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Von der Ausnahme zur Regel

Schon im vergangenen Jahr durfte Ellen Fokkema als erste Frau in einer ersten Männermannschaft spielen - mit einer Sondergenehmigung. Die braucht sie nun nicht mehr. Denn der niederländische Verband hat eine historische Entscheidung getroffen.

Foto: IMAGO

Pilotprojekte laufen nicht immer gut. Da gab es Wasserstoffbusse in Hamburg. Das Game-of-Thrones-Prequel mit Naomi Watts, das ohne Ausstrahlung der ersten Folge eingestampft wurde. Oder ganz aktuell das Projekt „Öffnen mit Sicherheit“ in Tübingen. Was hingegen ganz sicher nicht gescheitert ist: Der Versuch des niederländischen Fußballverbandes KNVB, den Männerbereich der Amateure auch für Frauen zu öffnen. Am Montag veröffentlichte der Verband eine entsprechende Mitteilung.

Ab der kommenden Saison soll es Frauen generell erlaubt sein, im Amateurbereich für eine erste Männermannschaft aufzulaufen - ohne eine Ausnahmegenehmigung beantragen zu müssen. Schon im vergangenen August war der Verband einen großen Schritt in diese Richtung gegangen: Die damals neunzehnjährige Ellen Fokkema erhielt eine solche Ausnahmegenehmigung und durfte also bei ihrem Verein, dem Amateur-Viertligisten VV Foarút, weiterhin mit ihren Teamkollegen spielen. Als erste Frau in einer ersten Männermannschaft. „Ich spiele schon seitdem ich fünf bin mit diesen Jungen zusammen“, sagte Fokkema, nachdem sie die Genehmigung erhalten hatte, „und hätte es doch schade gefunden, wenn ich ab der nächsten Spielzeit nicht mehr mit ihnen in einem Team gewesen wäre.“

Aufgrund des aktuellen Zeitgeistes und neuerer Forschungsergebnisse sehen wir keinen Grund, daran festzuhalten.

Jan Dirk van der Zee, Direktor für Amateurfußball beim KNVB

In den Niederlanden durften Mädchen und Jungen bisher bis zum Alter von neunzehn Jahren gemeinsam in gemischten Teams spielen. Anschließend mussten sich die Frauen entscheiden: Entweder sie spielen in der schwächeren Kategorie B der Männer oder sie wechseln in ein Frauenteam. