strong><br />

Erkrankung betroffene<br />

Kinder nicht<br />

erreichen.“<br />

Die Waisen<br />

der Medizin<br />

A<br />

ngesichts der großen Zahl<br />

von etwa 8.000 verschiedenen<br />

bekannten <strong>Erkrankungen</strong><br />

betrifft dies jedoch<br />

allein in Deutschland mehr<br />

als vier Millionen Menschen.<br />

Um es zu verdeutlichen: Vier Millionen<br />

Menschen, diese Anzahl ist vergleichbar<br />

<strong>mit</strong> der Einwohnerzahl des Bundeslandes<br />

Rheinland-Pfalz oder rund der Hälfte aller<br />

Schulkinder in Deutschland – ein Alter, das<br />

leider viele von einer <strong>seltenen</strong> Erkrankung<br />

betroffene Kinder nicht erreichen. Denn für<br />

die meisten <strong>Erkrankungen</strong> gibt es noch keine<br />

Heilung, oft nicht einmal einen Therapieansatz.<br />

Sie verlaufen chronisch, gehen teilweise<br />

<strong>mit</strong> schweren Beeinträchtigungen einher<br />

und führen noch viel zu oft zum Tod.<br />

Aufgrund der Seltenheit ist das Wissen zu<br />

vielen <strong>Erkrankungen</strong> gering, sind Informationen<br />

nicht verlässlich, Experten rar. Auf<br />

dem Weg zur richtigen Diagnose erleben<br />

Betroffene eine belastende Odyssee von<br />

Arzt zu Ärztin: Im Schnitt dauert es sieben<br />

lange Jahre, bevor sie wissen, was hinter<br />

ihrem Leiden steckt. Was das an persönlichem<br />

Leid in den Familien und zudem an<br />

Zeit, Aufwand und Kosten bedeutet, kann<br />

man erahnen. Diese einschneidenden Erfahrungen<br />

verbinden die Menschen <strong>mit</strong><br />

<strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong>, weil sie trotz ihrer<br />

ganz unterschiedlichen Krankheitsbilder vor<br />

sehr ähnlichen Problemen stehen. Es macht<br />

sie zu den Waisenkindern der Medizin.<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> sind hier<br />

wichtige Anlaufstellen. Mittlerweile gibt es<br />

bundesweit schon 36 dieser Einrichtungen,<br />

in denen <strong>mit</strong> interdisziplinären Fallkonferenzen,<br />

dem Einsatz von Lotsen und vor allem<br />

<strong>mit</strong> viel Engagement und Beharrlichkeit aller<br />

Beteiligten über den fachspezifischen Tellerrand<br />

hinausgeschaut wird.<br />

Diese und weitere Verbesserungen konnten<br />

nur gemeinsam erreicht werden: Seit<br />

mehr als 15 Jahren setzt sich die Eva Luise<br />

und Horst Köhler Stiftung für die Belange<br />

der Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

ein. Wir tun dies zusammen <strong>mit</strong> engagierten<br />

Medizinern und Forschern, <strong>mit</strong> anderen<br />

Stiftungen und fördernden Partnern und<br />

im Schulterschluss <strong>mit</strong> der Patientenselbsthilfe.<br />

Zu ihr gehören Eltern, die sich im Kampf<br />

um das <strong>Leben</strong> ihrer Kinder zusammengeschlossen<br />

haben, oder selbst Betroffene,<br />

die beraten, Hilfesuchenden zur Seite stehen,<br />

<strong>mit</strong> ihrem Know-how unterstützen – und das<br />

oft ehrenamtlich, neben dem Beruf und der<br />

Pflege des Kindes oder ihrer Angehörigen.<br />

Unter dem Dach der Allianz Chronischer<br />

Seltener <strong>Erkrankungen</strong> (ACHSE) e. V., deren<br />

Schirmherrschaft mir ein Herzensanliegen<br />

ist, haben sich <strong>mit</strong>tlerweile mehr als<br />

130 Patientenorganisationen zusammengeschlossen.<br />

Sie geben den Betroffenen<br />

eine Stimme, bündeln deren Anliegen und<br />

tragen diese in die Politik, in das Gesundheitswesen,<br />

die Medizin.<br />

Und auch in Wissenschaft und Forschung, wo<br />

der Schlüssel zum medizinischen Fortschritt<br />

liegt: Forschung schenkt Hilfe, Hoffnung<br />

und immer öfter auch Heilung. Daher zeichnet<br />

die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung<br />

in jedem Jahr ein beispielhaftes Vorhaben<br />

<strong>mit</strong> einem Forschungspreis für seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong> aus. Und deshalb haben wir<br />

<strong>mit</strong> der Alliance4Rare ein Netzwerk auf den<br />

Weg gebracht, das den medizinischen Fortschritt<br />

und den immensen Forschungsbedarf<br />

zu <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> in der Kinder- und<br />

Jugendheilkunde zusammenführt. Denn wir<br />

sind überzeugt: Wir müssen heute handeln,<br />

weil die Seltenen dringend auf die „Medizin<br />

von morgen“ angewiesen sind.<br />

Mehr über das <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> einer <strong>seltenen</strong><br />

.<br />

Erkrankung erfahren Sie in diesem Magazin.<br />

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen<br />

Ihre Eva Luise Köhler<br />

<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong>... Magazin Healthcare Mediapartner GmbH | Pariser Platz 6a | 10117 Berlin | www.healthcare-mediapartner.de<br />

Herausgeberin Franziska Manske Redaktionsleitung Benjamin Pank Layout Elias Karberg Coverbild privat<br />

Druck BNN Badendruck GmbH Kontakt redaktion@leben<strong>mit</strong>.de | www.leben<strong>mit</strong>.de<br />

Alle Artikel, die <strong>mit</strong> “Gastbeitrag”, Advertorial" oder "Mit freundlicher Unterstützung" gekennzeichnet sind, sind gesponserte Beiträge.<br />

Die Texte der Ausgabe schließen alle Geschlechter <strong>mit</strong> ein. Zur besseren Lesbarkeit wird jedoch nur eine Geschlechtsform verwendet.


3<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 3<br />

Foto: gpointstudio<br />

Foto gpointstudio<br />

Advertorial<br />

Kyowa Kirin engagiert sich für<br />

Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

„Meine ersten Hautprobleme begannen 2004“,<br />

berichtet eine junge Patientin. Sie litt zu dieser<br />

Zeit unter regelmäßig wiederkehrenden Hautausschlägen<br />

und Schmerzen. Erst Jahre später<br />

wurde bei ihr eine Mycosis fungoides diagnostiziert,<br />

eine seltene onkologische Erkrankung,<br />

die in Europa einen von 110.000 bis einen von<br />

350.000 Menschen betrifft. 1 „Ich befand mich<br />

fast zehn Jahre lang in einer Grauzone“, erinnert<br />

sie sich. Ihre anfänglichen Hautauffälligkeiten<br />

wurden zunächst als Ekzem und auch<br />

als Schuppenflechte lokal <strong>mit</strong> Salben behandelt.<br />

Erst ein Zufallsbefund führte zur richtigen<br />

Diagnose. Diese Geschichte ist kein Einzelfall:<br />

Der Weg bis zum Befund bei diesem Krankheitsbild<br />

dauert durchschnittlich zwei bis sieben<br />

Jahre. 2 Die junge Frau ist eine von rund<br />

30 Millionen Betroffenen, die aktuell <strong>mit</strong> einer<br />

<strong>seltenen</strong> Erkrankung in Europa leben. 3 Kyowa<br />

Kirin ist ein weltweit tätiges biopharmazeutisches<br />

Unternehmen, das dort unterstützen<br />

möchte, wo es bislang nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten<br />

gibt. Hierzu zählt insbesondere<br />

der Bereich der <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

Das Unternehmen wurde 1949 in Japan gegründet<br />

und entwickelt seit dieser Zeit innovative Therapien<br />

in den Bereichen Nephrologie, Neurologie,<br />

Onkologie und Immunologie. Die Forschungsund<br />

Entwicklungsarbeit sowie die Wirkstoffproduktion<br />

stützen sich dabei auf Verfahren der Spitzen-Biotechnologie<br />

aus eigenem Hause.<br />

Das Unternehmen gilt als Pionier in der<br />

Behandlung des nur selten auftretenden Phosphatdiabetes<br />

(X-chromosomale Hypophosphatämie,<br />

XLH) – einer genetisch bedingten und<br />

zumeist vererbten Störung des Phosphatstoffwechsels.<br />

XLH ist eine chronische, fortschreitende<br />

Erkrankung, welche die Gesundheit von<br />

Knochen, Muskeln, Sehnen und Gelenken der<br />

Betroffenen beeinträchtigen kann. 4,5 Deren<br />

<strong>Leben</strong>squalität wird durch den Phosphatdiabetes<br />

häufig erheblich eingeschränkt – sowohl im Kindes-<br />

wie auch im Erwachsenenalter. 6,7<br />

Kyowa Kirin setzt sich ebenfalls für die Versorgung<br />

von Menschen <strong>mit</strong> tumorinduzierter Osteomalazie<br />

(kurz: TIO) ein. Hierbei handelt es<br />

sich – anders als beim Phosphatdiabetes – um<br />

eine erworbene Erkrankung, die durch kleine,<br />

langsam wachsende, zumeist gutartige Tumore<br />

verursacht wird. 8,9 Infolge der Tumorbildung<br />

steht den Betroffenen über das Blut zu wenig<br />

Phosphat zur Verfügung, der Phosphatstoffwechsel<br />

ist gestört. 8,9 Besteht die TIO unbehandelt<br />

fort, erleiden die Patienten zumeist Symptome,<br />

die denen der XLH ähneln – <strong>mit</strong> vergleichbaren<br />

Effekten auf die Mobilität, Leistungsfähigkeit<br />

und <strong>Leben</strong>sfreude der Betroffenen. 10<br />

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einsatz therapeutischer<br />

Antikörper zur Behandlung seltener<br />

onkologischer <strong>Erkrankungen</strong>. Hierzu zählen die<br />

bereits angesprochene Mycosis fungoides und<br />

das deutlich seltener auftretende Sézary-Syndrom<br />

– beides Unterformen des kutanen T-Zell-<br />

Lymphoms (kurz: CTCL).<br />

Kyowa Kirin verfolgt ein klares Ziel: sämtlichen<br />

Menschen, <strong>mit</strong> denen es sich im Austausch befindet,<br />

ein Lächeln zu schenken – nicht nur durch<br />

die Entwicklung neuer Wirkstoffe, sondern auch<br />

durch gelebte Partnerschaften, konsequenten<br />

Umweltschutz und ein positives Arbeitsumfeld<br />

für sämtliche Mitarbeiter. Das Unternehmen sucht<br />

weltweit den Austausch <strong>mit</strong> Betroffenen und<br />

Beteiligten, um gemeinsam und kontinuierlich<br />

bessere Antworten auf Patientenbedürfnisse zu<br />

finden. Auf diese Weise konnte Kyowa Kirin das<br />

<strong>Leben</strong> von zahlreichen Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Erkrankungen</strong> positiv verändern. Das Unternehmen<br />

wird sich auch zukünftig für eine bessere<br />

Zukunft einsetzen, getrieben von dem Ansporn<br />

„Make people smile“..<br />

1 – Orphanet https://tinyurl.com/4vr9ar9v<br />

2 – CL Foundation https://tinyurl.com/mvk67utw<br />

3 – Europäische Kommission https://tinyurl.com/2s3mas24<br />

4 – Europäische Arznei<strong>mit</strong>telagentur. CRYSVITA: Europäischer öffentlicher Bewertungsbericht (EPAR) –<br />

Produktinformationen. Fachinformation. Verfügbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/<br />

product-information/crysvita-eparproduct-information_de.pdf. Letztmalig abgerufen: September 2022.<br />

5 – Beck-Nielsen SS, et al. FGF23 and its role in X-linked hypophosphatemia-related morbidity. Orphanet<br />

Journal of Rare Diseases. 2019;26;14(1):58.<br />

6 – Imel, EA. Congenital Conditions of Hypophosphatemia in Children. Calcified Tissue International.<br />

2021;108:74–90.<br />

7 – Marcucci, G, Brandi, ML. Congenital Conditions of Hypophosphatemia Expressed in Adults. Calcified<br />

Tissue International. 2021;108:91–103.<br />

8 – Brandi ML, et al. Challenges in the management of tumor-induced osteomalacia (TIO). Bone.<br />

2021;152:1160-64.<br />

9 – Florenzano P, et al. Tumor-Induced Osteomalacia. Calcified Tissue International. 2021;108:128-42.<br />

10 – Jerkovich F, et al. Burden of Disease in Patients with Tumor-Induced Osteomalacia. JBMR Plus.<br />

2020;5:e10436.<br />

Die Quellen wurden zuletzt aufgerufen am 3. November 2022.


4<br />

Alagille-Syndrom<br />

„Ein kleines<br />

Stück <strong>Leben</strong>“<br />

Berit Hullmann und ihr Mann freuten sich auf ihr zweites Wunschkind.<br />

Die Familie schwebte im Familienglück. So hätte es weitergehen<br />

können. Ist es aber nicht. Denn ihre zweite Tochter kam<br />

<strong>mit</strong> der <strong>seltenen</strong> Generkrankung Alagille-Syndrom zur Welt.<br />

Statt zum PEKiP und zum Babyschwimmen ging<br />

es in der Kinderklinik ein und aus. Im Alter von einem<br />

Jahr brauchte Lilly eine neue Leber.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Fotos: privat<br />

Frau Hullmann, Lillys Start ins <strong>Leben</strong> war nicht<br />

leicht. Bitte erzählen Sie davon.<br />

Meine Schwangerschaft <strong>mit</strong> Lilly verlief erst<br />

mal bilderbuchmäßig – wie auch die erste. Bei<br />

einer Routinekontrolle in der 34. Woche fand<br />

mein Gynäkologe das Ultraschallbild auffällig<br />

und schickte mich direkt weiter in die Uniklinik.<br />

Hier wurde zuerst diagnostiziert, dass Lillys<br />

Darm verengt war – was genau dahintersteckte,<br />

sollte nach der Geburt sofort abgeklärt werden.<br />

Deshalb habe ich mich für einen geplanten<br />

Kaiserschnitt zwei Wochen vor dem errechneten<br />

Termin entschieden. Was mir das erste Mal<br />

richtig Sorgen bereitet hat, war, dass sie bei ihrer<br />

Geburt sehr klein war. Sie wog zwei Kilo und war<br />

42 Zentimeter groß – obwohl sie kein Frühchen<br />

war. Am ersten <strong>Leben</strong>stag wurde sie direkt operiert<br />

und bekam einen künstlichen Darmausgang.<br />

Doch dann fingen die Probleme erst an.<br />

Sie nahm kaum zu, ihre Leberwerte waren stark<br />

erhöht.<br />

Welche Erklärung hatten die Ärzte für die<br />

schlechten Leberwerte?<br />

Erst mal keine konkrete. Es standen verschiedene<br />

Vermutungen im Raum, von Gallengangsatresie<br />

über Mukoviszidose bis hin zu Krankheiten, bei<br />

denen sie nur eine sehr, sehr kurze <strong>Leben</strong>serwartung<br />

gehabt hätte. Die ersten zehn Wochen<br />

nach ihrer Geburt hat Lilly im Krankenhaus verbracht.<br />

Entlassen wurden wir dann ohne konkrete<br />

Diagnose.<br />

Wann kam es schließlich zur Diagnose, und wie<br />

haben Sie darauf reagiert?<br />

Die Diagnose Alagille-Syndrom haben wir<br />

bekommen, als Lilly acht Monate alt war. Eine<br />

sehr erfahrene Genetikerin an der Uniklinik Essen<br />

hat die Testung veranlasst, weil sie bei Lillys<br />

Symptomen dieses Syndrom vermutete. Wir waren<br />

bei dieser Diagnose erleichtert, sie war von all<br />

den Krankheiten, die wir bis dahin als Verdachtsdiagnose<br />

bekommen hatten, noch die beste –<br />

sofern man das überhaupt sagen darf. Und die<br />

Ärzte wussten jetzt, wo<strong>mit</strong> sie es zu tun haben,<br />

was immer besser ist, als im Nebel zu stochern.<br />

Schnell stand fest, dass Lilly eine<br />

Spenderleber brauchen würde,<br />

um zu überleben …<br />

Lillys Leberwerte wurden zusehends<br />

schlechter, ihre Haut und ihre Augen wurden<br />

immer gelber und sie plagte ein schrecklicher<br />

Juckreiz. Sie nahm kaum zu, brauchte<br />

Spezialnahrung und <strong>mit</strong> jedem Infekt musste<br />

sie ein bis zwei Wochen ins Krankenhaus.<br />

Zunächst wurde sie bei Eurotransplant gelistet.<br />

Dafür musste sie viele Untersuchungen <strong>mit</strong>machen,<br />

einmal quer durch alle medizinischen<br />

Fachbereiche durch. Dann haben mein Mann<br />

und ich uns als <strong>Leben</strong>dspender testen lassen.<br />

Bei meinem Mann passten die Werte am besten.<br />

Die Ärzte wollten nicht abwarten, bis sich<br />

ihr Zustand stark verschlechtert, daher hat die<br />

Klinik die Transplantation kurz nach ihrem ersten<br />

Geburtstag geplant. Über den ganzen Weg<br />

von der Geburt bis zur Transplantation habe<br />

ich ein Buch geschrieben, es heißt „Ein kleines<br />

Stück <strong>Leben</strong>“ und ist bei Amazon erhältlich.<br />

Am 5. Oktober 2015 war es dann so weit. Wie<br />

haben Sie diesen Tag erlebt?<br />

Das war ein schöner, sonniger Herbsttag, an<br />

dem ich ruhelos über das Krankenhausgelände<br />

getigert bin. Es war ein seltsames Gefühl,<br />

zu wissen, dass mein Mann und meine Tochter<br />

gleichzeitig auf dem OP-Tisch lagen. Meine<br />

Schwester und meine Schwiegermutter haben<br />

<strong>mit</strong> mir an der Klinik gewartet. Ich glaube, wir<br />

alle haben diese langen Stunden wie in Trance<br />

erlebt.<br />

Konnte nach der Operation endlich ein Familienalltag,<br />

der nicht von ständigen Krankenhausaufenthalten<br />

geprägt ist, einkehren?<br />

Lilly war acht Wochen nach der Transplantation<br />

im Krankenhaus, die ersten zehn Tage auf<br />

der Intensivstation. In ihren ersten <strong>Leben</strong>sjahren<br />

war sie auch immer wieder mal stationär<br />

in der Klinik, <strong>mit</strong> Lungenentzündungen oder<br />

Infekten. Aber <strong>mit</strong>tlerweile haben wir ein recht<br />

normales Familienleben <strong>mit</strong> mal mehr und mal<br />

weniger Stress und Sorgen.<br />

Wie geht es Lilly heute,<br />

und welche Therapien<br />

bekommt sie?<br />

Sie ist eine recht freche Zweitklässlerin,<br />

die immer einen schlauen<br />

Spruch auf den Lippen hat. In der Schule<br />

kommt sie gut klar, sie geht gern schwimmen<br />

und tanzen. Die Krankheit ist in unserem Alltag<br />

nicht mehr so sehr präsent, zum Glück. Sie<br />

bekommt morgens und abends natürlich ihre<br />

immunsupprimierenden Medikamente, hat<br />

einmal pro Woche Ergotherapie und muss regelmäßig<br />

zur Blutentnahme.<br />

Was möchten Sie anderen Eltern von chronisch<br />

kranken Kindern <strong>mit</strong> auf den Weg geben?<br />

Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht allein<br />

ist. Tauscht euch <strong>mit</strong> anderen Betroffenen aus.<br />

Wer mag, kann Tagebuch schreiben oder zumindest<br />

ein Notizbuch führen, um die ganzen<br />

Eindrücke festzuhalten, die da auf einen<br />

einprasseln, und auch Fragen an Ärzte oder<br />

Krankenschwestern aufzuschreiben, die einem<br />

manchmal <strong>mit</strong>ten in der Nacht einfallen. Das<br />

Wichtigste ist aber, an sein Kind zu glauben. Die<br />

Kleinen sind echt zäh und kämpfen sich immer<br />

wieder durch.<br />

Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Verein<br />

Leberkrankes Kind engagieren?<br />

Wie alle Eltern, die neu <strong>mit</strong> einer Krankheit des<br />

Kindes konfrontiert sind, habe ich natürlich<br />

wie wild herumgegoogelt, um alles darüber<br />

herauszufinden. Der Verein war da eine gute<br />

Anlaufstelle, sich <strong>mit</strong> anderen Betroffenen<br />

auszutauschen und andere Familien kennenzulernen,<br />

die ebenfalls leberkranke Kinder<br />

haben. Der Verein möchte informieren, Mut<br />

machen und Erfahrungen teilen. .<br />

Weitere Informationen über den<br />

Verein finden Sie unter:<br />

leberkrankes-kind.de<br />

Mehr über Lilly und ihr <strong>Leben</strong> erfahren<br />

Sie unter: babyleaks.net


Experteneinblick<br />

5<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 5<br />

Mehr <strong>Leben</strong>squalität für<br />

ALGS-Patienten <strong>mit</strong><br />

chronischem Juckreiz<br />

Wer sich <strong>mit</strong> dem Alagille-Syndrom beschäftigt, erkennt Betroffene meist auf<br />

den ersten Blick, sagt PD Dr. med. Eva-Doreen Pfister. Dennoch schätzt sie, dass<br />

viele Betroffene gar nicht diagnostiziert sind, da die seltene Erbkrankheit, kurz<br />

