Energiekrise in der Lebensmittelbranche:Warum die Hofpfisterei weniger Brotsorten backt

Energiekrise in der Lebensmittelbranche: Hofpfisterei-Chefin Nicole Stocker fordert, die Lebensmittelbranche wieder zur kritischen Infrastruktur zu zählen.

Hofpfisterei-Chefin Nicole Stocker fordert, die Lebensmittelbranche wieder zur kritischen Infrastruktur zu zählen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Hofpfisterei verkleinert ihr Sortiment, um Gas zu sparen. Chefin Nicole Stocker erklärt, warum bei einem Lieferstopp der Bäckerei als erstes der Hahn abgedreht wird und was man im Notfall noch beim Bäcker kaufen könnte.

Interview von Konstantin Rek

Die Hofpfisterei reagiert auf die Energiekrise und verkleinert ihr Sortiment, um Gas zu sparen. Die Chefin der Bäckerei mit 1000 Mitarbeitern, Nicole Stocker, erklärt, auf welche Produkte die Kunden nun verzichten müssen und fordert ein Umdenken der Politik.

SZ: Erst musste die berühmte Brotseide für kurze Zeit weichen, dann ist das Biotraubensaftkonzentrat ausgegangen. Jetzt verkleinert die Hofpfisterei noch ihr Sortiment. Wieso?

Nicole Stocker: Die Ernährungsindustrie ist aktuell die Branche, die am meisten vom Gas abhängig ist. Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil von Gas bei der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln bei 59 Prozent. Es gibt zwar andere Sektoren, die in Summe mehr Gas verbrauchen, bei diesen ist aber die Abhängigkeit von Gas geringer. Deswegen haben wir nach Möglichkeiten gesucht, Gas zu sparen. Dabei haben wir festgestellt, dass wir bei einem verringerten Sortiment mit weniger Gas die gleiche Brotmenge backen können. Normalerweise muss man die Anlage beim Wechsel der Brotsorten erst umrüsten oder leerlaufen lassen. Das verbraucht unnötig Gas und Wärme. Deshalb haben wir absatzschwache Brote aus unserem Sortiment gestrichen. Jetzt sparen wir laut unseren Prognosen ungefähr drei Prozent. Das ist zwar nicht allzu viel, aber wir leisten unseren Beitrag.

Finanziell war dieser Schritt für die Hofpfisterei also nicht notwendig?

Nein, weil wir aktuell noch einen alten Gasvertrag haben. Wieweit die Gaspreise nach Vertragsende steigen, wissen wir jetzt noch nicht. Wir sind schon immer ein ökologisch ausgerichtetes Unternehmen und wir achten auf unsere Energieeffizienz, so dass wir nicht mehr allzu viel Einsparungspotenzial haben.

Auf was müssen die Kunden verzichten?

Wir haben bei den Broten und bei den Backwaren das Angebot reduziert. Das betrifft das "Karotte-Sesam Brot", das "Sonnenblumen-Vollkorn", das "Roggen pur", das "Ganzkorn", das "4 plus 4", das "Lichtkorn" oder das "Sprossen Brot". Dafür haben wir jetzt jeden Wochentag eine spezielle Brotsorte im Angebot. Damit wollen wir sicherstellen, dass die meisten Kunden wenigstens an einem Tag der Woche noch ihre Lieblingssorten kaufen können.

Gab es schon Reaktionen?

Vereinzelt gab es schon Beschwerden, aber die meisten haben viel Verständnis für die Kürzung. Einige finden es natürlich unschön, auf ihre Lieblingssorte verzichten zu müssen. Aber die meisten reagieren verständnisvoll.

Derzeit wird über einen möglichen Gas-Lieferstopp gesprochen. Lebensmittel gehören nicht zur kritischen Infrastruktur. Was bedeutet das für Sie?

Uns haben die Stadtwerke München im März und noch einmal diesen Montag mitgeteilt, dass wir bei einem Lieferstopp zu den ersten gehören, die kein Gas erhalten, da wir in München zu den größeren Gasabnehmern gehören. Über diese Aussage waren wir ziemlich geschockt, da wir ja Grundnahrungsmittel herstellen. Deswegen haben wir uns vorbereitet und investiert, damit wir auch weiterhin einen Beitrag zur Grundversorgung der Bevölkerung leisten können. Zwei unserer drei Ofenanlagen können wir im Ernstfall auch mit Öl betreiben. Leider erhöht das unseren CO₂-Ausstoß um 40 Prozent, ist in diesem Fall aber notwendig. Dazu haben wir zusätzlich zu unserem Notstromaggregat auch noch die Kapazitäten unserer Öltanks ausgebaut und einen alten reaktiviert. Damit könnten wir unsere Kundinnen und Kunden voraussichtlich 60 Tage ohne Gas mit Bauernbrot - wenn auch mit einem nochmals eingeschränkten Sortiment - versorgen.

So weit ist es zurzeit noch nicht, doch wie sieht für Sie die nahe Zukunft aus?

Semmeln und süße Teilchen könnten wir dann ohne Gas nicht mehr herstellen. Im absoluten Notfall braucht man eher Brot als Quarktaschen. Soweit muss es auch gar nicht kommen, aber wir wollen auf den Ernstfall vorbereitet sein. Viele fürchten schon den Winter, weil es kalt wird. Aber keiner spricht über das Essen und den Hunger. Wir produzieren ein wichtiges Grundnahrungsmittel für die Ernährung der Bevölkerung in München. Deswegen muss der Staat wie am Anfang der Pandemie Lebensmittel wieder als kritische Infrastruktur einstufen.

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