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Nachruf auf Gerd Strack Die 80. Minute

Der Fußballer Gerd Strack war ein großer Kölner, Mitglied der berühmten Weisweiler-Meistermannschaft. Sein berühmtestes Tor jedoch erzielte er für die Nationalelf.
Gerd Strack gegen die Albaner in Saarbrücken

Gerd Strack gegen die Albaner in Saarbrücken

Foto: Sven Simon/ imago images

Man muss nicht viele Länderspiele absolvieren, um bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum Held aufzusteigen. David Odonkor weiß das, ihm reichte bei der WM 2006 sogar eine einzige Flanke, damit man noch bis heute über ihn spricht. Bei Gerd Strack tat es ein Kopfball.

Es ist der 20. November 1983, Totensonntag, und die Stimmung um das DFB-Team passt sich dem November an. Der amtierende Europameister hatte ein paar Tage zuvor das EM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland völlig überraschend 0:1 verloren, der 18-jährige Norman Whiteside hatte der deutschen Elf den Garaus gemacht - und nun stand das Team von Bundestrainer Jupp Derwall vor dem letzten Qualifikationsduell gegen Albanien urplötzlich unter Druck. Nur ein Sieg würde die Teilnahme des Titelverteidigers am nächsten EM-Turnier in Frankreich sichern.

Das Länderspiel fand in Saarbrücken statt, allein das war schon ungewöhnlich und ein Liebesdienst des DFB an seinen Trainer und seinen saarländischen Präsidenten Hermann Neuberger. Derwall wohnte in der Gegend, und als der Verband das Spiel ins Saarland vergeben hatte, hatte man nicht damit gerechnet, dass die Partie noch entscheidenden Charakter haben sollte. Albanien gehörte schließlich zu denen, die man damals noch despektierlich Fußballzwerg nannte, und der Satz "Es gibt keine Kleinen mehr" war noch nicht in der Welt.

Derwall damals schon massiv unter Druck

In der Öffentlichkeit hatte Derwall in seinem nun fünften Jahr als Cheftrainer schon die meisten Sympathien eingebüßt, nach dem Nordirlandspiel galt er als angezählt, die Pressekonferenz vor der Partie boykottierte er und schickte lediglich Pressechef Rainer Holzschuh aufs Podium. Derwall gab in der Zwischenzeit lieber dem Tölzer Knabenchor im Teamhotel Autogramme.

Für das Spiel beorderte Derwall den Kölner Gerd Strack in die Startelf, es war erst dessen zehntes Länderspiel, und zumindest damit sollte der unglückliche Bundestrainer eine glückliche Hand beweisen. Strack war damals schon 28 Jahre alt, ein hochdekorierter Bundesliga-Routinier. Seit 1974 trug er das Trikot des 1. FC Köln, das lag nahe, er stammte aus Kerpen, der Michael-Schumacher-Stadt, damals rekrutierten die Erstligisten ihre Spieler noch aus dem Umland.

Meisterspieler Roland Gerber, Toni Schumacher, Gerd Strack - Namen fürs Kölner Stadtmuseum

Meisterspieler Roland Gerber, Toni Schumacher, Gerd Strack - Namen fürs Kölner Stadtmuseum

Foto: imago sportfotodienst

1983 hatte Strack mit dem FC schon so gut wie alles gewonnen, er gehörte der berühmten Weisweiler-Elf an, die 1978 in dem unvergessenen Wettschießen mit Borussia Mönchengladbach am letzten Spieltag die Meisterschaft errang und zuvor auch noch den DFB-Pokal holte. Hannes Löhr, Dieter Müller, Heinz Flohe, Roger van Gool, Toni Schumacher, Harald Konopka, Herbert Zimmermann, Heinz Simmet, Yasuhiko Okudera - jeder Fußballfan von damals kann diese Namen noch herunterrattern.

Später kamen noch Pierre Littbarski, Tony Woodcock und Bernd Schuster hinzu. Auch wenn der FC danach - und übrigens bis heute - nie mehr Meister werden sollte, es war auch nach 1978 eine große Mannschaft: 1980 siegte der FC 4:0 im Europapokal beim FC Barcelona, Strack machte das Führungstor, 4:0 in Camp Nou, das muss man sich einmal vorstellen. Am Ende hatte Strack 261 Ligaspiele für den FC absolviert, er hatte unter Weisweiler und Rinus Michels trainiert, viel mehr kann man als Vereinsprofi nicht wollen.

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Das alles lag schon mehr oder weniger hinter ihm an diesem trüben Novembertag 1983, in dem die Nationalmannschaft über den Acker von Saarbrücken stolperte und auch zehn Minuten vor dem Ende immer noch über ein 1:1 nicht hinaus gekommen war. Die Angriffe der Derwall-Elf ähnelten mittlerweile eher Verzweiflungsaktionen, da half auch nicht, dass die Mannschaft fast die gesamte zweite Hälfte nach einer Roten Karte für die Gegner in Überzahl war. Das schienen die letzten zehn Minuten in der Bundestrainer-Karriere von Jupp Derwall zu werden, ein Scheitern in der Qualifikation nach dem furchtbaren WM-Auftritt ein Jahr zuvor in Spanien - das wäre zu viel gewesen.

"Strack! Das ist es"

In der 80. Minute löffelte der Stuttgarter Bernd Förster, bis dahin nicht als Flankengott bekannt, einen Ball hoch in den albanischen Strafraum, Libero Strack, den es längst nicht mehr hinten gehalten hatte, bekam seinen Wuschelkopf an den Ball, der rauschte ins Netz, und ZDF-Livekommentator Wolfram Esser stieß einen Erleichterungsschrei aus: "Strack! Das ist es!"

Das war es. Deutschland war mit dem 2:1 für die EM qualifiziert und durfte 1984 nach Frankreich reisen. In Saarbrücken wurde danach nur noch ein A-Länderspiel ausgetragen, und als Dank für Stracks Rettungstat setzte Derwall den Kölner bei der EM keine Minute ein, aber auch für Derwall war seine Reise nach dem Vorrunden-Aus bei der EM beendet. Unter Derwall-Nachfolger Franz Beckenbauer wurde Strack dann nicht mehr aufgestellt.

Mit 64 Jahren ist Gerd Strack an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. In Köln und in Saarbrücken wird man ihn in Ehren halten.

In einer früheren Version des Textes hieß es, Strack habe 1978 erst die Meisterschaft und danach den Pokal gewonnen. Es war jedoch zeitlich anders herum. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.