ALGS, zu einem sehr heterogenen Krankheitsbild führt.<br />

Frau Dr. Pfister, was passiert beim Alagille-Syndrom<br />

im Körper?<br />

Das Alagille-Syndrom hat eine genetische<br />

Ursache, ist also bereits beim Ungeborenen<br />

im Mutterleib angelegt. Betroffen ist der<br />

Notch-Signalweg, der dafür zuständig ist,<br />

wie die Zellen während der Embryonalentwicklung<br />

<strong>mit</strong>einander agieren. Durch den<br />

Gendefekt entwickeln sich die Organe nicht<br />

regulär.<br />

Welche Symptome treten auf?<br />

Meist treten Kombinationen verschiedener<br />

Symptome auf: starke Neugeborenengelbsucht,<br />

Herzfehler, Gefäß- und Skelettfehlbildungen<br />

und ein ganz typisches Aussehen<br />

– ein kleinerer Kopf <strong>mit</strong> dreieckig<br />

geformtem Gesicht, auffällig breiter Stirn<br />

und schmalem Kinn. Auch die Gallenwege<br />

sind häufig nicht regulär ausgebildet, sodass<br />

die in den Leberzellen produzierten<br />

Gallensäuren nicht komplett in den Dünndarm<br />

abfließen, sondern zurück in die<br />

Leber gestaut werden. Die massiv erhöhten<br />

Gallensäuren in der Leber sorgen für<br />

extremen Juckreiz, der die <strong>Leben</strong>squalität<br />

der Betroffenen erheblich einschränkt: von<br />

chronisch entzündeter Haut, die gar nicht<br />

mehr heilt, über Schlaflosigkeit bis hin zu<br />

Suizidgedanken.<br />

Wie wird das Alagille-Syndrom diagnostiziert<br />

und wie lange dauert es durchschnittlich<br />

bis zur Diagnose?<br />

Das hängt von der Schwere der Symptome<br />

ab. Ein milder Herzfehler fällt zum Beispiel<br />

erst dann auf, wenn der Patient<br />

einmal abgehört wird – oder auch gar nicht.<br />

Ein schwerer angeborener Herzfehler hingegen<br />

kann schon eher den Verdacht auf<br />

ALGS nahelegen, vor allem in Kombination<br />

<strong>mit</strong> weiteren Symptomen. Die Diagnose<br />

erfolgt, wie bei vielen <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong>,<br />

primär klinisch: durch Röntgen der<br />

Wirbelsäule, Ultraschall von Herz und Leber<br />

sowie Untersuchung der Augen. Wir als<br />

PD Dr. med.<br />

Eva-Doreen Pfister<br />

Fachärztin für Kinder- und<br />

Jugendmedizin an der Klinik<br />

für Pädiatrische Nieren-, Leberund<br />

Stoffwechselerkrankungen<br />

der Medizinischen Hochschule<br />

Hannover<br />

„Alagille-Patienten<br />

haben meist ein<br />

ganz typisches<br />

Aussehen – ein<br />

kleinerer Kopf <strong>mit</strong><br />

dreieckig geformtem<br />

Gesicht, auffällig<br />

breiter Stirn und<br />

schmalem Kinn.“<br />

Mit freundlicher Unterstützung<br />

von Mirum Pharma<br />

Schwerpunktzentrum führen immer auch<br />

genetische Untersuchungen durch, um die<br />

Familie umfänglich beraten zu können.<br />

Wie werden Alagille-Patienten medizinisch<br />

versorgt?<br />

Primär werden Herz- bzw. Lebererkrankungen<br />

vom Kardiologen bzw. Hepatologen<br />

behandelt. Ernährungsfachkräfte<br />

ziehen wir hinzu, wenn die Gewichtszunahme<br />

unzureichend ist. Bestenfalls<br />

sind die kleinen Patienten in einem SPZ<br />

betreut, wo sie <strong>mit</strong> entsprechender Ergound<br />

Physiotherapie sowie Logopädie gefördert<br />

werden können. Auch kognitive<br />

Einschränkungen sind aufgrund der veränderten<br />

Zelldifferenzierung im Gehirn möglich.<br />

Aber auch hier gibt es kein einheitliches<br />

Bild, das sehr breite Spektrum reicht<br />

von intellektuell unterentwickelten Patienten<br />

bis zu Betroffenen <strong>mit</strong> Hochschulabschluss.<br />

Welche neuen Behandlungsoptionen gibt<br />

es und was bedeutet das für die <strong>Leben</strong>squalität<br />

der Betroffenen?<br />

Bislang konnten nur die Symptome behandelt<br />

werden, etwa <strong>mit</strong> Herzkathetereingriffen<br />

und Lebertransplantationen. Eine<br />

Transplantation korrigiert zwar den Defekt,<br />

der für den enormen Juckreiz sorgt, bleibt<br />

aber trotzdem ein invasives Verfahren <strong>mit</strong><br />

sehr vielen Risiken. Zum allerersten Mal<br />

überhaupt ist jetzt ein Medikament für ALGS-<br />

Betroffene weltweit zugelassen, das bereits<br />

nach dem zweiten <strong>Leben</strong>smonat verabreicht<br />

werden darf. Der Wirkstoff Maralixibat<br />

vermindert die Rückaufnahme von<br />

Gallensäuren aus dem Darm ins Blut und da<strong>mit</strong><br />

in die Leber. Dadurch sinkt der Juckreiz.<br />

Für Patienten <strong>mit</strong> ALGS kann das lebensverändernd<br />

sein. Ein weiteres Präparat, das<br />

ebenfalls die Rückaufnahme der Gallensäuren<br />

blockiert, ist bereits für andere seltene<br />

Lebererkrankungen zugelassen und erhält<br />

nun auch die Zulassung für ALGS..


6<br />

Mukoviszidose<br />

„Hoffnung auf ein<br />

normales <strong>Leben</strong>“<br />

Joschua hat Mukoviszidose. Er kam <strong>mit</strong> einem verdrehten<br />

Darm zur Welt. Es folgten Operationen und viele Krankenhausaufenthalte.<br />

Leider war auch die Leber des kleinen<br />

Jungen so stark geschädigt, dass er eine Transplantation<br />

benötigte. Seine Mutter, Stefanie Sprung, berichtet<br />

über die schwerste Zeit im <strong>Leben</strong> der Familie –<br />

über Lachen, Leiden und ganz viel <strong>Leben</strong>swillen.<br />

S<br />

tefanie Sprung und ihr Mann René<br />

führen ein <strong>Leben</strong> wie aus einem Bilderbuch.<br />

Sie mögen ihre Arbeit und<br />

genießen die gemeinsame Freizeit als<br />

Patchworkfamilie. Gemeinsam freuen<br />

sie sich auf ihr erstes gemeinsames<br />

Kind, die vier großen Geschwister auf ihren kleinen<br />

Bruder. Die Familienidylle scheint perfekt. Bis<br />

in der 25. Schwangerschaftswoche alles anders<br />

kam.<br />

Redaktion Leonie Zell<br />

Feindiagnostik, Gentest, Hoffnung<br />

Da Stefanie bei ihrer dritten Schwangerschaft 34<br />

Jahre alt war, riet ihr die Frauenärztin zur Feindiagnostik.<br />

„Anfangs wollte ich das nicht. Bei meinen<br />

vorherigen Schwangerschaften war auch alles<br />

komplikationslos – warum sollte es diesmal anders<br />

sein?“ Sie entschied sich dennoch dafür. Bei<br />

der Untersuchung zeigten sich Auffälligkeiten an<br />

der Darmwand des Babys. „Der Arzt informierte<br />

uns, dass es mehrere Gründe für die Verdickung<br />

geben kann. Einer war Mukoviszidose.“ Es folgten<br />

mehrere Untersuchungen, darunter auch<br />

ein Gentest, den Stefanie und ihr Mann machen<br />

ließen. „Das Ergebnis war, dass mein Mann und<br />

ich Anlageträger für Mukoviszidose sind und dies<br />

an unser Baby weitergegeben werden kann. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass daraus eine Mukoviszidose<br />

entsteht, liegt bei 25 Prozent. Aufgrund der<br />

verdickten Darmwand waren sich die Ärzte sicher,<br />

dass Joschua die Krankheit hat. Wir haben bis zum<br />

Schluss gehofft, dass es sich nicht bewahrheitet.“<br />

Frühgeburt, Notoperation, Transplantation<br />

In der 34. Schwangerschaftswoche bewegte sich<br />

Joschua plötzlich nicht mehr in Stefanies Bauch.<br />

„Meine Frauenärztin stellte fest, dass er die ganze<br />

Zeit schlief. Ein Anzeichen dafür, dass es ihm nicht<br />

gut ging.“ Stefanie fuhr direkt nach dem Termin<br />

beim Frauenarzt in die Klinik, wo festgestellt wurde,<br />

dass Joschuas Bauch aufgebläht war – die Ärzte<br />

vermuteten einen Darmverschluss. Am nächsten<br />

Tag musste das Baby per Kaiserschnitt auf die Welt<br />

geholt werden. Joschua musste beatmet werden,<br />

weil er wegen des dicken Bauchs schlecht Luft<br />

bekam. „Während ich noch leicht benebelt war,<br />

wurde Joschua schon in den OP<br />

gebracht. Ich hatte nicht einmal<br />

die Möglichkeit, meinen Sohn in<br />

Ruhe auf dieser Welt zu begrüßen, ihn<br />

zu küssen oder in den Arm zu nehmen<br />

– das war ganz schlimm für mich. Nach der OP<br />

sagte man uns, dass ein Teil seines Darms schon<br />

abgestorben war, weil er einen verdrehten Darm<br />

hatte – das mussten sie alles herausoperieren. Er<br />

bekam einen künstlichen Darmausgang, ein Stoma.<br />

Und die Diagnose Mukoviszidose hatte sich<br />

bestätigt.“<br />

Nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt<br />

durfte Joschua endlich nach Hause. Die Familie<br />

hoffte auf einen Funken Normalität. Doch Joschuas<br />

Gelbsucht, die Frühgeborene oft haben,<br />

verschwand einfach nicht. „Joschua wurde im Januar<br />

geboren und war Anfang Mai immer noch<br />

gelb. Wir ließen seine Leberwerte kontrollieren<br />

und die waren sehr auffällig. Da war klar, dass es<br />

nicht mehr die normale Gelbsucht war. Joschua<br />

musste sich einer weiteren Operation unterziehen,<br />

bei der die Rückverlegung des Stomas erfolgte.<br />

Denn es war klar, dass Joschua zunehmen<br />

und stabil sein musste, falls er eine Lebertransplantation<br />

benötigte, um diese zu überleben.“<br />

Nach der Stomarückverlegung war Joschua weitere<br />

vier Wochen im Krankenhaus. Da seine Leber<br />

nicht mehr richtig funktionierte, dauerte es lange,<br />

bis er die Medikamente verstoffwechselte. Der<br />

kleine Junge wurde immer schwächer. Lange versuchten<br />

die Ärzte, seine Leber zu erhalten, doch<br />

die Gallensäfte waren durch die Mukoviszidose<br />

so zähflüssig, dass die Leber sich nach und nach<br />

selbst zerstörte. Joschua brauchte eine neue Leber<br />

– ein Spender musste gefunden werden. „Die Ärzte<br />

teilten uns <strong>mit</strong>, dass es mindestens ein halbes<br />

Jahr dauern würde, bis ein Organ gefunden wäre.<br />

Diese Zeit hatten wir nicht. Joschuas Zustand<br />

war nur noch ein Aufrechterhalten der <strong>Leben</strong>sfunktionen.<br />

Und es war klar, dass wir eine andere<br />

Lösung brauchten. Schließlich ließ sich mein<br />

Mann testen und zum Glück passten alle Parameter,<br />

die eine Transplantation möglich machten.<br />

Am 9. Juli 2021 fand die Transplantation<br />

Fotos: privat<br />

statt. Da war Joschua fünf<br />

Monate alt und mein Mann<br />

mein größter Held.“<br />

Das erste Mal seit Joschuas Geburt<br />

verlief alles reibungslos. Sowohl<br />

Joschua als auch René überstanden die Operationen<br />

ohne größere Komplikationen und<br />

nach fünf Wochen durfte Joschua das Krankenhaus<br />

verlassen und die Familie hoffte, zur Ruhe<br />

zu kommen. Leider vergebens. „Es gab immer<br />

wieder Zwischenfälle: Durch Infekte verlor<br />

Joschua Elektrolyte, dann bekam er Durchfall,<br />

dann eine Pilzlungenentzündung. Das Jahr<br />

2021 habe ich mehr Zeit im Krankenhaus verbracht<br />

als zu Hause, und ich hatte das Gefühl, dass<br />

wir aus den ständigen Krankenhausbesuchen nie<br />

wieder rauskommen.“<br />

Doch Joschua ist ein Kämpfer. „Ich bin so stolz auf<br />

ihn. Er hat so einen großen <strong>Leben</strong>swillen, ist zäh,<br />

beißt sich durch und vergisst dabei nie, uns <strong>mit</strong><br />

seinem Kinderlachen zu verzaubern.“ Seit 2022<br />

haben sie das Krankenhaus nur zu Routineuntersuchungen<br />

von innen gesehen.<br />

Inhalation, Medikation, Vision<br />

Inhalation und Medikamente gehören für<br />

Joschua und seine Familie zum Alltag. „Wir haben<br />

uns gut eingespielt und alle helfen <strong>mit</strong>. Joschua<br />

muss zweimal am Tag inhalieren – morgens und<br />

abends –, wenn er einen Infekt hat, sogar dreimal.<br />

Doch er macht das ganz toll. Seine Geschwister<br />

unterstützen ihn oft dabei und schauen beispielsweise<br />

während der Inhalation ein bisschen <strong>mit</strong><br />

ihm fern.<br />

Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass<br />

es sich immer lohnt weiterzukämpfen, und<br />

haben uns als Familie noch enger zusammengeschweißt.<br />

Seit ein paar Monaten nimmt Joschua<br />

ein neues Medikament, das den Salzkanaldefekt<br />

korrigieren soll. Bei ihm schlägt das sehr gut an.<br />

Unsere größte Hoffnung ist, dass Joschua dank<br />

der guten medizinischen Versorgung, die es <strong>mit</strong>tlerweile<br />

bei Mukoviszidose gibt, irgendwann ein<br />

normales <strong>Leben</strong> führen kann.“.


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8<br />

Homozygote familiäre<br />

Hypercholesterinämie<br />

„Unser Engel<br />

ist eine von<br />

einer Million“<br />

Avery ist 14 Jahre alt und ein lebensfroher Teenager.<br />

Sie hat die seltene Krankheit homozygote<br />

familiäre Hypercholesterinämie (hoFH), die <strong>mit</strong><br />

tödlichen Herzinfarkten im Kindesalter einhergehen<br />

kann. Wir sprachen <strong>mit</strong> Avery und ihrer Mutter<br />

Michelle über den Kampf ihres <strong>Leben</strong>s.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Michelle, haben Sie gemerkt, dass Avery krank<br />

ist?<br />

Nein, Avery hatte keine Symptome und es gab keinen<br />

Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung<br />

war. Mein Mann und ich hatten beide immer einen<br />

hohen Cholesterinspiegel und in der Familie<br />

meines Mannes traten frühe Herzkrankheiten<br />

auf. Aus diesem Grund bat ich unseren Kinderarzt,<br />

Averys Lipidstatus zu kontrollieren, um<br />

zu sehen, wie hoch ihr Cholesterinspiegel war.<br />

Damals war sie sechs Jahre alt. Obwohl unser<br />

Kinderarzt unsere Familiengeschichte kannte,<br />

schlug er uns nie vor, die Lipidwerte überprüfen<br />

zu lassen. Averys Cholesterinwert lag bei 800,<br />

normal ist ein Wert unter 110. Danach wurde ein<br />

Gentest durchgeführt und die Diagnose homozygote<br />

familiäre Hypercholesterinämie gestellt.<br />

Was haben Sie als Mutter in diesem Moment<br />

gedacht?<br />

Ich war geschockt, als der Kardiologe uns sagte,<br />

sie sei „eine von einer Million“. Der anfängliche<br />

Schock verwandelte sich schnell in Angst und<br />

Traurigkeit, nachdem ich erfahren hatte, dass unsere<br />

Tochter, die äußerlich vollkommen gesund<br />

aussah, an einer lebensbedrohlichen <strong>seltenen</strong><br />

Krankheit leidet. Unser <strong>Leben</strong> änderte sich innerhalb<br />

weniger Sekunden. Von diesem Moment<br />

an drehte sich alles fast ausschließlich um Averys<br />

Gesundheit und ihre wöchentlichen Lipoproteinapherese-Behandlungen,<br />

ein stundenlanges<br />

Verfahren, das das LDL-Cholesterin aus Averys<br />

Blut herausfiltert, um die Plaquebildung in ihren<br />

Arterien zu verlangsamen.<br />

„So richtig verstanden habe ich damals<br />

meine Diagnose nicht. Ich merkte nur, dass<br />

sich mein <strong>Leben</strong> veränderte – das fand ich<br />

teilweise sehr beängstigend.“<br />

Dann kam im Herbst 2019 die nächste Hiobsbotschaft<br />

…<br />

Ja, trotz der wöchentlichen Behandlungen, mehrerer<br />

Medikamenteneinnahmen, regelmäßiger Besuche<br />

bei Kinderkardiologen und umfangreicher<br />

medizinischer Tests erfuhren wir im Herbst 2019,<br />

dass sich Averys Zustand verschlechtert hatte und<br />

sie so schnell wie möglich am offenen Herzen operiert<br />

werden musste. Das war eine der gruseligsten<br />

Neuigkeiten, die ich je in meinem <strong>Leben</strong> erfahren<br />

hatte. Wir hatten absolut keine Ahnung, wie die<br />

Operation verlaufen würde, und ob unser kleines<br />

Mädchen es schaffen würde.<br />

„Ich hatte Angst vor der Operation, aber<br />

ich versuchte, es positiv zu sehen. Und das<br />

Gefühl, dass ich wusste, dass meine Eltern<br />

immer an meiner Seite sind und das alles<br />

<strong>mit</strong> mir zusammen durchstehen, hat mir<br />

auch sehr geholfen und mir Kraft gegeben.“<br />

Was geschah am Tag der Operation?<br />

Am Morgen des 3. Januar 2020 sahen wir zu, wie<br />

sie unser kleines Mädchen zur Operation brachten<br />

– ein Schmerz, den wir nie erwartet hatten, als<br />

wir unser perfektes kleines Mädchen im Juli 2008<br />

<strong>mit</strong> solcher Freude auf der Welt willkommen<br />

hießen. Die Stunden im Wartebereich kamen<br />

uns wie eine Ewigkeit vor, aber sieben Stunden<br />

später kam der Herz-Thorax-Chirurg, um uns<br />

<strong>mit</strong>zuteilen, dass die Operation erfolgreich war<br />

und Avery auf die Intensivstation gebracht wurde.<br />

Dort kam es zu Komplikationen und Avery wurde<br />

in einer Notoperation ein zweites Mal am offenen<br />

Herzen operiert. Avery überstand die zweite Operation<br />

gut, verbrachte die nächsten Tage jedoch<br />

sediert und intubiert auf der Intensivstation. Als<br />

ob dies nicht genug wäre, erfuhren wir, dass unsere<br />

elfjährige Avery einen Herzinfarkt erlitten<br />

Foto: privat<br />

hatte. Es dauerte ein paar Wochen, bis Avery sich<br />

erholt hatte. Die ganze Zeit im Krankenhaus zu<br />

leben, war sehr schwierig und anstrengend, aber<br />

wir wollten nicht von ihrer Seite weichen. Am 22.<br />

Januar 2020 durften wir alle endlich zurück nach<br />

Hause.<br />

Wie schauen Sie heute auf diese Zeit zurück?<br />

Ich hatte Angst um das <strong>Leben</strong> meiner Tochter,<br />

und diese lässt mich bis heute nicht los. Zum Glück<br />

wird Avery jeden Tag stärker, und doch wissen<br />

wir, dass unser Kampf noch nicht vorbei ist. Und<br />

so geht unsere Reise weiter.<br />

Was ist Ihr größter Wunsch für Avery?<br />

Mein Wunsch für Avery ist, dass sie glücklich<br />

und erfüllt ist. Dass sie ihre Diagnosen weiterhin<br />

positiv beurteilt und die freundliche, großzügige,<br />

schöne Tochter ist, die sie immer war. Wir sind so<br />

stolz auf sie und lieben sie mehr, als Worte sagen<br />

können!<br />

„Mir geht es sehr gut. Ich nehme zwar Medikamente,<br />

kann aber ein normales <strong>Leben</strong><br />

führen. Natürlich weiß ich, dass ich eine<br />

seltene Erkrankung habe, aber das ist okay.<br />

Ich besuche jeden Tag eine Kunstschule und<br />

tanze fünf- bis siebenmal pro Woche. Ich<br />

liebe Tanzen sehr, weil es mir die Möglichkeit<br />

gibt, meine Gefühle auszudrücken,<br />

und es hilft mir auch, alles zu verarbeiten,<br />

was ich erlebt habe. Mein größter Traum<br />

ist es, Ärztin zu werden, da<strong>mit</strong> ich anderen<br />

Kindern <strong>mit</strong> gesundheitlichen Problemen<br />

helfen kann. Ich hatte in den letzten acht<br />

Jahren so viele großartige Ärzte, die sich<br />

um mich gekümmert haben, und ich habe<br />

gelernt, wie wichtig es ist, Ärzte zu haben,<br />

die sich <strong>mit</strong> meiner Krankheit auskennen.“


9<br />

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Experteneinblick<br />

Alarmsignal LDL-Cholesterinwert –<br />

was dahinterstecken könnte<br />

Die homozygote familiäre Hypercholesterinämie (hoFH) zählt zu den <strong>seltenen</strong><br />

Erbkrankheiten. Unbehandelt steigert die hoFH das Risiko für Arterienverschlüsse und<br />

Infarkte. Dabei ist die erbliche Stoffwechselstörung wahrscheinlich gar nicht so selten,<br />

sondern wird oft einfach nicht erkannt, sagt Prof. Dr. Ioanna Gouni-Berthold.<br />

Frau Prof. Dr. Gouni-Berthold, was sind die<br />

Ursachen einer hoFH?<br />

Ursache der familiären Hypercholesterinämie<br />

ist am häufigsten eine Mutation des LDL-Rezeptor-Gens.<br />

Da durch den Gendefekt der Rezeptor<br />

fehlt oder keine Bindung zum Rezeptor aufgebaut<br />

wird, kann das Cholesterin nicht von der<br />

Leber aufgenommen und ausgeschieden werden,<br />

sondern verbleibt im Blut. Die Folge: massiv<br />

erhöhte Cholesterinwerte und so<strong>mit</strong> ein stark<br />

erhöhtes Risiko kardiovaskulärer <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

Welches charakteristische Merkmal geht <strong>mit</strong><br />

der Erkrankung einher?<br />

Charakteristisch sind massiv erhöhte LDL-Werte.<br />

Typische Symptome wie Trübungsringe um<br />

die Iris des Auges, Xanthome und Xanthelasmen<br />

können auch auftreten. Es fehlt leider das<br />

Bewusstsein für die hoFH. Daher ist die erste<br />

erkannte Symptomatik dann oft ein Herzinfarkt<br />

oder Schlaganfall.<br />

Wie wird hoFH diagnostiziert?<br />

Die klinische Diagnostik erfolgt in Europa meistens<br />

nach den Dutch-Lipid-Clinic-Network<br />

(DLCN)-Kriterien. Betrachtet wird dabei unter<br />

anderem auch die Familienanamnese: Sind<br />

erhöhte LDL-Werte oder vorzeitige koronare<br />

Herzkrankheiten in der Familie bekannt? Bei<br />

einem Gesamtergebnis größer als acht gilt die<br />

Diagnose hoFH als klinisch gesichert. Außerdem<br />

sind molekulargenetische Untersuchungen<br />

anzuraten.<br />

Prof. Dr. Ioanna<br />

Gouni-Berthold<br />

Fachärztin für Innere Medizin,<br />

Endokrinologie und Diabetologie<br />

Warum wird die Diagnose oft erst so spät<br />

gestellt?<br />

Es fehlt einfach am Bewusstsein für diese<br />

Erkrankung. Wenn der Hausarzt beim Checkup<br />

erhöhte LDL-Werte feststellt und dann einen<br />

Zusammenhang herstellt, ist man diagnostisch<br />

auf dem richtigen Weg. In der medizinischen<br />

Literatur gibt es leider viele Fälle<br />

von Kindern <strong>mit</strong> Herzinfarkt oder Schlaganfall<br />

aufgrund von unbehandelter hoFH. Ich wäre<br />

glücklich, wenn bei jedem Neugeborenen-<br />

Screening der LDL-Wert <strong>mit</strong> untersucht würde.<br />

Je früher, desto besser. Die Bestimmung<br />

von LDL-Werten wäre auch <strong>mit</strong> drei oder fünf<br />

Jahren wünschenswert.<br />

Mit freundlicher Unterstützung von Ultragenyx<br />

Welche Therapieoptionen standen bislang zur<br />

Verfügung?<br />

Die LDL-Werte allein durch viel Bewegung und<br />

gesunde Ernährung signifikant zu senken, funktioniert<br />

bei der hoFH nicht. Therapieoptionen<br />

sind die Statine, Ezetimib, PCSK9-Inhibitoren,<br />

Lo<strong>mit</strong>apid sowie die Lipidapherese. Es sind<br />

auch wenige Fälle von Lebertransplantationen<br />

bekannt.<br />

Gibt es neue Therapien?<br />

Neu zugelassen sind Lipidsenker, die unabhängig<br />

von den LDL-Rezeptoren wirken. Hierbei wird<br />

das Angiopoetin-ähnliche Protein 3 (ANGPTL3),<br />

das überwiegend in der Leber exprimiert wird,<br />

gehemmt. Dadurch kann das LDL-Cholesterin<br />

unabhängig von den LDL-Rezeptoren gesenkt<br />

werden.<br />

Was bedeutet das für die Betroffenen?<br />

Grundsätzlich muss bei bekannter hoFH schnell<br />

und aggressiv therapiert werden, <strong>mit</strong>tels Lipidapherese<br />

kombiniert <strong>mit</strong> Lipidsenkern. Ziel sollte<br />

es sein, die LDL-Werte unter 70 Milligramm<br />

pro Deziliter und bei Patienten, die schon einen<br />

Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben,<br />

unter 55 Milligramm pro Deziliter zu bringen.<br />

Hohe LDL-Werte haben einen kumulativen<br />

Effekt. Daher ist es wichtig, so früh wie möglich<br />

<strong>mit</strong> der Therapie zu starten. Statine können<br />

schon ab acht Jahren verabreicht werden..<br />

Redaktion Nicole Kraß<br />

Unser Auftrag: Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

Erkankungen helfen<br />

www.ultragenyx.de


10<br />

Gaby M. und ihr Mann verbringen ihre gemeinsame Zeit am liebsten im Garten. Illustrative Fotos: G. Hoffmann<br />

Transthyretin-Amyloidose <strong>mit</strong> Kardiomyopathie<br />

Unbekannte Herzschwäche<br />

<strong>mit</strong> vielfältigen Symptomen<br />

Eine Amyloidose ist eine mögliche Ursache für eine Herzschwäche (in der medizinischen<br />

Fachsprache auch Herzinsuffizienz genannt), von der viele Menschen vermutlich noch nie<br />

etwas gehört haben. Das heißt aber keineswegs, dass Amyloidosen selten sind. Vielmehr<br />

ist davon auszugehen, dass sie lediglich weniger häufig diagnostiziert werden, weil sie<br />

sich wie ein Chamäleon hinter einem breiten Fächer von Symptomen und Symptomkonstellationen<br />

verbergen können. Für die Diagnosestellung ist daher von Ärzten detektivischer<br />

Spürsinn gefragt. Aber auch herzkranke Menschen, deren Beschwerden sich<br />

unter einer verordneten Therapie nicht bessern, sollten hartnäckig bei der<br />

Ursachenforschung <strong>mit</strong>wirken und „dranbleiben“.<br />

Gastbeitrag<br />

Der Begriff Amyloidose steht für eine Vielzahl unterschiedlicher<br />

<strong>Erkrankungen</strong>, die eines gemeinsam<br />

haben: Durch Ablagerungen von bestimmten<br />

Eiweißen an Organen kann es zu schweren<br />

Funktionsstörungen kommen. Eine der häufigsten<br />

Amyloidoseformen ist die Transthyretin-Amyloidose<br />

<strong>mit</strong> Kardiomyopathie (Kurzbezeichnung: ATTR-CM), bei der sich das<br />

Eiweiß Transthyretin zwischen den Herzmuskelzellen ablagert. Das<br />

führt zu einer Verdickung der Herzwände und infolgedessen zu einem<br />

Nachlassen der Herzleistung, die <strong>mit</strong> einer klinisch relevanten<br />

Herzschwäche einhergeht. Warum sich Transthyretin ablagert, ist bislang<br />

nicht geklärt.<br />

Oft sind ältere Menschen von der Erkrankung betroffen, vor allem<br />

Männer über 60 Jahre. Aber auch Frauen sind nicht davor gefeit, wie<br />

die nachstehende Krankengeschichte einer Patientin zeigt:


ATTR-Amyloidose <strong>mit</strong> Kardiomyopathie –<br />

Eine Patientin berichtet<br />

Im Alter von 54 Jahren wurde bei Gaby M.<br />

eine ATTR-CM diagnostiziert. Die Patientin<br />

erzählt, dass sie schon früh Probleme <strong>mit</strong><br />

dem Herzen hatte. So wurde sie schon im<br />

Alter von etwas über 30 Jahren wegen ihres<br />

damals zu hohen Blutdrucks behandelt. Jedoch<br />

schritten die Herzprobleme<br />

im Verlauf der<br />

Jahre fort und gipfelten 20<br />

Jahre später in einem ersten<br />

Zusammenbruch. Um<br />

die Ursachen dafür näher<br />

abklären zu lassen, wurde<br />

Gaby M. schließlich von<br />

ihrer Hausärztin zum Kardiologen<br />

überwiesen. Der weitere Weg führte<br />

die Patientin zum Herz-MRT ins Krankenhaus,<br />

wo erstmals die Vermutung geäußert<br />

wurde, dass „eine Amyloidose im Spiel sein<br />

könnte“. Einige Zeit später folgte dann in der<br />

Klinik eine Skelettszintigraphie sowie eine<br />

Herzmuskelbiopsie, die die Verdachtsdiagnose<br />

einer ATTR-CM bestätigten.<br />

Vor der Diagnose litt Gaby M. immer wieder<br />

unter Kurzatmigkeit und größeren Wassereinlagerungen<br />

in den Beinen. Dementsprechend<br />

wurden mehrmals „radikale Entwässerungen<br />

im Krankenhaus durchgeführt“, berichtet sie.<br />

„Als dann die Diagnose ATTR-CM feststand,<br />

habe ich gedacht, dass da<strong>mit</strong><br />

alles verbunden sei. Es<br />

war eine Erleichterung, als<br />

ich dann wusste, was für<br />

eine Krankheit ich habe“, so<br />

die Patientin.<br />

Für die Zukunft wünscht<br />

sich Gaby M., dass sie trotz<br />

der Amyloidose gemeinsam <strong>mit</strong> ihrem Mann alt<br />

werden kann. In Bezug auf ihre Herzerkrankung<br />

sagt sie: „Ich möchte jeden ermutigen, der irgendwelche<br />

Symptome verspürt, wo aber der<br />

Hausarzt nicht genau weiß, was er hat: Wendet<br />

euch weiter, sucht eine zweite oder dritte<br />

Meinung von Kardiologen. Denn es ist wirklich<br />

Hilfe möglich, und je früher, umso besser.“<br />

Auf dem Weg zur Diagnose einer (noch)<br />

recht unbekannten Krankheit<br />

Priv.-Doz. Dr. Sebastian Spethmann<br />

Oberarzt in der Kardiologie am<br />

Deutschen Herzzentrum der Charité<br />

„Sucht eine<br />

zweite oder dritte<br />

Meinung – es ist<br />

Hilfe möglich!“<br />

Eine Herzschwäche entsteht oft schleichend<br />

und die Symptome sind anfangs häufig unabhängig<br />

von der zugrunde liegenden Ursache<br />

gleich: Als Warnhinweise gelten Leistungsminderung,<br />

Luftnot unter Belastung oder eine<br />

Gewichtszunahme, die meistens durch Wassereinlagerungen<br />

hervorgerufen wird. „Diese<br />

Symptome sollten unbedingt ärztlich abgeklärt<br />

werden. Wichtig ist es dabei, auch an die weniger<br />

bekannten Ursachen einer Herzschwäche zu<br />

denken. Dafür sollte einmal die genaue Krankengeschichte<br />

erfragt werden, um die Krankheitssymptome<br />

und weitere begleitende <strong>Erkrankungen</strong><br />

zu erfahren“, erklärt PD Dr. Sebastian<br />

Spethmann, der sich als Oberarzt in der Kardiologie<br />

am Deutschen Herzzentrum der Charité<br />

unter anderem <strong>mit</strong> der Diagnose und Therapie<br />

von Amyloidosen befasst. Da sich das Eiweiß<br />

Transthyretin in verschiedenen Organen ablagert,<br />

können verschiedene Organsysteme wie<br />

das Herz von einer Amyloidose betroffen sein.<br />

„Treten in Kombination <strong>mit</strong> einer Herzschwäche<br />

orthopädische <strong>Erkrankungen</strong> wie ein Karpaltunnelsyndrom,<br />

eine Verengung des Wirbelkanals<br />

oder Gefühlsstörungen in den Beinen<br />

<strong>mit</strong> Kribbeln auf, sollte man unter anderem an<br />

eine Amyloidose denken“, unterstreicht Spethmann.<br />

Um dieser Erkrankung auf die Spur zu<br />

kommen, werden beim Verdacht grundsätzlich<br />

zuerst ein EKG und ein Herzultraschall, also<br />

eine Echokardiographie, durchgeführt. „Vor<br />

allem <strong>mit</strong> der Echokardiographie können wir<br />

die Funktion und die Größe des Herzens sehr<br />

genau analysieren. Dabei bekommen wir wichtige<br />

Hinweise, ob eine Herzbeteiligung einer<br />

Amyloidose besteht. Zudem wird eine Labordiagnostik<br />

gemacht“, führt der Kardiologe aus.<br />

Bestätigt sich der Anfangsverdacht, werden weitere<br />

Untersuchungen notwendig. Die Diagnosesicherung<br />

einer ATTR-Amyloidose erfolgt durch<br />

eine sogenannte Skelettszintigraphie, <strong>mit</strong> der<br />

die Ablagerungen des Eiweißes Transthyretin<br />

im Herzmuskel sichtbar gemacht werden können.<br />

Auch eine Biopsie, wie in der Patientengeschichte<br />

von Gaby M. beschrieben, kann zur<br />

Bestätigung der Diagnose eingesetzt werden.<br />

Viele Herz-Kreislauf-<strong>Erkrankungen</strong> können<br />

heute sehr gut behandelt werden und auch für<br />

die ATTR-CM steht seit einigen Jahren ein spezifisches<br />

Medikament zur Verfügung. Dabei hat<br />

die frühe Diagnose einen hohen Stellenwert,<br />

denn „je früher wir behandeln, umso besser<br />

können wir den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen“,<br />

so Spethmann. .<br />

11<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 11<br />

„Endlich weiß ich, was ich habe!“<br />

Das Unternehmen Pfizer forscht dafür, dass<br />

auch Krankheiten, die nicht alltäglich sind,<br />

mehr Aufmerksamkeit erfahren. Denn seltene<br />

und unterdiagnostizierte <strong>Erkrankungen</strong><br />

haben eines gemeinsam: Die Diagnose<br />

wird häufig erst gestellt, wenn die Krankheit<br />

schon weit fortgeschritten ist. Dabei können<br />

früh erkannte Krankheiten grundsätzlich<br />

am besten behandelt werden.<br />

Und noch etwas ist wichtig: Erkrankte wollen<br />

wissen, worunter sie leiden. Denn erst<br />

<strong>mit</strong> der Diagnose endet für sie ein Marathon<br />

aus Untersuchungen, Hoffen, Bangen und<br />

Warten. „Gaby M. bringt ihre Erleichterung<br />

darüber, dass ihre Krankheit nun endlich<br />

einen Namen hat, <strong>mit</strong> der Schilderung<br />

ihrer Krankengeschichte auf den Punkt“,<br />

sagt Prof. C. Franzen, Medizinischer Leiter<br />

des Bereichs Seltene <strong>Erkrankungen</strong> bei<br />

Pfizer. „Für alle, die mehr wissen möchten,<br />

haben wir die typischen Symptome einer<br />

ATTR-CM im Erklärfilm<br />

Herzschwäche und es wird<br />

einfach nicht besser? anschaulich<br />

auf YouTube<br />

zusammengefasst.“<br />

Zudem bietet die Website www.leben<strong>mit</strong>-amyloidose.de<br />

neben Informationen<br />

rund um die Erkrankung, ihre Ursachen,<br />

Diagnose und Behandlung auch zahlreiche<br />

Tipps für den Alltag sowie Servicematerialien<br />

für Betroffene und ihre Angehörigen.<br />

Auch ein Blick auf die Website<br />

www.hilfefuermich.de/amyloidose lohnt<br />

sich: Hier sind viele Informationen verfügbar,<br />

die allesamt von einem Expertengremium<br />

geprüft sind.


12<br />

Cerebrotendinöse Xanthomatose<br />

„Man sollte<br />

nicht nur für die<br />

Krankheit leben,<br />

sondern <strong>mit</strong> ihr“<br />

Cerebrotendinöse Xanthomatose (CTX) ist eine sehr<br />

seltene Stoffwechselerkrankung. In Deutschland<br />

leben schätzungsweise nur 30 bis 40 Betroffene,<br />

die diagnostiziert sind. Manfred Bauer ist einer von<br />

ihnen. Im Interview spricht er über seine Symptome<br />

und die außergewöhnlich späte Diagnose.<br />

Redaktion Nicole Kraß<br />

Foto: privat<br />

Herr Bauer, Sie haben CTX. Wie hat sich die<br />

Erkrankung bei Ihnen geäußert?<br />

Rückblickend hat sich die Erkrankung wahrscheinlich<br />

schon zehn bis 15 Jahre zuvor gezeigt.<br />

Mir wurde immer gesagt, ich hätte einen<br />

„schlampigen Gang“. Dass etwas nicht stimmt,<br />

habe ich gemerkt, als ich <strong>mit</strong> dem Tempo meiner<br />

Frau nicht mehr <strong>mit</strong>halten konnte. Bei einer<br />

Wanderung im Januar 2017 haben dann<br />

meine Beine plötzlich so gezittert, dass ich<br />

nicht mehr weitergehen konnte.<br />

Welche Symptome hatten Sie außerdem?<br />

Die Gangunsicherheiten wurden stärker, ich<br />

fing an zu stolpern. Dazu kamen neuropathische<br />

Schmerzen, erst an den Füßen und Beinen,<br />

dann an Händen und Armen. Dann nächtliche<br />

Krämpfe bis hin zur Spastik, auch erst an den<br />

Beinen, dann an den Armen. Die Gehstrecke<br />

wurde immer kürzer, inzwischen bin ich auf<br />

den Rollstuhl angewiesen.<br />

Wie wurde die Erkrankung diagnostiziert?<br />

Mein erster Weg führte mich zum Hausarzt.<br />

Der hat mich zum Neurologen geschickt. Nach<br />

einigen Untersuchungen kam ich in eine Klinik<br />

und wurde komplett auf den Kopf gestellt: CTs,<br />

MRTs, Lumbalpunktion. Dann folgten weitere<br />

Tests am Friedrich-Baur-Institut in München,<br />

einer Fachambulanz für neuromuskuläre<br />

<strong>Erkrankungen</strong>. Der Cholestanol-Wert im Blut<br />

war zwar erhöht, aber nur leicht. Erst in Verbindung<br />

<strong>mit</strong> der genetischen Untersuchung hat<br />

dann ein Arzt den Zusammenhang hergestellt.<br />

Wie hat Ihre Familie auf die Diagnose<br />

reagiert?<br />

Am Anfang war eine große Unsicherheit. Am<br />

stärksten belastet ist meine Frau. Ich muss<br />

aber auch sagen, dass es überhaupt wichtig<br />

ist, eine Diagnose zu erhalten. Bei mir<br />

ging das in Überschallgeschwindigkeit, in<br />

nur eineinhalb Jahren. Das ist nicht selbstverständlich.<br />

Viele Betroffene warten mehrere<br />

Jahrzehnte auf eine Diagnose.<br />

Wie werden Sie behandelt?<br />

Ich habe sofort <strong>mit</strong> der Einnahme von Chenodesoxycholsäure<br />

angefangen. Dazu bekomme<br />

ich Physiotherapie und Ergotherapie,<br />

außerdem trainiere ich täglich am Theramed,<br />

um die Spastiken zu lösen und um die Muskulatur<br />

zu bewegen. Gegen die neuropathischen<br />

Schmerzen und gegen die Spastiken nehme<br />

ich unter anderem Cannabisprodukte.<br />

Wie sieht Ihr Alltag <strong>mit</strong> der Erkrankung aus?<br />

Mein Alltag ist nicht vergleichbar zu vorher.<br />

Alles ist anders. Man muss sich seine Kräfte<br />

und Strecken einteilen. Ich muss mir immer<br />

überlegen, wie ich wo hinkomme und welche<br />

Kräfte ich dazu brauche. Ja, und manchmal<br />

hat man auch seine Emotionen nicht mehr so<br />

im Griff. Es wird körperlich, aber auch mental<br />

immer schwieriger.<br />

Heilbar ist CTX nicht. Können Sie trotz der<br />

Erkrankung ein normales <strong>Leben</strong> führen?<br />

Solange ich keinen Rollstuhl gebraucht habe,<br />

war es weitgehend „normal“. Aber auch jetzt<br />

will ich raus in die Natur. Daher habe ich mir<br />

einen klappbaren Elektrorollstuhl zugelegt.<br />

Wir sind immer gerne gewandert, am liebsten<br />

abseits der Touristenpfade. Das geht <strong>mit</strong> dem<br />

Rollstuhl nicht mehr.<br />

Sie sind Teil der Selbsthilfegruppe ELA e. V.<br />

Wie kam es dazu?<br />

Bei einem Reha-Aufenthalt bin ich <strong>mit</strong> einer<br />

Dame aus dem ELA-Vorstand ins Gespräch<br />

gekommen, und jetzt bin ich selbst Mitglied,<br />

das einzige <strong>mit</strong> CTX. Es ist ein Austausch<br />

außerhalb der Medizin, ein Erfahrungsaustausch<br />

zwischen Betroffenen. Wie man den<br />

Alltag bewältigen kann, wie man <strong>mit</strong> Behörden<br />

und Krankenkassen umgeht.<br />

Was ist ein großer Wunsch von Ihnen?<br />

Ich wünsche mir mehr Öffentlichkeit und<br />

den Austausch <strong>mit</strong> anderen CTX-Patienten,<br />

zum Beispiel über den Verein ELA (www.<br />

elaev.de). Die Krankheit sollte aber nicht im<br />

Vordergrund stehen. Man sollte nicht nur<br />

für die Krankheit leben, sondern <strong>mit</strong> der<br />

Krankheit..<br />

CTX-Fakten<br />

• Die CTX ist eine erbliche Störung des Gallensäurestoffwechsels,<br />

die durch Genmutationen<br />

verursacht wird. Diese Störung<br />

verhindert die Umwandlung von Cholesterin<br />

in Gallensäuren und es kommt vermehrt zu<br />

Ablagerungen von Fetten (Cholesterin und<br />

Cholestanol) im Gehirn und anderen Geweben.<br />

• Einer von 135.000 bis 460.000 Menschen in<br />

Europa ist betroffen.<br />

• Die Symptome können nach Altersgruppen<br />

(Neugeborene, Kinder und Jugendliche,<br />

Erwachsene) gegliedert werden. Bei Neugeborenen<br />

kann z. B. eine verlängerte Neugeborenengelbsucht<br />

oder chronischer Durchfall<br />

ein Anzeichen sein. Bei Kindern und Jugendlichen<br />

können zum chronischen Durchfall<br />

auch ein Grauer Star, Entwicklungsverzögerungen<br />

oder neurologische Auffälligkeiten<br />

hinzukommen. Typische Symptome bei<br />

Erwachsenen sind Xanthome (Fettablagerungen<br />

an Sehnen), kognitive, neurologische<br />

oder auch psychiatrische Störungen.


13<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 13<br />

Eine frühe Diagnose<br />

ist entscheidend!<br />

Eine Studie <strong>mit</strong> 55 Patienten zeigte, dass das<br />

Durchschnittsalter beim ersten Auftreten<br />

der Symptome bei 9,5±9,0 Jahren und das<br />

durchschnittliche Alter bei der Diagnose bei<br />

35,5±11,8 Jahren lag, <strong>mit</strong> einer großen Diagnoseverzögerung<br />

von 20 bis 25 Jahren. * Beim<br />

Zeitpunkt der Diagnose können bereits neurologische<br />

und psychiatrische Probleme vorgelegen<br />

haben. Eine adäquate Behandlung kann<br />

den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen<br />

und das Fortschreiten der Symptomatik<br />

aufhalten, insbesondere wenn in den frühen<br />

Phasen der Erkrankung da<strong>mit</strong> begonnen wird.<br />

CTX-Symptome<br />

Ein Tropfen Blut genügt<br />

Wie bei vielen <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> ist auch bei der<br />

cerebrotendinösen Xanthomatose eine frühe Diagnose<br />

entscheidend für den Verlauf der Erkrankung. Aus diesem<br />

Grund wurde die Trockenblutkarte entwickelt.<br />

Gastbeitrag<br />

Frau Ivanchenko, woran liegt es, dass es<br />

so lange dauert, bis eine CTX diagnostiziert<br />

wird?<br />

Laut Studien dauert die Diagnosestellung<br />

im Durchschnitt 20 Jahre. Das liegt hauptsächlich<br />

an den unspezifischen Symptomen<br />

der CTX, die auch bei vielen anderen<br />

Krankheitsbildern auftreten.<br />

PHASE I<br />

Kinder<br />

beidseitiger Grauer Star, verlängerte Neugeborenengelbsucht,<br />

chronische Durchfälle<br />

PHASE III<br />

Erwachsene<br />

Phase 2 + schwere<br />

neurologische Symptome;<br />

Herz-Kreislauf-<br />

<strong>Erkrankungen</strong><br />

assoziiert <strong>mit</strong> Atherosklerose,<br />

Osteoporose;<br />

frühzeitige<br />

Demenz<br />

Quelle: * Mignarri A, Gallus GN, Dotti<br />

MT, Federico A. A suspicion index<br />

for early diagnosis and treatment<br />

of cerebrotendinous xanthomatosis.<br />

Journal of Inherited Metabolic<br />

Disease. 2014;37:421-9<br />

PHASE II<br />

Jugendliche bis<br />

junge Erwachsene<br />

Phase 1 + neurologische<br />

Symptome<br />

(kognitive Störungen,<br />

Krampfanfälle);<br />

Xanthomentwicklung;<br />

psychiatrische<br />

Symptome (Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Aktivitäts- und<br />

Aufmerksamkeitsstörungen,<br />

Halluzination,<br />

Aggressionen,<br />

Depressionen,<br />

Agitiertheit)<br />

Wie verläuft die Krankheit, wenn sie<br />

nicht diagnostiziert wird?<br />

Das ist von Patienten zu Patienten unterschiedlich.<br />

Häufig hat die unbehandelte<br />

CTX jedoch einen progressiven<br />

Krankheitsverlauf. So können bereits im Kindesalter<br />

Grauer Star, anhaltende Durchfälle<br />

und Entwicklungsverzögerungen auftreten.<br />

Fortschreitend kann es zu schweren neurologischen<br />

Komplikationen wie Demenz, Spastik,<br />

Ataxie, atypischem Parkinson-Syndrom,<br />

Osteoporose, epileptischen Anfällen sowie<br />

einer frühen Atherosklerose <strong>mit</strong> lebensbedrohlichen<br />

Folgen wie Herzinfarkten kommen.<br />

Wenn der Verdacht auf CTX vorliegt, wie<br />

wurde bisher die Diagnose gestellt?<br />

Besteht der Verdacht, wird EDTA-Plasma<br />

abgenommen und die Plasma-Cholestanol-Konzentration<br />

bestimmt. Bei einer<br />

CTX ist dieser Wert im Blut häufig um<br />

das 3- bis 15-Fache erhöht, während der<br />

Cholesterinspiegel unauffällig ist. Abschließend<br />

erfolgt die Diagnosesicherung<br />

molekulargenetisch durch den Nachweis<br />

der Mutation des CYP27A1-Gens.<br />

Seit Neuestem gibt es die Möglichkeit der<br />

Diagnostik durch den Trockenbluttest.<br />

Was sind die Vorteile?<br />

Der Trockenbluttest vereinfacht die Diagnosestellung<br />

immens. Bei diesem Test<br />

werden nur wenige Tropfen Blut benötigt,<br />

um die Gallensäurevorstufen im Blut<br />

zu bestimmen. Bei einer konventionellen<br />

Untersuchung muss oftmals Blut aus der<br />

Vene entnommen werden. Man braucht<br />

mehr Blut, was vor allem bei Babys und<br />

Kindern ein Problem sein kann. Zudem<br />

muss das Blut oft auch gekühlt werden.<br />

Der Transport ist also komplizierter. Die<br />

Trockenblutkarte verträgt Raumtemperatur,<br />

kann also mehrere Tage bis zum Versand<br />

gelagert werden und ist einfach per<br />

Post zu versenden.<br />

Elena Ivanchenko<br />

Marketing Director der<br />

Leadiant GmbH<br />

Wie wird der Test durchgeführt?<br />

Ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe wird<br />

auf die Trockenblutkarte aufgebracht.<br />

Nachdem die Testkarte getrocknet ist,<br />

wird sie per Post in das Labor geschickt.<br />

Dort wird das Blut wieder aus der Filterkarte<br />

herausgelöst und für die folgenden<br />

Tests aufbereitet. Diese Tests<br />

basieren auf dem Nachweis der Gallensäurenvorstufen<br />

t-CDCA und Tetrol.<br />

Mit der gleichen Karte lässt sich bei Erhärtung<br />

des Verdachts auf eine CTX auch<br />

die molekulargenetische Untersuchung<br />

auf die CYP27A1-Mutation durchführen.<br />

Da<strong>mit</strong> wird die Abklärung der<br />

Verdachtsdiagnose auf eine CTX enorm<br />

vereinfacht. Bereits nach wenigen Tagen<br />

steht das Testergebnis fest.<br />

Dank der neuen Trockenblutkarte besteht<br />

eine realistische Chance, dass die CTX<br />

früher diagnostiziert wird und dass mehr<br />

Patienten dank passender Therapien ein<br />

nahezu normales <strong>Leben</strong> ermöglicht werden<br />

kann. Die rechtzeitige Diagnosestellung<br />

ist entscheidend, da die CTX durch<br />

eine frühzeitige Substitutionstherapie gut<br />

behandelt werden kann. Dank der Therapie<br />

kann die Symptomatik verbessert<br />

und das Fortschreiten der CTX verhindert<br />

werden..<br />

Weitere Informationen zu CTX,<br />

dem Trockenbluttest sowie<br />

Hilfe für Betroffene finden Sie<br />

unter: www.ctxawareness.<br />

com/de und www.leadiant.de


14<br />

Blastische plasmazytoide<br />

dendritische Zellneoplasie<br />

„Mein größter<br />

Wunsch ist es,<br />

meine Kinder<br />

aufwachsen<br />

zu sehen“<br />

Fotos: privat<br />

Becki ist alleinerziehende<br />

Mutter von zwei kleinen<br />

Kindern. Im März 2022<br />

bekommt sie die Diagnose<br />

blastische plasmazytoide<br />

dendritische Zellneoplasie<br />

(BPDCN) – eine sehr<br />

seltene und meist aggressiv<br />

verlaufende hämatologische<br />

Neoplasie. Im Interview<br />

spricht sie über ihren<br />

Kampf gegen den Krebs<br />

und verrät ihre größten<br />

Wünsche für die Zukunft.<br />

Haben Sie vorher gemerkt, dass etwas nicht<br />

stimmt?<br />

Bereits im Oktober 2021 hatte ich einen komischen<br />

blauen Fleck auf dem Rücken, doch ich<br />

dachte mir da noch nichts dabei. Im Januar<br />

2022 bemerkte ich dann weitere blaue Flecken<br />

und es wurden immer mehr. Als Hitzewallungen,<br />

Nachtschweiß und Angstzustände hinzukamen,<br />

begann ich mir Sorgen zu machen<br />

und ging zu meinem Hausarzt.<br />

Konnte der Ihnen helfen?<br />

Er konnte weder <strong>mit</strong> den beschriebenen Symptomen<br />

noch <strong>mit</strong> den blauen Flecken etwas anfangen.<br />

Doch er schickte mich zu einer Biopsie<br />

beim Hautarzt. Zum Glück bekam ich recht<br />

schnell einen Termin. Und nachdem diese im<br />

Labor ausgewertet worden war, bekam ich die<br />

Diagnose BPDCN.<br />

Wie haben Sie darauf<br />

reagiert?<br />

Ich war schockiert. Ich hatte<br />

vermutet, dass ich ein Hautlymphom<br />

habe. Als ich hörte, es ist BPDCN, ein<br />

sehr seltener Blutkrebs, war ich am Boden<br />

zerstört, und die Angst zu sterben war allgegenwärtig.<br />

Weltweit gibt es weniger als 1.500<br />

Fälle pro Jahr. Zudem tritt es vorrangig bei älteren<br />

Männern auf. Ich frage mich immer wieder:<br />

Warum hat es ausgerechnet mich erwischt?<br />

Hatten Sie vorher schon einmal von<br />

BPDCN gehört?<br />

Nein, noch nie. Auch der Hautarzt, der die<br />

Biopsie gemacht hatte, kannte das nicht. Mein<br />

Hausarzt kannte über drei Ecken jemanden,<br />

der jemanden kannte, der auch BPDCN hatte.<br />

Was hat Ihnen geholfen, die Krankheit zu<br />

akzeptieren?<br />

Da ich wusste, dass ich Krebs hatte, bevor es<br />

diagnostiziert wurde, konnte ich den Krebs an<br />

sich akzeptieren. Dass es BPDCN war, machte<br />

mich schon fassungslos, da die Chancen, es<br />

zu überleben, nicht die besten sind. Doch ich<br />

bin eine Kämpferin und habe auch während<br />

der schlimmsten Momente nie meine positive<br />

Einstellung zum <strong>Leben</strong> verloren. Das hat mir<br />

während der gesamten Reise sehr geholfen.<br />

Und natürlich sind da noch meine wunderbaren<br />

Kinder. Schon für sie war die Option, einfach<br />

aufzugeben, nicht möglich.<br />

Wie ging es dann weiter?<br />

Ich habe mich über den Krebs und die Behandlung<br />

informiert. Es gibt nur wenige Behandlungsmöglichkeiten<br />

für BPDCN. Ich musste<br />

mich zusätzlichen Tests wie einer Knochenmarkbiopsie,<br />

einem Herzscan und<br />

Lungentests unterziehen, um das Ausmaß<br />

der Erkrankung und meine Eignung für eine<br />

Behandlung zu beurteilen.<br />

Welche Therapien haben Sie<br />

erhalten?<br />

Ich unterzog mich einer stationären<br />

Immuntherapie und einem 6,5-wöchigen<br />

Krankenhausaufenthalt <strong>mit</strong> Chemotherapie.<br />

Zudem erhielt ich auch eine intrathekale Chemotherapie,<br />

die direkt in die Rückenmarksflüssigkeit<br />

injiziert wurde, um zu verhindern,<br />

dass der Krebs mein Gehirn erreicht. Nachdem<br />

es mir besser ging, unterzog ich mich einer<br />

Stammzelltransplantation, für die meine<br />

Schwester meine Spenderin war. Ich danke<br />

ihr nach wie vor jeden Tag dafür – sie ist meine<br />

Heldin. Ich verbrachte von Mai bis Oktober<br />

etwa 3,5 Monate im Krankenhaus und zudem<br />

viel Zeit auf der Tagesstation. Ich habe am 21.<br />

Oktober 2022 nach einer anstrengenden Reise<br />

eine Remission erreicht. Heute nehme ich<br />

täglich viele Tabletten ein, muss aber nur für<br />

wöchentliche Untersuchungen ins Krankenhaus<br />

gehen. Dadurch habe ich endlich wieder<br />

Zeit für meine Kinder.<br />

Wie geht es Ihnen heute und was ist Ihr größter<br />

Wunsch?<br />

Heute bin ich krebsfrei und hoffe, dass dies ganz<br />

lange so bleibt. Ich erhole mich langsam, aber<br />

gut von all den Ereignissen der letzten Monate.<br />

Ich hatte gerade eine Knochenmarkbiopsie, die<br />

bestätigte, dass die Transplantation ein Erfolg<br />

war. Ich muss immer noch sehr vorsichtig <strong>mit</strong><br />

Menschen umgehen, wie zu COVID-Zeiten,<br />

um zu versuchen, Krankheiten zu vermeiden.<br />

Ich ermüde sehr schnell, bekomme Übelkeit<br />

und bin in den Wechseljahren. Aber ich bin<br />

relativ gesund und werde immer stärker. Mein<br />

Wunsch ist es, anderen Krebskämpfern Mut zu<br />

machen, sie darin zu bestärken, niemals aufzugeben.<br />

Und mein größter Wunsch ist es, lange<br />

genug da zu sein, um meine Kinder aufwachsen<br />

zu sehen..<br />

Redaktion Leonie Zell


15<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 15<br />

Experteneinblick<br />

Neue Hoffnung für BPDCN-Patienten<br />

Die blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN) ist eine sehr seltene und<br />

meist aggressiv verlaufende hämatologische Neoplasie. Im letzten Jahr hat Dr. Daniel Schöndube<br />

zwei Patienten <strong>mit</strong> BPDCN behandelt. Bei der Seltenheit der Erkrankung sind das viele.<br />

Welche Beschwerden macht BPDCN bei den<br />

Betroffenen?<br />

Zu Beginn der Erkrankung haben die Patienten<br />

wenig Beschwerden. In der Regel treten Hautverfärbungen<br />

oder -knoten zuerst auf. Diese<br />

Hautmanifestationen breiten sich häufig über<br />

den Rumpf oder auch auf die Arme oder den<br />

Kopf aus. Im weiteren Verlauf kommen dann<br />

allgemeine Krankheitserscheinungen hinzu.<br />

Die Patienten gehen <strong>mit</strong> Schwäche oder anderen<br />

Symptomen zum Arzt, der dann weitere<br />

Untersuchungen vornimmt.<br />

Warum dauert es häufig recht lange, bis<br />

BPDCN erkannt wird?<br />

Die initiale Hautmanifestation wird oft nicht<br />

als schwerwiegend wahrgenommen, erst<br />

bei Zunahme der Hautbeteiligung oder aber<br />

bei Hinzutreten anderer Symptome erfolgt<br />

der Gang zum Arzt und eine weitere Diagnostik.<br />

Abgeschlagenheit, Knochenschmerzen,<br />

aber auch Fieber deuten dann bereits<br />

auf eine Beteiligung anderer Organe hin.<br />

Hierbei ist vor allem die Knochenmarkinfiltration<br />

zu nennen, welche zu Blutarmut<br />

oder Infektionen aufgrund der Verdrängung<br />

der normalen Blutbildung führt. Auch Manifestationen<br />

im zentralen Nervensystem<br />

sind schwerwiegend und müssen möglichst<br />

früh diagnostiziert und behandelt werden.<br />

Je mehr Organe beteiligt sind, umso belastender<br />

und auch gefährlicher ist die Therapie<br />

für die Patienten. Der Verlauf ist individuell<br />

jedoch sehr unterschiedlich.<br />

Wie wird die Diagnose gestellt?<br />

Die Diagnose der Erkrankung erfolgt in der Regel<br />

an Hautproben, aber auch an Proben des<br />

Knochenmarks oder anderer beteiligter Organe.<br />

Der Pathologe wird <strong>mit</strong>hilfe von Oberflächenmarkern,<br />

die sich auf den Zellen befinden,<br />

versuchen, die Erkrankung näher einzuordnen.<br />

Diese Oberflächenmarker – in der Regel <strong>mit</strong> CD<br />

(Cluster of Differentiation) und einer Nummer<br />

bezeichnet – sind membrangebundene Eiweiße,<br />

die sich in einem bestimmten Muster auf all unseren<br />

Zellen finden. Bei bösartigen <strong>Erkrankungen</strong><br />

ändern sich diese Oberflächenmerkmale<br />

und eine bestimmte Kombination dieser Marker<br />

erlaubt es, <strong>Erkrankungen</strong> eindeutig zuzuordnen.<br />

Die Diagnose einer BPDCN kann anhand<br />

der Kombination der Marker CD123, CD4,<br />

CD56 und des Fehlens anderer Marker gestellt<br />

werden.<br />

Dr. med. Daniel Schöndube<br />

Chefarzt Klinik für Hämatologie<br />

und Leiter Zentrum für Hämatologische<br />

Neoplasien im<br />

Helios Klinikum Bad Saarow<br />

Was passiert nach der Diagnosestellung?<br />

In der Regel erfolgt die stationäre Aufnahme in<br />

einem Zentrum für Hämatologische Neoplasien,<br />

verbunden <strong>mit</strong> einer umfangreichen Diagnostik,<br />

um die genaue Krankheitsausbreitung zu<br />

bestimmen. Dies beinhaltet bildgebende Verfahren,<br />

wie Computertomografie oder Magnetresonanztomografie,<br />

aber auch Knochenmarkpunktion<br />

und die Untersuchung des Hirnwassers.<br />

Bei dieser <strong>seltenen</strong> Erkrankung sind Leitlinien,<br />

in Deutschland die der Deutschen Gesellschaft<br />

für Hämatologie und Onkologie, sehr<br />

hilfreich. 1<br />

Relativ schnell sollte die Suche nach einem<br />

Knochenmark- oder Stammzellspender eingeleitet<br />

werden, um die Erkrankung nach einer<br />

initialen Therapie auch langfristig <strong>mit</strong>hilfe eines<br />

neuen Immunsystems kontrollieren zu können.<br />

Wie wurden Betroffene bisher therapiert?<br />

Die Klassifikation der Erkrankung erfolgt erst<br />

seit 2016 unter dem Namen BPDCN, vorher<br />

erfolgte die Einordnung unter verschiedenen<br />

anderen Namen. Aufgrund der Überlappung<br />

<strong>mit</strong> anderen, damals besser charakterisierten<br />

<strong>Erkrankungen</strong>, orientierte man sich an der<br />

Therapie von Blutkrebserkrankungen, wie zum<br />

Beispiel der akuten lymphatischen Leukämie.<br />

Diese Therapien waren sehr intensiv, bedeuteten<br />

oft einen langen Krankenhausaufenthalt<br />

und viele Komplikationen. Trotz initial guter<br />

Mit freundlicher Unterstützung von Stemline Therapeutics<br />

Erfolge rezidivierte die Erkrankung schnell und<br />

das Überleben der Patienten war sehr begrenzt.<br />

Die allogene Stammzelltransplantation, als<br />

Therapieoption für ausgewählte Patienten, verbesserte<br />

die Therapieerfolge, viele Patienten<br />

erreichten diesen Therapieschritt jedoch nicht.<br />

Welche neuen Behandlungsmöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

Hier handelt es sich um sogenannte zielgerichtete<br />

Therapien. Nach der Infusion bindet das<br />

spezifische Medikament in der Regel direkt an<br />

die bösartigen Zellen, diese nehmen das Molekül<br />

auf und schädigen die Zellen, sodass diese<br />

sterben. In der Therapie der Erkrankung ist dies<br />

eine wichtige Therapieoption, insbesondere<br />

neben der allogenen Stamzelltransplantation.<br />

Die bekannten Nebenwirkungen klassischer<br />

Chemotherapie treten nicht auf. Aufgrund des<br />

spezifischen Wirkmechanismus werden Schäden<br />

an anderen Zellen und Organen möglichst<br />

vermieden. Das Ziel ist, dass eine höhere<br />

Zahl von Patienten ein gutes Ansprechen<br />

erreichen und eine allogene Stamzelltransplantation<br />

erhalten können. Diese ist weiterhin<br />

eine intensive und nebenwirkungsreiche<br />

Therapie, allerdings wird die Therapieund<br />

Krankheitskontrolle besser. Kann eine<br />

allogene Stammzelltransplantation nicht erfolgen,<br />

so kann die anfängliche zielgerichtete<br />

Therapie weitergeführt werden. Aufgrund der<br />

Seltenheit der Erkrankung müssen wir natürlich<br />

insgesamt die Langzeitergebnisse der<br />

Studien abwarten, um die ermutigenden Ergebnisse<br />

besser einordnen zu können. Auch<br />

erreichen nicht alle Patienten eine dauerhafte<br />

Krankheitskontrolle, sodass eine Entwicklung<br />

anderer spezifischer Therapien notwendig<br />

erscheint.<br />

Was bedeutet das für die <strong>Leben</strong>squalität der<br />

Patienten?<br />

Bei Diagnosestellung haben die meisten Patienten<br />

deutliche Beschwerden. Aufgrund des guten<br />

Ansprechens der zielgerichteten Therapie sistieren<br />

diese meist relativ schnell und schreiten<br />

nicht weiter voran, es treten weniger therapiebedingte<br />

Komplikationen auf. Die Therapie kann<br />

im Verlauf in kurzen Krankenhausaufenthalten<br />

oder sogar ambulant verabreicht werden. Die<br />

weitere <strong>Leben</strong>squalität hängt dann maßgeblich<br />

vom Ergebnis und den Nebenwirkungen der<br />

allogenen Stammzelltransplantation ab..<br />

1 Onkopedia, Blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN), Januar 2022


16<br />

Hämophilie<br />

„Mit 15 Jahren fing mein <strong>Leben</strong> erst an“<br />

Foto: privat<br />

Herr Grote, wann wurde bei Ihnen Hämophilie<br />

diagnostiziert?<br />

Als ich ins Krabbelalter kam, das war in den<br />

50er-Jahren, bildeten sich bei mir riesige blaue<br />

Flecke, ich hatte Einblutungen an Armen und<br />

Beinen. Der Kinderarzt wusste nicht weiter und<br />

schickte meine Eltern und mich ins örtliche<br />

Krankenhaus. Weil die Ärzte auch dort überfragt<br />

waren, wurden wir in die Uniklinik Münster<br />

überwiesen. Dort wurde dann Hämophilie<br />

diagnostiziert.<br />

Als man bei Ulrich Grote Hämophilie diagnostizierte, sagten<br />

die Ärzte, dass er eine <strong>Leben</strong>serwartung von 14 Jahren hat.<br />

Heute ist er 68 Jahre alt.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Wie sind die Ärzte damals <strong>mit</strong> der Diagnose umgegangen?<br />

Ich bekam Bluttransfusionen, auch per Direktübertragung<br />

von meiner Mutter, die als Überträgerin<br />

der Krankheit sowieso schon einen stark verminderten<br />

Faktor-8-Gehalt hatte. Das brachte mir<br />

also gar nichts. Doch die Ärzte wussten es damals<br />

nicht besser.<br />

Wie hat sich die Erkrankung auf Ihre Kindheit<br />

ausgewirkt?<br />

Ich hatte keine normale Kindheit. Meine Eltern<br />

haben mich in Watte gepackt. Ihre große Angst,<br />

die absolut nachvollziehbar war, hat mich sehr<br />

eingeschränkt. Wegen der ständigen Gefahr, Einblutungen<br />

in den großen Gelenken zu erleiden,<br />

musste ich mich äußerst vorsehen. Zudem musste<br />

ich fast wegen jedem Zahnwechsel ins Krankenhaus.<br />

Einfach Kind sein – das hatte ich leider nicht.<br />

Was war das einschneidendste Erlebnis <strong>mit</strong> der<br />

Hämophilie?<br />

Ich habe mir zweimal hintereinander den Kopf<br />

gestoßen und daraus ist eine Gehirnblutung entstanden.<br />

Zum Glück war ich damals schon unter<br />

Faktor-8. Dadurch haben die Ärzte das sehr schnell<br />

in den Griff bekommen. 1973 habe ich gelernt,<br />

mich selbst zu spritzen – das war eine Revolution.<br />

Da<strong>mit</strong> fing für mich ein relativ normales <strong>Leben</strong> an.<br />

Wie hat sich die Therapie seitdem verändert?<br />

Ich spritze mich momentan zweimal pro Woche.<br />

Die Präparate sind so fortschrittlich, dass man es<br />

quasi nebenbei machen kann. Wenn Kinder heute<br />

<strong>mit</strong> Hämophilie auf die Welt kommen, können<br />

sie dank der modernen Therapiemöglichkeiten<br />

ein nahezu normales <strong>Leben</strong> führen – das ist natürlich<br />

unglaublich toll.<br />

Was gibt Ihnen die größte Sicherheit im <strong>Leben</strong>?<br />

An erster Stelle steht meine Frau, meine ganz<br />

große Liebe, und meine Freunde, Verwandten<br />

sowie mein kleiner Hund. Ich genieße es sehr,<br />

Hobbys und Leidenschaften zu haben und diese<br />

auch auszuleben. Meine größte Sehnsucht war<br />

immer, so normal wie möglich zu leben, und das<br />

ist dank der modernen Therapien wahr geworden<br />

– dafür bin ich sehr dankbar. .<br />

„Schaut nicht auf das, was nicht geht“<br />

Foto: privat<br />

Herr Wolf, bitte geben Sie uns einen Einblick in<br />

Ihre Kindheit und Jugend.<br />

Als Kind und Jugendlicher war ich immer sehr aktiv<br />

und hatte, tatsächlich auch aus diesem Grund,<br />

wenig Probleme oder Blutungen. Ob Schwimmen,<br />

Tennis, Tischtennis oder auch einfach nur<br />

Sport <strong>mit</strong> Freunden auf dem Bolz- oder Spielplatz,<br />

meine Muskulatur war gut genug ausgeprägt,<br />

um Verletzungen und Blutungen vorzubeugen,<br />

und Bewegung war für mich genau die<br />

richtige Ergänzung zur Prophylaxe.<br />

Benjamin Wolf ist 33 Jahre alt und hat eine schwere<br />

Hämophilie B. Einschränken lässt er sich durch seine<br />

Erkrankung nicht.<br />

Redaktion Leonie Zell<br />

Wie geht es Ihnen heute?<br />

Mein Motto lautet: Ein starker Muskel stützt die<br />

Gelenke und hilft gegen Verletzungen.<br />

Wie sieht Ihre persönliche Therapie aus und wie<br />

ist die Kommunikation <strong>mit</strong> Ihrem Arzt?<br />

Meine Behandlung stimme ich individuell <strong>mit</strong><br />

meinem Arzt ab. Im Hämophilie-Zentrum in<br />

Bonn bin ich bei einem sehr fortschrittlichen<br />

und proaktiven Zentrum sehr gut aufgehoben.<br />

Meine Ärzte sind immer gut für mich erreichbar.<br />

Das ist vor allem dann wichtig, wenn ich<br />

Unternehmungen wie eine Reise planen möchte.<br />

Über neue Faktorpräparate oder digitale Angebote<br />

für meine Therapie, wie zum Beispiel Apps<br />

zur Therapiedokumentation, werde ich eigentlich<br />

immer zeitnah informiert. So konnte ich an einer<br />

Testversion für eine App zur digitalen Dokumentation<br />

teilnehmen und führe nun schon viele<br />

Jahre meine Dokumentation per App durch.<br />

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen?<br />

Das Thema Reisen und dabei spontane Entscheidungen<br />

treffen zu können ist wohl die größte<br />

Herausforderung. Work & Travel wäre für mich<br />

zum Beispiel kompliziert. Ich muss meine Urlaube<br />

gut planen, dabei helfen mir Informationen<br />

wie: Wo sind Behandlungszentren? Wie und wo<br />

bekomme ich meinen Faktor? Habe ich alle wichtigen<br />

Dokumente wie eine Zollbescheinigung<br />

dabei?<br />

Welche Tipps möchten Sie anderen Betroffenen<br />

geben?<br />

Schaut nicht immer auf das, was nicht geht, sondern<br />

vielmehr auf das, was geht. Es gibt viele interessante<br />

Sportarten wie Rudern oder Schwimmen.<br />

Sucht euch Hobbys und Berufe, in denen<br />

ihr trotz eventueller Einschränkungen aufgeht<br />

und die ihr gerne macht. Ein Blick in die Vergangenheit<br />

kann helfen und motivieren, weil es gerade<br />

jüngeren Betroffenen und deren Angehörigen<br />

aufzeigt, wie weit wir schon <strong>mit</strong> den uns zur<br />

Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten<br />

gekommen sind, Stichwort Heimselbstbehandlung<br />

und verlängerte Halbwertszeit der Faktorpräparate.<br />

Diese Möglichkeiten hatten die älteren<br />

Generationen noch nicht..


17<br />

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Arzt und Patient:<br />

„Zusammenarbeit und<br />

Kommunikation fördern<br />

eine optimale Behandlung“<br />

Ein Interview <strong>mit</strong> Prof. Dr. Johannes Oldenburg.<br />

Prof. Dr.<br />

Johannes Oldenburg<br />

Facharzt für Transfusionsmedizin,<br />

Hämostaseologie und<br />

Medizinische Genetik,<br />

Direktor des Hämophilie-<br />

Zentrums Bonn<br />

Was ist der Unterschied zwischen Hämophilie<br />

A und B?<br />

Bei der Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor<br />

VIII, bei der Hämophilie B fehlt der<br />

Gerinnungsfaktor IX. Die Hämophilie A ist<br />

<strong>mit</strong> etwa 6.000 Patienten in Deutschland<br />

etwa siebenmal häufiger als die Hämophilie<br />

B <strong>mit</strong> etwa 800 Patienten. Jeweils etwa die<br />

Hälfte der Patienten hat eine schwere Verlaufsform.<br />

Die Blutungssymptome unterscheiden<br />

sich bei Hämophilie A und Hämophilie<br />

B nicht.<br />

Welche Symptomatik ist typisch für die<br />

Erkrankung?<br />

Insbesondere bei der schweren Verlaufsform<br />

sind Muskel- und Gelenkblutungen<br />

typisch. In <strong>seltenen</strong> Fällen können auch lebensbedrohliche<br />

Blutungen in innere Organe<br />

oder auch in das Gehirn auftreten. Diese<br />

Blutungen können auch spontan, also ohne<br />

äußeren Anlass, geschehen. Besondere Bedeutung<br />

haben die Gelenkblutungen, da<br />

diese über die Jahre zu bleibenden Gelenkschäden<br />

und Behinderungen führen können.<br />

Wie wird die Hämophilie diagnostiziert?<br />

In der Regel fallen Säuglinge dadurch auf,<br />

dass beim Krabbeln vermehrt blaue Flecken<br />

entstehen. Oft gibt es in der Familie aber<br />

auch schon Betroffene <strong>mit</strong> einer Hämophilie,<br />

sodass bei Neugeborenen direkt entsprechende<br />

Tests durchgeführt werden.<br />

Wie sieht die Hämophilie-Therapie heute<br />

aus?<br />

Die Hauptform der Behandlung ist eine vorbeugende<br />

Vermeidung von Blutungen durch<br />

die regelmäßige Gabe von Faktorenkonzentraten<br />

bzw. bei der Hämophilie A alternativ die<br />

Behandlung <strong>mit</strong> einem monoklonalen Antikörper.<br />

Diese Medikamente werden im Rahmen<br />

der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung<br />

von den Patienten – oder bei kleinen Kindern<br />

von den Eltern – selbst zu Hause verabreicht.<br />

Warum ist die Arzt-Patienten-Kommunikation<br />

so wichtig, und wie kann diese bestmöglich<br />

gewährleistet werden?<br />

Die Hämophilie ist eine lebenslang bestehende<br />

Erkrankung. Die Blutungsfolgen, insbesondere<br />

der Gelenkblutungen, zeigen sich oft erst<br />

nach vielen Jahren. Daher ist es wichtig, Blutungen<br />

im Idealfall durch eine gute Behandlung<br />

nahezu vollständig zu vermeiden. Hierfür<br />

ist die Betreuung in Hämophilie-Zentren<br />

wichtig, da dort die notwendige Erfahrung<br />

<strong>mit</strong> dem Krankheitsbild bzw. -verlauf und<br />

den Medikamenten besteht. In Hämophilie-Zentren<br />

stehen in der Regel auch Teams<br />

aus Gerinnungsspezialisten, Orthopäden,<br />

Physiotherapeuten und anderen Fachdisziplinen<br />

zur Verfügung, um multidisziplinär<br />

die Erkrankung optimal zu behandeln. Ganz<br />

wichtig ist auch die Mitarbeit des Patienten<br />

selbst, denn die Behandlung erfolgt lebenslang<br />

und schon wenige Blutungen können<br />

Jahre später zu irreversiblen Gelenkschäden<br />

führen. Die Kommunikation sollte partnerschaftlich<br />

sein, da nur die gute Zusammenarbeit<br />

und Kommunikation von Arzt und Patient<br />

bei dieser chronischen Erkrankung ein<br />

gutes Behandlungsergebnis gewährleistet.<br />

Unterstützt wird die Patienten-Arzt-Kommunikation<br />

durch moderne Apps, bei denen<br />

der Patient in Echtzeit seine Behandlung<br />

und auch seine Blutungen dokumentieren<br />

kann sowie weitere Informationen festhalten<br />

kann. Diese Apps können auch die aktuelle<br />

Faktorenaktivität und da<strong>mit</strong> den Schutz vor<br />

Blutungen bzw. den Zeitpunkt der nächsten<br />

Medikamentengabe anzeigen. Das Telefon<br />

bleibt aber im Notfall das wichtigste Kommunikationswerkzeug<br />

<strong>mit</strong> dem Zentrum, um<br />

direkt die notwendigen Maßnahmen einzuleiten..<br />

Redaktion Leonie Zell<br />

LIBERATION MAP<br />

Leitfaden für Patienten – Optimieren<br />

Sie Ihre Arztgespräche und Ziele<br />

Für wen wurde die<br />

Liberation Map entwickelt?<br />

Die Liberation Map ist für Hämophilie-Patienten<br />

und Eltern<br />

von Kindern <strong>mit</strong> Hämophilie<br />

entwickelt worden. Sie wurde<br />

gemeinsam <strong>mit</strong> Patienten<br />

und Behandlern erarbeitet<br />

und in drei europäischen Hämophilie-Zentren<br />

getestet.<br />

Was ist die Liberation Map?<br />

Die Liberation Map ist ein<br />

kurzes Quiz <strong>mit</strong> acht Fragen.<br />

Mittels einer Skala von 1 bis 5<br />

können Sie Ihre aktuelle Zufriedenheit<br />

in acht verschiedenen<br />

Kategorien bewerten,<br />

um so zu erkennen, in welchen<br />

<strong>Leben</strong>sbereichen Sie<br />

sich eine Verbesserung wünschen.<br />

Am Ende des Quiz erhalten<br />

Sie eine auf Sie persönlich<br />

zugeschnittene Map.<br />

Die treffendste Antwort ist<br />

meist diejenige, die Ihnen<br />

zuerst einfällt. Es gibt<br />

keine richtige oder falsche<br />

Antwort!<br />

Wo finde ich zusätzliche<br />

Infos zu den Bereichen, die<br />

ich verbessern möchte?<br />

Jede Kategorie der Liberation<br />

Map ist <strong>mit</strong> vielen nützlichen<br />

Informationen verlinkt, die Sie<br />

bei Ihrer Hämophilie-Behandlung<br />

und Ihren Zielen unterstützen<br />

können.<br />

Kann ich meine Liberation<br />

Map speichern?<br />

Sie können Ihre persönliche<br />

Map auf dem Computer oder<br />

Smartphone speichern, ausdrucken<br />

und zum nächsten<br />

Termin <strong>mit</strong>nehmen.<br />

Was geschieht <strong>mit</strong> meinen<br />

Daten?<br />

Es ist keine Registrierung notwendig,<br />

um die Liberation<br />

Map zu nutzen. Entsprechend<br />

unseren Richtlinien<br />

werden Ihre Daten nicht weitergegeben<br />

oder gespeichert.<br />

Hier geht es zur Liberation Map:<br />

www.liberatelife.de/deine-liberation-map


18<br />

Lebersche hereditäre<br />

Optikusneuropathie<br />

„Selten,<br />

aber nicht allein“<br />

Als Nadine Rokstein 16 Jahre alt ist, bekommt sie Probleme<br />

<strong>mit</strong> den Augen. Anfangs denkt sie sich nichts dabei und geht<br />

zum Augenarzt. Dass die seltene Erkrankung LHON<br />

dahintersteckt, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Nadine, wann und wie haben Sie bemerkt,<br />

dass Sie nicht mehr so gut sehen können?<br />

Das war ca. im November 2011. Ich war zu diesem<br />

Zeitpunkt 16 und wollte mich abends für<br />

eine Party fertig machen. Als ich mich schminken<br />

wollte, merkte ich beim Auftragen der<br />

Wimperntusche, dass auf dem linken Auge fast<br />

alles Dunkel war. Ich konnte kaum Licht wahrnehmen.<br />

Im Alltag ist dies kaum aufgefallen,<br />

da das rechte Auge noch nicht betroffen war<br />

und so<strong>mit</strong> das linke Auge ausgleichen konnte.<br />

Der Weg bis zur Diagnose war nicht leicht.<br />

Bitte erzählen Sie uns davon.<br />

Fünf Monate habe ich auf eine Diagnose<br />

„gewartet“. Gewartet bedeutet nicht, dass ich<br />

Däumchen gedreht habe. Es waren unzählige<br />

Tests nötig. Vor allem weil LHON oft <strong>mit</strong> MS<br />

oder einem Hirntumor verwechselt wird. Dies<br />

musste ausgeschlossen werden. Ich habe im<br />

Dezember die meiste Zeit im Krankenhaus<br />

gelegen und durfte über die Feiertage wieder<br />

nach Hause. Von Kortison-Stoßtherapien über<br />

Lumbalpunktionen bis hin zur Plasmapherese<br />

war alles dabei. Mein letzter Aufenthalt im<br />

Krankenhaus war im Februar 2012. Die Diagnose<br />

bekam ich dann Anfang März.<br />

Die Diagnose wurde durch einen Gentest gestellt.<br />

Wie wurde dieser durchgeführt?<br />

Von dem Gentest habe ich nichts <strong>mit</strong>bekommen.<br />

In dieser Zeit wurde mir ständig Blut abgenommen,<br />

sodass ich gar nicht sagen kann,<br />

welche Abnahme letztendlich dafür verantwortlich<br />

war. Ich habe mich über ein Pharmaunternehmen<br />

informiert, wie die Diagnostik<br />

verläuft. Da ich die Mutation 11778 habe,<br />

konnte meine Diagnostik über die Sequenzanalyse<br />

nach Sanger stattfinden. Mit dieser sind<br />

die drei typischen Mutationsformen erkennbar.<br />

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie die<br />

Diagnose erhalten haben? Hatten Sie vorher<br />

schon einmal von LHON gehört?<br />

Nein, LHON war mir genauso unbekannt, wie<br />

es da draußen wahrscheinlich für einige Leser<br />

ist. Seltene <strong>Erkrankungen</strong><br />

gehören leider nicht zum Lernstoff<br />

in Biologie.<br />

Die Diagnose war wie ein Faustschlag,<br />

weil ich da<strong>mit</strong> einfach nicht gerechnet<br />

hatte. Ich war vor der Bekanntmachung<br />

noch davon ausgegangen, dass es irgendwelche<br />

Tabletten geben würde und ich dann<br />

mein gewohntes <strong>Leben</strong> fortführen kann. Dass<br />

es nicht so sein würde, löste ein großes Gefühlschaos<br />

aus.<br />

Wie sind Sie da<strong>mit</strong> umgegangen?<br />

Mein <strong>Leben</strong> war von Kunst und Kreativität<br />

geprägt. Ich wollte Fotografin werden, Fotografie<br />

und Medien studieren und machte<br />

gerade einen Abschluss in Gestaltung. Dies<br />

als Sturkopf alles abzubrechen und mich<br />

von meinem Traum zu verabschieden, war<br />

nicht leicht. Plötzlich sollte ich in eine Werkstatt<br />

für behinderte Menschen, sollte auf<br />

eine spezielle Schule und ich habe Freunde<br />

verloren. Es war keine einfache Zeit und<br />

ich war weiß Gott kein einfacher Mensch.<br />

Aber ich habe mich <strong>mit</strong>tlerweile gefunden.<br />

Wie wurden und werden Sie therapiert?<br />

Damals habe ich ein Medikament bekommen,<br />

da das bei mir aber keinen Effekt erzielt hat,<br />

habe ich die Therapie abgebrochen. Für mich<br />

war das ein wichtiger Schritt. Dadurch habe ich<br />

gelernt, meine Erblindung zu akzeptieren. Es<br />

gibt jedoch Studien <strong>mit</strong> vielversprechenden Daten<br />

zu einer neuen Gentherapie. Weitere Informationen<br />

darüber findet man u. a. auf der Website<br />

der Selbsthilfegruppe PRO RETINA e. V.<br />

Wie geht es Ihnen heute <strong>mit</strong> der Erkrankung?<br />

Mir geht es gut. Damals ist alles sehr schnell<br />

gegangen. Die Diagnose habe ich im März<br />

bekommen, das zweite Auge war schon im<br />

Februar betroffen und kurz nach der Diagnose<br />

galt ich bereits als blind. In Deutschland<br />

gilt man ab einem gemessenen Visus von zwei<br />

Prozent und weniger als blind. Das hat sich bis<br />

Mehr von Nadine:<br />

www.instagram.com/<br />

stoeckchen_<strong>mit</strong>_lhon,<br />

www.stockundstein.<br />

org<br />

heute nicht mehr verändert.<br />

Ich habe nach dem Studium<br />

der Sozialen Arbeit ein paar<br />

Jahre in dem Beruf gearbeitet. Mittlerweile<br />

studiere ich Journalismus, schreibe<br />

Kolumnen, bin Aktivistin für Inklusion und<br />

kläre auf diversen Plattformen über Sprache,<br />

Behinderungen und Antidiskriminierung auf.<br />

Welchen Rat möchten Sie anderen Betroffenen<br />

geben?<br />

Ihr dürft wütend, traurig und ratlos sein.<br />

All eure Gefühle sind valide. Aber <strong>mit</strong> einer<br />

Behinderung seid ihr nicht weniger wert. Und<br />

vor allem seid ihr nicht allein. Auch wenn<br />

sich das <strong>mit</strong> einer <strong>seltenen</strong> Erkrankung oft so<br />

anfühlen kann. Wir sind da draußen und wir<br />

sind ca. vier Millionen Menschen in Deutschland.<br />

Es gibt Gruppen und Selbsthilfeorganisationen,<br />

die sich <strong>mit</strong> LHON beschäftigen.<br />

Sei es auf Social Media, die PRO RETINA<br />

Deutschland e. V. oder der LHON Deutschland<br />

e. V..<br />

LHON-Fakten<br />

Foto: privat<br />

• LHON ist eine seltene, <strong>mit</strong>ochondriale Erkrankung,<br />

die durch eine Sehnervstörung<br />

zu einer massiven Visusminderung im<br />

zentralen Gesichtsfeld führen kann. Dies<br />

wird durch eine Mutation im Erbgut verursacht,<br />

welche sich im Folgenden auf den<br />

Sehnerv und da<strong>mit</strong> auf das Sehvermögen<br />

des Betroffenen auswirkt.<br />

• In der Forschung geht man von einer<br />

Prävalenz von 1:50.000 auf. Man schätzt,<br />

dass es in Deutschland jährlich rund 80<br />

Neuerkrankungen gibt.<br />

• Männer sind rund viermal häufiger von<br />

einer LHON betroffen als Frauen.<br />

Weitere Informationen unter: www.proretina.de<br />

und www.lhon-deutschland.de


Anzeige<br />

19<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 19<br />

GENTHERAPIEN<br />

bei <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

der Netzhaut<br />

GenSight Biologics ist ein französisches Biotechnologie-<br />

Unternehmen, das sich auf die Entdeckung, Entwicklung<br />

und Vermarktung neuartiger Therapien für Patientinnen und<br />

Patienten <strong>mit</strong> schweren neurodegenerativen <strong>Erkrankungen</strong><br />

der Netzhaut spezialisiert hat. Dabei fokussieren sich die innovativen<br />

Therapieansätze besonders auf Patientinnen und<br />

Patienten <strong>mit</strong> Leberscher hereditärer Optikusneuropathie<br />

(LHON) und Retinitis pigmentosa.<br />

Neue Gentherapie für Patientinnen und Patienten<br />

<strong>mit</strong> Leberscher hereditärer Optikusneuropathie<br />

Eine Gentherapie beinhaltet den Transfer von Genen in Zellen,<br />

entweder um defekte Gene zu ersetzen, die eine Krankheit<br />

verursachen (z. B. weil sie kein funktionsfähiges Protein herstellen),<br />

oder um therapeutische Proteine lokal zu produzieren.<br />

Für LHON-Patientinnen und -Patienten befindet sich<br />

derzeit eine Gentherapie, die aus der Forschung am Institut<br />

de la Vision in Paris hervorgeht und in einem klinischen Studienprogramm<br />

bei mehr als 200 Patientinnen und Patienten<br />

<strong>mit</strong> LHON entwickelt wurde, im europäischen Zulassungsprozess.<br />

Der gentherapiebasierte Ansatz ist so konzipiert,<br />

dass beide Augen <strong>mit</strong>tels einer intravitrealen Injektion behandelt<br />

werden. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten eine<br />

nachhaltige Wiederherstellung des Sehvermögens und eine<br />

weitgehende Verbesserung der <strong>Leben</strong>squalität zu ermöglichen.<br />

Der Antrag für die Marktzulassung ist eingereicht und<br />

wird derzeit von der europäischen Arznei<strong>mit</strong>telagentur (EMA)<br />

begutachtet.<br />

Neben der Gentherapie für LHON-Betroffene untersucht<br />

GenSight Biologics eine Behandlung zur Wiederherstellung<br />

des Sehvermögens bei Patientinnen und Patienten, die an<br />

Retinitis pigmentosa leiden.<br />

A LEADING GENE THERAPY BIOTECHNOLOGY COMPANY<br />

GENSIGHT-BIOLOGICS.COM


20<br />

Duchenne-Muskeldystrophie<br />

Ja zum <strong>Leben</strong> –<br />

trotz seltener<br />

Erkrankung<br />

Trotz der häufig massiven krankheitsbedingten<br />

Einschränkungen zeigen Menschen <strong>mit</strong> Duchenne-<br />

Muskeldystrophie (DMD) oft eine außerordentlich<br />

lebensbejahende Haltung und ausgeprägten<br />

<strong>Leben</strong>smut. Einer von ihnen ist Benni.<br />

Redaktion Kristina Kempf<br />

Benni Over ist ein Botschafter<br />

für die Orang-Utans. Seit<br />

mehreren Jahren setzt er<br />

sich für die Rettung der rothaarigen<br />

Waldmenschen<br />

und ihren <strong>Leben</strong>sraum, den<br />

Regenwald, ein und kämpft da<strong>mit</strong> auch für<br />

eine bessere Welt für uns alle. Benni hat Duchenne-Muskeldystrophie,<br />

sitzt seit seinem<br />

zehnten <strong>Leben</strong>sjahr im Rollstuhl und kann<br />

nur seine Finger bewegen. Seit einem Herzstillstand<br />

im Dezember 2016 und einem lebensrettenden<br />

Luftröhrenschnitt ist Benni<br />

hauptsächlich auf ein Beatmungsgerät angewiesen.<br />

Aber all das hält ihn nicht auf!<br />

Für Benni begann alles <strong>mit</strong> einem Zoobesuch,<br />

bei dem er in die Augen eines Orang-<br />

Utans blickte und sich daran erinnerte, wie<br />

er seine Seele, sein Charisma und seine<br />

Loyalität spürte. Zu Hause angekommen,<br />

erforschte er die Tiere und saugte alles<br />

Wissen auf. Der Traum war geboren, diese<br />

Lebewesen einmal zu erleben – außerhalb<br />

eines Zoos. Benni und sein Vater veröffentlichten<br />

das Kinderbuch „Henry rettet<br />

den Regenwald“ über die Orang-Utans und<br />

die Zerstörung ihres <strong>Leben</strong>sraums – vor<br />

allem durch die Abholzung der Wälder zur<br />

Palmölgewinnung. Das Buch soll die Leser<br />

für ihre Verantwortung gegenüber der Natur<br />

sensibilisieren. Jeder kann etwas tun.<br />

Man kann zum Beispiel frisch kochen und<br />

darauf achten, dass man keine palmölhaltigen<br />

Produkte im Supermarkt kauft. Das<br />

ist nicht einfach, denn Palmöl ist in einer<br />

Vielzahl von Produkten enthalten, von Fertiggerichten<br />

über Süßigkeiten bis hin zu<br />

Wasch<strong>mit</strong>teln und Kosmetika. Aber der Verzicht<br />

auf Palmöl könnte die Industrie zum<br />

Umdenken zwingen.<br />

Der Fortbestand der Regenwälder ist für<br />

uns alle lebenswichtig, denn in den Bäumen<br />

und Böden der Regenwälder sind<br />

große Mengen an Kohlendioxid<br />

gespeichert. Wenn die<br />

Wälder abgeholzt werden, können<br />

sie kein CO2 mehr aufnehmen.<br />

Der Regenwald beherbergt nicht nur zahlreiche<br />

Tier- und Pflanzenarten, sondern<br />

spielt auch eine wichtige Rolle im globalen<br />

Kohlenstoffkreislauf.<br />

Normalerweise hält Benni persönliche Vorträge,<br />

zum Beispiel in Schulen, und gibt sein<br />

Wissen und seine Erfahrungen weiter, auch<br />

als Denkanstoß. Bei der COVID-Pandemie<br />

wurden er und seine Familie vor eine große<br />

Herausforderung gestellt. Aufgrund seiner<br />

Krankheit musste Benni besonders geschützt<br />

werden. Das bedeutete monatelange<br />

Isolation. Und hier kam zum Glück<br />

die Digitalisierung ins Spiel. Die Eltern<br />

von Benni organisierten Zoom-Treffen <strong>mit</strong><br />

Freunden und Bekannten. Sie schwelgten<br />

in Erinnerungen, redeten, planten und<br />

fühlten sich dadurch wieder näher.<br />

Doch das war Benni nicht genug. Er bot seine<br />

sonst live gehaltenen Vorträge online an.<br />

Die Zielgruppe waren Seniorenheime und<br />

Schulen. Alles konnte nun online stattfinden.<br />

Die Berichte wurden <strong>mit</strong> eindrucksvollen<br />

Videos gekrönt, sodass es für jeden<br />

anschaulich wurde, warum der Regenwald<br />

für uns alle so immens wichtig ist.<br />

Die COVID-Zeit war herausfordernd und<br />

Benni hat einmal mehr bewiesen, dass er<br />

neue Wege gehen und flexibel reagieren<br />

kann. Die Digitalisierung hat ihm auch<br />

geholfen, in regelmäßiger Kommunikation<br />

<strong>mit</strong> Indonesien zu stehen, sodass er immer<br />

über die neuesten Fortschritte und Entwicklungen<br />

informiert war. Lasst uns alle Benni<br />

als Inspiration nehmen. Lasst uns die Welt<br />

zu einem besseren Ort machen. Lasst uns<br />

träumen und handeln und lasst uns unseren<br />

täglichen Luxus überdenken und auf<br />

Dinge verzichten, die unserem<br />

Planeten schaden.<br />

Benni möchte etwas bewegen<br />

und weiß: Jeder kann etwas<br />

tun, um die Welt ein bisschen besser zu<br />

machen – schließen Sie sich ihm an? .<br />

Buchtipp<br />

Fotos: privat<br />

Benni liebt Orang-Utans so sehr, dass er<br />

die rothaarigen Menschenaffen unbedingt<br />

einmal in ihrer Heimat auf der Insel Borneo<br />

besuchen will – trotz der unheilbaren Erbkrankpheit<br />

DMD. Wie Benni dennoch 15.000<br />

Kilometer weit im Rollstuhl nach Indonesien<br />

reist, davon erzählt dieses Buch. Seine<br />

Familie und Helfer machen das Unmögliche<br />

möglich und so besucht er Orang-Utan-<br />

Camps, trifft Umweltschützer, begegnet den<br />

einheimischen Dayak und begeistert ganze<br />

Schulklassen <strong>mit</strong> seinem intensiven <strong>Leben</strong>smut.<br />

Mit seiner Offenherzigkeit und seiner inneren<br />

Stärke reißt er andere Menschen <strong>mit</strong>,<br />

ohne dass er viele Worte machen muss.<br />

Im Rollstuhl zu den Orang-Utans<br />

ISBN-10: 386196760X


Jeder Tag zählt!<br />

Duchenne-Muskeldystrophie<br />

erkennen<br />

WAS IST DUCHENNE<br />

MUSKELDYSTROPHIE (DMD)? 1–4<br />

Hinter Entwicklungsverzögerungen, speziell bei Jungen,<br />

kann mehr stecken. Auch wenn sich eine verzögerte<br />

Entwicklung in den wenigsten Fällen auf eine ernsthafte<br />

Erkrankung zurückführen lässt, kann in vereinzelten Fällen<br />

eine seltene genetische Erkrankung <strong>mit</strong> dem Namen<br />

Duchenne-Muskeldystrophie (kurz DMD) der Grund sein.<br />

DUCHENNE UND ICH –<br />

NUR EIN KLICK ENTFERNT<br />

Neue App zur Unterstützung von<br />

Duchenne-Patienten und ihren Familien!<br />

Sie oder Ihr Kind leiden<br />

an Duchenne-Muskeldystrophie?<br />

Die neue App<br />

„Duchenne und ich“<br />

unterstützt Sie <strong>mit</strong> wichtigen<br />

Informationen und weiteren<br />

Zusatzfunktionen<br />

Gastbeitrag<br />

Aber was ist DMD? Es handelt sich dabei um eine schwere und lebensbedrohende<br />

Erkrankung, die bei ungefähr einem von 3.600 bis 6.000<br />

männlichen Neugeborenen auftritt. Durch eine Veränderung in der<br />

Erbsubstanz fehlt das Muskelprotein Dystrophin. Als Folge kommt<br />

es bei Jungen ab der frühesten Kindheit zum Abbau der Bewegungsund<br />

später zum Abbau der Atem- und Herzmuskulatur. In anderen<br />

Worten: Die Muskelschwäche nimmt im Laufe der Zeit zu und breitet sich auf den<br />

ganzen Körper aus. Einmal zugrunde gegangene Muskeln können nicht wieder repariert<br />

werden. Deswegen ist es so wichtig, die Erkrankung früh zu erkennen, um das<br />

Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.<br />

1. Alle Daten auf einen Blick<br />

2. Hilfebereich & Notfallkontakte<br />

3. Persönliche Assistenz<br />

beantwortet Fragen<br />

4. Keine externe Datenspeicherung<br />

Zum kostenlosen<br />

Download bei:<br />

Verlust der<br />

Gehfähigkeit<br />

Rollstuhlpflicht<br />

Lungen- und<br />

Herzkomplikationen<br />

DER NEUE BEGLEITER FÜR<br />

ALLE DUCHENNE-PATIENTEN!<br />

DMD führt zu einem progredienten Verlust der<br />

körperlichen Funktionsfähigkeit über definierte<br />

Erkrankungsstadien<br />

Vorzeitige Sterblichkeit<br />

(3. <strong>Leben</strong>sjahrzehnt)<br />

Die frühen Zeichen der DMD zu erkennen, ist eine Herausforderung, denn die DMD ist<br />

anfänglich schwer zu diagnostizieren und „unspezifisch“ in Form von Entwicklungsverzögerungen<br />

im Vergleich zu Gleichaltrigen. Kinder <strong>mit</strong> DMD können bei der Geburt<br />

normal erscheinen und erreichen sehr frühe Meilensteine der motorischen Entwicklung.<br />

Unspezifische Frühsymptome können jedoch bereits im Säuglingsalter<br />

auftreten. Üblicherweise treten erste Symptome im Alter von zwei bis drei Jahren auf.<br />

Bei der U7-Untersuchung können frühe Anzeichen und Symptome festgestellt werden.<br />

Die U7 erfolgt für gewöhnlich zwischen dem 21. und 24. <strong>Leben</strong>smonat. Neben<br />

einer körperlichen Untersuchung wird besonders auf die geistige Entwicklung sowie<br />

die Entwicklung der Sprache geachtet.<br />

Zu den frühen Zeichen einer möglichen DMD gehören Verzögerungen beim Sprechen,<br />

Bewegen und Lernen. Im Vergleich zu Gleichaltrigen wirken Kinder <strong>mit</strong> DMD<br />

.<br />

weniger geschickt, schneller erschöpft und insgesamt „langsamer“. Der Kinderarzt<br />

wird bei Verdacht einen einfachen Bluttest, den sogenannten CK-MM-Test, durchführen.<br />

17<br />

0010<br />

0100<br />

Dashboard<br />

Zusammenfassende Liste relevanter Daten<br />

zu Gesundheit und Wohlbefinden<br />

Zeitplan<br />

Strukturieren Sie Tag und Termine, speichern Sie<br />

Medikamenteneinnahme und Aktivitäten<br />

Medizinische Daten<br />

Gelangen Sie <strong>mit</strong> nur einem Klick zu medizinischen<br />

Daten und fügen Sie Behandlungsdetails hinzu<br />

Persönliche Assistenz<br />

Lassen Sie sich von der integrierten persönlichen<br />

Assistenz offene Fragen beantworten<br />

Notfallinformationen<br />

Seien Sie für Notfälle gewappnet! Informationen<br />

und Ansprechpartner zu Duchenne<br />

Weitere Informationen zur Duchenne-<br />

Muskeldystrophie finden Sie unter:<br />

www.hinterherstattvolldabei.de,<br />

www.duchenne.de und www.ptcbio.de<br />

Privatsphäre<br />

Die eingegebenen Daten werden nur auf Ihrem<br />

Handy gespeichert – eine externe Speicherung<br />

auf Servern erfolgt nicht<br />

Die App „Duchenne und ich“ wird von PTC Therapeutics bereitgestellt und unterstützt.<br />

Sie soll Duchenne-Patienten und deren Angehörigen zur Seite stehen, ihren Alltag<br />

erleichtern und zur Verbesserung der <strong>Leben</strong>squalität beitragen.


22<br />

Hereditäres Angioödem<br />

„Den Attacken<br />

vorbeugen“<br />

Die plötzlichen Schwellungsattacken des Hereditären<br />

Angioödems, kurz HAE, begannen bei Franziska von<br />

Werder bereits in der Jugend. Im Interview spricht<br />

sie über ihr <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> der <strong>seltenen</strong> Erkrankung.<br />

Redaktion Leonie Zell<br />

Franziska, Sie sind einer von etwa 1600<br />

Patienten in Deutschland <strong>mit</strong> der Diagnose<br />

HAE. Mit welchen Symptomen hat sich die<br />

seltene, genetische Erkrankung erstmals bei<br />

Ihnen gezeigt?<br />

Meine erste Attacke hatte ich <strong>mit</strong> 14 Jahren. Mit<br />

der Einnahme der Anti-Baby-Pille bekam ich<br />

Schwellungen im Gesicht, meine Lippe war fünfmal<br />

so dick und ich wurde sofort ins Krankenhaus<br />

gebracht. Da meine Mutter ebenfalls betroffen ist,<br />

war schnell klar, dass ich auch HAE habe. Dieses<br />

„Glück“ hat ja aber nicht jeder. Ich weiß, dass viele<br />

Betroffene von Arzt zu Arzt laufen und es teilweise<br />

Jahre dauert, bis sie eine Diagnose erhalten.<br />

Wie äußern sich Attacken?<br />

Bei mir sind es meistens Attacken in den Extre<strong>mit</strong>äten,<br />

in den Händen und Füßen. Manchmal sind<br />

auch die Unterarme und Ellenbogen betroffen.<br />

In den letzten Jahren kamen Magenattacken hinzu.<br />

Dabei schwillt der Magen an, was starke Magenkrämpfe<br />

und Erbrechen zur Folge hat.<br />

Welche Herausforderungen gibt es für Menschen<br />

<strong>mit</strong> HAE?<br />

HAE ist selten und an seltene Dinge denkt man<br />

erst, nachdem man an die häufigen Dinge gedacht<br />

hat. Das ist aber nicht das eigentliche<br />

Problem, denn das geht vielen Patienten <strong>mit</strong><br />

vielen verschiedenen <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

so. Nun kommt beim Hereditären Angioödem<br />

dazu, dass die Ausprägung ganz unterschiedlich<br />

sein kann. Es gibt also Patienten, die haben<br />

vornehmlich oder ausschließlich Schwellungen<br />

im Bauchraum. Das ist etwas ganz anderes als die<br />

Lage bei Patienten, bei denen vornehmlich die<br />

Hände schwellen oder die Lippe oder die Augen.<br />

Die gehen vielleicht auch zu ganz unterschiedlichen<br />

Ärzten. Der erste Patient geht vielleicht<br />

zu einem Gastroenterologen, weil er zu Recht<br />

denkt, da ist irgendetwas nicht richtig <strong>mit</strong> dem<br />

Verdauungstrakt, und der nächste geht vielleicht<br />

zu einem Allergologen, weil er denkt, irgendwas<br />

ist doch da, was mich andauernd anschwellen<br />

Die Attacken machen das <strong>Leben</strong><br />

weniger planbar und können<br />

theoretisch auch lebensbedrohlich<br />

werden. Persönlich habe ich<br />

mich aber nie wirklich eingeschränkt gefühlt.<br />

Durch meine familiäre Vorbelastung bin ich<br />

früh von Experten betreut worden, die sich gut<br />

<strong>mit</strong> HAE auskannten. Ich hatte immer meine<br />

Akutmedikation dabei und konnte ein relativ<br />

normales <strong>Leben</strong> führen. Aber als ich in eine andere<br />

Stadt gezogen bin, habe ich auch anderes<br />

erlebt. Da musste ich den Ärzten erklären, was<br />

HAE ist und auch, dass manche Therapievorschläge<br />

nicht helfen, beispielsweise Kortison.<br />

Wie werden Sie therapiert?<br />

Anfangs hatte ich eine Akuttherapie. Immer<br />

wenn ich eine Attacke hatte, bekam ich eine<br />

Spritze, intravenös. Später bin ich auf ein subkutanes<br />

Mittel gewechselt. Immer wenn ich eine<br />

Attacke hatte, habe ich mich subkutan gespritzt.<br />

Wie offen gehen Sie <strong>mit</strong> der Erkrankung um?<br />

Eigentlich sehr offen. Sowohl mein Arbeitgeber<br />

als auch alle meine Freunde wissen Bescheid.<br />

Fotos: privat<br />

Schwellungen, beispielsweise<br />

an der Hand, sind ja auch<br />

nicht zu übersehen. Natürlich<br />

ist es mir auch etwas unangenehm,<br />

weil es nicht schön aussieht, wenn man<br />

eine dicke Ballonhand hat. Wenn jemand Außenstehendes<br />

fragt, was das ist, beantworte ich immer<br />

gern jede Frage dazu. Mir ist es wichtig, über<br />

HAE aufzuklären.<br />

Gibt es Situationen, in denen Sie sich eingeschränkt<br />

fühlen?<br />

HAE schränkt mich eigentlich gar nicht ein.<br />

Durch meine Therapie kann ich ein normales <strong>Leben</strong><br />

führen. Das Wichtigste ist, dass Betroffene<br />

schnell eine Diagnose erhalten. Denn wenn die<br />

Diagnose einmal steht, ist die Herausforderung<br />

eher eine organisatorische. Ich nehme inzwischen<br />

regelmäßig ein Medikament als Kapsel<br />

zur Prophylaxe, habe aber vorsichtshalber auch<br />

immer meine Akutmedikation dabei. Aber davon<br />

abgesehen mache ich alles, was Nichtbetrof-<br />

.<br />

fene auch können: Ich habe studiert, ich arbeite,<br />

mache Sport, gehe feiern, fahre in den Urlaub<br />

und plane meine Zukunft.<br />

Was macht die Diagnose HAE oft so schwierig?<br />

Prof. Dr. Marcus Maurer<br />

Angioödem-Referenz- und Exzellenzzentrum,<br />

Charité Berlin<br />

Foto: Charité-IFA<br />

lässt, und so ist diese unterschiedliche klinische<br />

Abbildung der Erkrankung ganz häufig<br />

ein Grund dafür, dass sie erst spät erkannt wird.<br />

Beim Hereditären Angioödem haben wir als<br />

Diagnostiker den Vorteil, dass es eine familiäre<br />

Erkrankung ist. Dass wir also die Frage stellen<br />

können, gibt es da noch andere Menschen in<br />

der Familie, die ein ähnliches Beschwerdebild<br />

haben, und wenn die Antwort Ja ist, dann muss<br />

uns das an HAE denken lassen. Aber wenn die<br />

Antwort Nein ist, muss ich trotzdem weiter<br />

daran denken, weil es sein kann – und das ist<br />

für das Hereditäre Angioödem relativ speziell<br />

–, dass dies ein Patient ist, der die Mutation<br />

erworben hat im Sinne von spontan erworben,<br />

ohne dass jemand früher in der Familie das<br />

auch schon gehabt hat. Das sind die Herausforderungen,<br />

wenn es um die Diagnostik des HAE<br />

geht..


Initiative<br />

Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Erkrankungen</strong> HAEllo zum <strong>Leben</strong> – eine Initiative der brauchen<br />

BioCryst Pharma Deutschland GmbH<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.haellozumleben.de sowie auf<br />

besondere Facebook und Instagram @haellozumleben Unterstützung<br />

Gastbeitrag<br />

Plötzliche Schwellungen im<br />

Gesicht, im Hals, an den<br />

Gliedmaßen oder kolikartige<br />

Bauchkrämpfe – bei solchen<br />

Symptomen, die oft als <strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>telunverträglichkeit,<br />

Allergie oder Blinddarmentzündung fehlgedeutet<br />

werden, kann die seltene Erkrankung<br />

Hereditäres Angioödem (engl. hereditary angioedema,<br />

kurz: HAE) dahinterstecken.<br />

HAE ist eine chronische<br />

genetische Erkrankung<br />

und gekennzeichnet<br />

durch wiederkehrende,<br />

attackenartige Schwellungen<br />

verschiedener<br />

Körperteile und Organe.<br />

Sag<br />

wieder<br />

„HAEllo“<br />

zum <strong>Leben</strong>!<br />

Approval-Nr. DE.HAE.00089<br />

Stand 02/2023<br />

Schätzungsweise leben in<br />

Deutschland etwa 1600<br />

Menschen <strong>mit</strong> einem<br />

diagnostizierten HAE, vermutlich<br />

gibt es aber mehr<br />

Betroffene, die (noch) keine<br />

Diagnose haben: Da<br />

die Erkrankung so selten<br />

ist, kann es für Betroffene<br />

schwierig sein, eine Ärztin<br />

oder einen Arzt zu finden,<br />

die oder der die Symptome<br />

richtig deutet. Oft<br />

vergehen Jahre bis zur gesicherten<br />

Diagnose, Arzt-<br />

Odyssee bei verschiedenen<br />

Fachrichtungen von Dermatologie über<br />

Allergologie bis HNO inklusive. Wichtig ist<br />

daher, sich bei unklarer Diagnose rechtzeitig<br />

an ein Zentrum für Seltene <strong>Erkrankungen</strong><br />

oder ein HAE-Zentrum überweisen zu lassen.<br />

Denn <strong>mit</strong> dem passenden medikamentösen<br />

Management ist <strong>mit</strong> HAE ein nahezu<br />

normales <strong>Leben</strong> möglich.<br />

HAE findet auch im Kopf statt<br />

Nicht zu wissen, wann die nächste Attacke<br />

kommt, kann es für Betroffene zum einen<br />

schwierig machen, ihr <strong>Leben</strong> zu planen.<br />

Zum anderen kann die ständige Sorge viel<br />

Raum im Kopf einnehmen. Beides kann die<br />

<strong>Leben</strong>squalität erheblich mindern. Für ein<br />

gutes <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> HAE ist daher nicht nur die<br />

Kontrolle der Krankheit wichtig, sondern<br />

auch, einen guten Umgang <strong>mit</strong> den Belastungen<br />

zu finden. Denn HAE findet auch<br />

Nicht zu wissen,<br />

wann die nächste<br />

Attacke kommt,<br />

kann es für<br />

Betroffene zum<br />

einen schwierig<br />

machen, ihr<br />

<strong>Leben</strong> zu planen.<br />

Zum anderen<br />

kann die ständige<br />

Sorge viel<br />

Raum im Kopf<br />

einnehmen.<br />

im Kopf statt. Ständig kreisen Fragen: Wie<br />

lässt sich die Erkrankung gut kontrollieren<br />

und das <strong>Leben</strong> so planen, wie ich es mir vorstelle?<br />

Kann ich eine Ausbildung machen,<br />

studieren, das tolle Jobangebot annehmen?<br />

Kann ich meinen Familienalltag organisieren,<br />

unbeschwert <strong>mit</strong> Freunden ausgehen,<br />

Hobbys nachgehen, in den Urlaub fahren?<br />

Was muss ich beachten, wenn ich eine Familie<br />

gründen will? Wie schaffe ich es, weiter<br />

mutig zu sein?<br />

Wieder „HAEllo“ zum<br />

<strong>Leben</strong> sagen können<br />

Hier setzt die Initiative<br />

„HAEllo zum <strong>Leben</strong>“ an:<br />

Über Informationen zur<br />

Erkrankung und ihrem<br />

Management, wie etwa<br />

den Behandlungsempfehlungen<br />

der aktuellen<br />

Leitlinie, Aktionswochen<br />

und digitalen Expertensprechstunden<br />

sollen<br />

Menschen <strong>mit</strong> HAE zum<br />

einen ermutigt werden,<br />

sich bei ihrem Arzt nach<br />

einem wirksamen HAE-<br />

Management zu erkundigen.<br />

Zum anderen sollen<br />

sie darin bestärkt werden,<br />

dass ein selbstbestimmtes,<br />

gutes <strong>Leben</strong> auch <strong>mit</strong><br />

dieser Erkrankung möglich<br />

ist.<br />

Servicematerialien und Tipps gibt es etwa zu<br />

diesen Themen:<br />

• Trigger, die Attacken auslösen können<br />

• Selbstbewusst im Arztgespräch<br />

• Reiseplanung inklusive Checkliste<br />

• Selbstachtsamkeit<br />

• Entspannungstechniken<br />

• Tipps für mehr Selbstbewusstsein<br />

• Anlaufstellen<br />

Da es für Menschen <strong>mit</strong> einer <strong>seltenen</strong> chronischen<br />

Erkrankung wie HAE beruhigend<br />

sein kann, zu wissen, dass sie nicht allein<br />

sind und auch andere die gleichen Fragen<br />

haben, soll ausdrücklich, gerade auf Social<br />

Media, der Austausch Betroffener untereinander<br />

gefördert werden – stets <strong>mit</strong> dem<br />

Ziel, wieder „HAEllo“ zum <strong>Leben</strong> sagen zu<br />

können. .<br />

HAELLO<br />

zum <strong>Leben</strong>!<br />

Allergie?<br />

Darmerkrankung?<br />

Insektenstich?<br />

Plötzliche Schwellungen im<br />

Gesicht, im Hals, an den Gliedmaßen<br />

und Bauchschmerzattacken<br />

können die seltene<br />

Erkrankung Hereditäres<br />

Angioödem (HAE) sein.<br />

Du weiß nicht, ob du HAE<br />

hast? Du hast schon eine<br />

Diagnose und fragst dich,<br />

wie es jetzt weitergeht?<br />

Informiere dich bei<br />

der Patienteninitiative<br />

„HAEllo zum <strong>Leben</strong>“!<br />

Dort findest du<br />

• hilfreiche Tipps für ein<br />

gutes <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> HAE<br />

• Patienten-Insights<br />

• Anlaufstellen<br />

• und vieles mehr<br />

HAEllo zum <strong>Leben</strong> – eine Initiative der<br />

BioCryst Pharma Deutschland GmbH<br />

Sag<br />

wieder<br />

„HAEllo“<br />

zum <strong>Leben</strong>!<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.haellozumleben.de sowie auf<br />

Facebook und Instagram @haellozumleben<br />

Approval-Nr. DE.HAE.00089<br />

DE.HAE.00096,<br />

Stand 02/2023Stand 03/2023


24<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong><br />

Hier finden<br />

Betroffene Hilfe<br />

M<br />

anche <strong>Erkrankungen</strong> sind<br />

so selten, dass sie bislang<br />

nicht einmal beschrieben<br />

sind. Andere sind zwar<br />

beschrieben, bekannt<br />

aber sind sie nicht – schon<br />

gar nicht jedem Arzt. Menschen, die eine seltene<br />

Erkrankung haben oder haben könnten,<br />

fühlen sich daher oft alleingelassen und hilflos.<br />

Um diese Situation zu verbessern, wurden in<br />

Europa seit 2010 nationale Aktionspläne entwickelt.<br />

Der deutsche Nationale Aktionsplan<br />

für Menschen <strong>mit</strong> Seltenen <strong>Erkrankungen</strong><br />

(NAMSE) benannte als zentrale Maßnahme<br />

die Einrichtung von Zentren für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong>. 36 solcher „A-Zentren“, zumeist<br />

an Universitätskliniken angesiedelt, sind seitdem<br />

in Deutschland entstanden.<br />

Die Zentren erfüllen zwei wichtige<br />

Aufgaben:<br />

1<br />

Für Menschen, die bislang keine<br />

gesicherte Diagnose erhalten<br />

haben, werden Fallkonferenzen<br />

unter Einbindung verschiedener<br />

Fachrichtungen organisiert, die<br />

über weitere Schritte in der Diagnostik<br />

entscheiden. Sollten hierfür genetische<br />

Untersuchungen oder andere, nicht in der<br />

Routine verfügbare Methoden nötig sein, kann<br />

dies vom Zentrum eingeleitet werden.<br />

2<br />

Wurde eine Diagnose gestellt, die<br />

einer besonderen Expertise für<br />

weitere Diagnostik und Therapie<br />

bedarf, gibt es unter dem Dach<br />

eines jeden Zentrums mindestens<br />

fünf „NAMSE Zentren Typ B“: Diese<br />

verfügen über spezielles Fachwissen zu einzelnen<br />

<strong>seltenen</strong> Krankheitsbildern.<br />

Die Zentren sind über die ganze Bundesrepublik<br />

verteilt, sodass eine gute Erreichbarkeit<br />

gegeben ist. Die standortübergreifende Zusammenarbeit<br />

in einem Netzwerk stellt sicher,<br />

dass die notwendige Expertise allen Patienten<br />

Was Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> leisten<br />

können, wenn es keine sichere Diagnose gibt<br />

oder Experten gebraucht werden<br />

ortsunabhängig zugänglich ist. Auch international<br />

ermöglicht dies die Einbindung in<br />

Europäische Referenznetzwerke für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong> (ERN). Sollte eine persönliche<br />

Vorstellung notwendig sein, werden den Patienten<br />

konkrete Ansprechpartner empfohlen.<br />

Die belastenden, oft einer Odyssee gleichenden<br />

Reisen zu verschiedenen Einrichtungen<br />

fallen weg.<br />

In jedem Zentrum arbeitet ein „Lotse“ oder<br />

eine „Lotsin“. Diese legen nach der Kontaktaufnahme<br />

durch die Patienten selbst oder deren<br />

behandelnde Ärzte auf Basis der bereits vorliegenden<br />

Befunde und im Austausch <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Fachleuten zeitnah die nächsten<br />

wichtigen Schritte fest.<br />

Diese Arbeitsweise der Zentren wurde in einem<br />

Projekt – TRANSLATE NAMSE, gefördert<br />

durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen<br />

Bundesausschusses – von 2017 bis 2020<br />

erprobt und positiv bewertet: Denn bei etwa<br />

einem Drittel der Patienten, die zuvor mehrere<br />

Jahre ohne Diagnose geblieben waren, konnte<br />

<strong>mit</strong> interdisziplinärer Zusammenarbeit, dem<br />

Einsatz von Lotsinnen und Lotsen sowie moderner<br />

Diagnostik eine gesicherte Diagnose<br />

gestellt werden. Zudem wurden neue, bis<br />

dahin unbekannte <strong>Erkrankungen</strong> erkannt.<br />

Da<strong>mit</strong> für Patienten und Akteure des Gesundheitswesens<br />

erkennbar ist, dass ein Zentrum<br />

diese Leistungen verlässlich erbringt, wurde<br />

eine Begutachtung entwickelt. Acht Zentren<br />

haben diesen Prozess bislang erfolgreich<br />

durchlaufen.<br />

Um Betroffene zudem untereinander zu vernetzen,<br />

arbeiten die Zentren eng <strong>mit</strong> Selbsthilfeorganisationen<br />

zusammen. Diese haben<br />

sich in Deutschland unter dem Dach der<br />

Allianz Chronischer Seltener <strong>Erkrankungen</strong><br />

(ACHSE) e. V. zusammengeschlossen. Da<br />

es jedoch insbesondere bei ultra<strong>seltenen</strong><br />

<strong>Erkrankungen</strong> nicht immer Selbsthilfegruppen<br />

gibt, wird derzeit auf Initiative der Eva Luise<br />

und Horst Köhler Stiftung ein Nationales<br />

Register für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> (NARSE)<br />

etabliert. Es wird einen Überblick über die<br />

Gruppen der Patienten in Deutschland geben<br />

und ihnen ermöglichen, <strong>mit</strong>einander in Kontakt<br />

zu treten.<br />

Leider zeigt sich immer wieder, dass die Zentren<br />

für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> und ihre Angebote<br />

bei vielen niedergelassenen Ärzten<br />

nicht ausreichend bekannt sind. Sprechen Sie<br />

gerne <strong>mit</strong> Ihrem behandelnden Arzt darüber!<br />

Denn falls Sie, Ihr Kind, Angehörige oder<br />

Bekannte eine bislang nicht erkannte seltene<br />

Erkrankung haben oder Expertise für eine<br />

solche suchen, so sind die Zentren für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong> die richtige Adresse..<br />

Redaktion<br />

Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich,<br />

Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und<br />

Horst Köhler Stiftung für Menschen <strong>mit</strong><br />

Seltenen <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

se-atlas<br />

Die webbasierte Informationsplattform<br />

se-atlas bietet einen Überblick über die 36<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> sowie<br />

Selbsthilfeorganisationen in Deutschland.<br />

Das Informationsangebot richtet sich an<br />

Betroffene, Angehörige, Ärzte, nicht medizinisches<br />

Personal sowie alle Interessierten.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.se-atlas.de


25<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 25<br />

Forschung, Expertise<br />

und Vernetzung<br />

Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> werden optimalerweise durch spezialisierte Zentren betreut,<br />

an denen auch die Fort- und Weiterbildung sowie Forschung zum jeweiligen Krankheitsbild<br />

stattfindet. Lesen Sie hier, welche Wege das UniversitätsCentrum für Seltene <strong>Erkrankungen</strong><br />

(USE) in Dresden geht, um Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> bestmöglich zu versorgen.<br />

Herr Prof. Berner, noch immer dauert es häufig<br />

lange, bis Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

eine Diagnose sowie eine adäquate Behandlung<br />

erhalten. Welche Rolle spielen in diesem<br />

Kontext die Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong>?<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> sind Ansprechpartner<br />

für Ärzte und Patienten <strong>mit</strong> unklaren<br />

<strong>Erkrankungen</strong>, bei denen der begründete<br />

Verdacht auf eine seltene Erkrankung besteht.<br />

Diese Zentren versuchen, für diese Patienten den<br />

Weg zu Experten bzw. den entsprechenden Fachzentren<br />

zu ebnen oder aber, wenn es gänzlich<br />

unklar ist, in interdisziplinären Fallkonferenzen<br />

<strong>mit</strong> Experten aus vielen verschiedenen Fachgebieten<br />

nach dem bestmöglichen Weg zur Diagnosefindung<br />

zu suchen.<br />

Was macht die Zentren aus und welche Hilfe<br />

können sie Betroffenen geben?<br />

Das Ziel der Versorgung von Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Erkrankungen</strong> ist es, ihnen trotz und <strong>mit</strong><br />

ihrer Erkrankung ein möglichst beschwerdefreies<br />

<strong>Leben</strong> zu ermöglichen. Deshalb bedürfen sie einer<br />

besonders zeitintensiven ärztlichen Zuwendung<br />

und oft einer aufwendigen Spezialdiagnostik.<br />

Denn seltene <strong>Erkrankungen</strong> weisen einige<br />

Besonderheiten auf: Dazu zählen vordringlich<br />

die geringe Anzahl an Betroffenen <strong>mit</strong> einer bestimmten<br />

<strong>seltenen</strong> Erkrankung und die weit über<br />

das ganze Land gestreute Verteilung der Betroffenen,<br />

was nicht nur die ärztliche Versorgung, sondern<br />

auch wissenschaftliche Untersuchungen<br />

– etwa in Form von Studien – erschwert. Darüber<br />

hinaus gibt es meist nur eine geringe Anzahl von<br />

Experten, die Menschen <strong>mit</strong> der jeweiligen <strong>seltenen</strong><br />

Erkrankung versorgen und die Erkrankung<br />

weiter erforschen können. Auch sind die Wege<br />

zu guten Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten<br />

nicht immer auf Anhieb ersichtlich.<br />

Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen sich<br />

<strong>mit</strong> ihrer Erkrankung alleingelassen fühlen und<br />

die Diagnose erst deutlich verzögert gestellt wird.<br />

Zentren leisten hier wichtige Unterstützung. Sie<br />

bündeln Expertise und vernetzen Betroffene <strong>mit</strong><br />

behandelnden Ärzten.<br />

Vernetzung ist ein gutes Stichwort. Warum ist<br />

das wichtig?<br />

Um Menschen flächendeckend und unabhängig<br />

vom Krankheitsbild zu versorgen, wurden<br />

vor allem an den deutschen Uniklinika in den<br />

vergangenen Jahren entsprechende Zentrumsstrukturen<br />

aufgebaut und bundesweite Netz-<br />

Prof. Dr. med. Reinhard Berner<br />

Direktor der Klinik und Poliklinik<br />

für Kinder- und Jugendmedizin<br />

an der Uniklinik und Sprecher<br />

des USE Dresden<br />

Dr. Nina-Christine Knopf<br />

Fachärztin für Kinderrheumatologie<br />

und Clinician Scientist<br />

am USE Dresden<br />

werke geschaffen. Das Dresdner Uniklinikum<br />

hat im November 2014 das USE gegründet. Als<br />

sogenanntes A-Zentrum nach den Empfehlungen<br />

des Nationalen Aktionsplans für Menschen<br />

<strong>mit</strong> Seltenen <strong>Erkrankungen</strong> (NAMSE) erfüllt das<br />

USE koordinierende und krankheitsübergreifende<br />

Aufgaben. Entscheidend für den Erfolg ist das<br />

Zusammenwirken vieler Experten in interdisziplinären<br />

Fallkonferenzen, wie es nur in einer solchen<br />

Struktur vorgehalten werden kann. Dabei<br />

hat jedes Zentrum, neben seiner zuvor beschriebenen<br />

koordinierenden Funktion, auch inhaltliche<br />

Schwerpunkte. Am USE in Dresden sind<br />

dies insbesondere <strong>Erkrankungen</strong> des Immunsystems<br />

und des Blutes, neurologische und<br />

neuropsychiatrische <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

Seltene <strong>Erkrankungen</strong> betreffen in acht von<br />

zehn Fällen Kinder und Jugendliche. Ihre Teilhabe<br />

am medizinischen Fortschritt hängt<br />

daher ganz entscheidend von engagierten<br />

Kinderärzten ab, die sich dem Spagat zwischen<br />

Krankenbett und Labor stellen. Frau Dr.<br />

Knopf, Sie arbeiten als Clinician Scientist und<br />

haben den Fokus seltene <strong>Erkrankungen</strong>. Wie<br />

kam es dazu?<br />

Als Kinderrheumatologin lag mein Schwerpunkt<br />

auf den autoinflammatorischen <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

So kam ich rasch in Berührung <strong>mit</strong> den<br />

<strong>Erkrankungen</strong> der Immundysregulation und der<br />

Immundefizienz, welche mein Interesse an der<br />

Immunologie geweckt haben. Störungen des<br />

Immunsystems können sich dabei ganz unterschiedlich<br />

manifestieren. Jeder einzelne Immundefekt<br />

ist dabei sehr selten. In der Immunologie<br />

arbeite ich daher nun <strong>mit</strong> den verschiedenen<br />

Fachdisziplinen zusammen. Dabei besteht eine<br />

enge Verbindung zwischen der klinischen Arbeit<br />

und der Forschung.<br />

Woran arbeiten Sie momentan und was möchten<br />

Sie erreichen?<br />

Mein Forschungsschwerpunkt liegt bei den autoinflammatorischen<br />

<strong>Erkrankungen</strong>. Aktuell leite<br />

ich eine Studie zum besseren Verständnis von<br />

Fieberschüben unklarer Genese des Kleinkindesalters<br />

– auch als SURF (Syndrom des undifferenzierten<br />

rekurrierenden Fiebers) bezeichnet.<br />

Aus Einzelzell-Genexpressionsdaten – zum<br />

Zeitpunkt des Krankheitsschubes bzw. im freien<br />

Intervall – möchten wir amplifizierte Signalwege<br />

erkennen und perspektivisch Biomarker identifizieren.<br />

Ich hoffe sehr, dass wir <strong>mit</strong> diesem<br />

Projekt zur Aufklärung dieser <strong>seltenen</strong> Endotypen<br />

beitragen und perspektivisch den Kindern<br />

schneller eine zielgerichtete Therapie anbieten<br />

können.<br />

Warum ist die Forschung bei <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

entscheidend?<br />

Als Kliniker beschäftigen wir uns kontinuierlich<br />

<strong>mit</strong> neuen Krankheitsentitäten des Immunsystems.<br />

Jährlich werden sowohl neue krankheitsverursachende<br />

Genvarianten entdeckt als auch<br />

neue klinische Phänotypen beschrieben. Ein<br />

besseres pathophysiologisches Verständnis ist<br />

Voraussetzung für die optimale Versorgung und<br />

bestmögliche Therapie unserer Patienten..<br />

Redaktion Leonie Zell


26<br />

F<br />

ür Menschen <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> ist ihr Leiden eine<br />

große Belastung. Eine Standardtherapie, die zur Krankheit<br />

passt, existiert oft nicht. Etablierte Medikamente, wie das Antibiotikum<br />

bei bakteriellen Infekten, gibt es nicht. Für Betroffene<br />

wird die Erkrankung da<strong>mit</strong> vielleicht als persönliches Schicksal<br />

empfunden. Nach meiner Überzeugung braucht es genau<br />

deshalb personalisierte Ansätze schon in der Erforschung von Krankheiten.<br />

Der personalisierten Medizin kommt hier eine Schlüsselrolle zu.<br />

Der Freistaat Sachsen ist seit 2017 Partner in einer Europäischen Förderpartnerschaft<br />

für personalisierte Medizin. Diese Zusammenarbeit ist gerade<br />

bei der weiteren Erforschung seltener Krankheiten wichtig. In diesen<br />

Netzwerken wird der Austausch und da<strong>mit</strong> der Wissenstransfer verbessert.<br />

Länderübergreifende Forschungsprojekte, die sich <strong>mit</strong> neuen Therapien,<br />

Medikamenten oder Anwendungen beschäftigen, generieren weitere<br />

Erkenntnisse über seltene Krankheiten, die Betroffenen Hilfestellung geben<br />

und da<strong>mit</strong> deren <strong>Leben</strong>squalität verbessern. Derzeit bereitet das Sächsische<br />

Wissenschaftsministerium <strong>mit</strong> seinen europäischen und internationalen<br />

Förderpartnern einen EU-Antrag für eine Folgepartnerschaft im Bereich<br />

personalisierte Medizin vor, um den Rahmen der Forschungszusammenarbeit<br />

für die nächsten zehn Jahre strategisch weiterzuentwickeln. Die EU<br />

Forschung<br />

Sebastian Gemkow<br />

„Forschung zu personalisierter Medizin<br />

hilft Betroffenen seltener <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

Netzwerke bringen Erkenntnisse<br />

zusammen, aus denen neue Ansätze für<br />

Behandlungen entstehen.“<br />

Gastbeitrag des sächsischen Wissenschaftsministers Sebastian Gemkow<br />

sowie Partnerstaaten und -regionen investieren bis 2030 fast 300 Millionen<br />

Euro in die weitere Entwicklung der personalisierten Medizin, wovon auch<br />

die Forschung im Bereich der <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong> profitieren wird.<br />

Dieser wichtige Teil der <strong>Leben</strong>swissenschaften ist auch Bestandteil der Weiterentwicklung<br />

des Wissenschaftslandes Sachsen insgesamt, die das Sächsische<br />

Wissenschaftsministerium unter dem Titel SPIN2030 unterstützen<br />

und vorantreiben will. Ziel ist auch hier, die exzellente Forschung noch mehr<br />

in neues Wissen und Anwendungen zu überführen und da<strong>mit</strong> auch den<br />

medizinischen Fortschritt zur Behandlung seltener <strong>Erkrankungen</strong> zu unterstützen.<br />

Schon jetzt gibt es gute Beispiele dafür: Gemeinsam <strong>mit</strong> Forschungspartnern<br />

aus Polen, Brasilien und der Schweiz entwickeln etwa die TU<br />

Dresden und das Fraunhofer IKTS Dresden eine Membran zur kontrollierten<br />

Knochen- und Geweberegeneration. Diese kann auch zur Heilung<br />

seltener knöcherner Defekte eingesetzt werden. Dieses Projekt steht exemplarisch<br />

für die Herangehensweise, die Sachsen in der Forschung verfolgt<br />

und die gerade auch <strong>mit</strong> Blick auf Forschung zu <strong>seltenen</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />

vielversprechend ist. .


27<br />

Mehr auf www.leben<strong>mit</strong>.de | 27<br />

youtube.com/@spin-2030<br />

instagram.com/spin_2030<br />

facebook.com/spin2030agenda<br />

linkedin.com/company/spin-2030<br />

Alle Details sowie Videos und<br />

Bilder der Auftaktveranstaltung zu<br />

SPIN2030 finden Sie auf<br />

SPIN2030.com<br />

I<br />

n den kommenden Jahren wird die sächsische Wissenschaftslandschaft<br />

die nächsten großen Entwicklungsschritte machen.<br />

Mit der Agenda SPIN2030 unterstützt das Sächsische<br />

Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus<br />

(SMWK) die Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

auf diesem Weg. Wir stellen jetzt die Weichen für die strategische<br />

Weiterentwicklung im Freistaat Sachsen in Forschung und<br />

Lehre bis 2030.<br />

Sachsen ist seit jeher Schrittmacher und Impulsgeber für wissenschaftliche<br />

Innovationen. Mit Blick auf das Jahr 2030 und darüber<br />

hinaus stehen wir heute vor immensen Herausforderungen. Uns<br />

beschäftigen Themen wie künstliche Intelligenz, Robotik, Krebsforschung<br />

und Mikroelektronik genauso wie Nachhaltigkeit.<br />

Was ist SPIN2030?<br />

Das sind Sachsens Hochschulen und Forschungseinrichtungen <strong>mit</strong><br />

klugen Köpfen, die <strong>mit</strong> Dynamik und Kreativität unterwegs sind zu<br />

neuen wissenschaftlichen Durchbrüchen, die unsere Welt verändern<br />

werden. Es sind zudem unsere Studenten, die nächste Generation<br />

an Wissenschaftlern und auch künftige Fachkräfte für die Unternehmen.<br />

Sachsen stellt jetzt die entscheidenden Weichen und investiert in den<br />

nächsten Jahren gezielt:<br />

• 2,3 Milliarden Euro für die Hochschulen<br />

• 788 Millionen Euro für die Forschungseinrichtungen<br />

• 573 Millionen Euro für die Universitätskliniken<br />

• 632 Millionen Euro für Modernisierung und Bau<br />

Insgesamt werden bis 2025 mehr als vier Milliarden Euro bereitgestellt. Bis<br />

zum Jahr 2030 werden mindestens 17 Milliarden Euro in die sächsische<br />

Wissenschaftslandschaft investiert. Da<strong>mit</strong> kann Sachsens Spitzenposition<br />

in der Forschung langfristig gesichert und ausgebaut werden. Gleichzeitig<br />

werden klare Schwerpunkte gesetzt unter anderem in den Feldern:<br />

• Robotik und Mensch-Maschinen-Interaktion<br />

• Biotechnologie und Genetik<br />

• Pharmazie und Gesundheitsforschung<br />

• Energie-, Wasserstoff- und Kreislaufforschung<br />

• Künstliche Intelligenz und Quantencomputing<br />

• Mikroelektronik und Halbleitertechnologien<br />

• Materialforschung und Leichtbau<br />

Begleitet werden die Forschungsfelder von strategischen Kooperationen<br />

und Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft..


28<br />

PTC1804KK098<br />

Hinter einer Entwicklungsverzögerung<br />

bei Jungen kann mehr stecken.<br />

Könnte es Duchenne Muskeldystrophie sein?<br />

Mehr erfahren: www.hinterherstattvolldabei.de

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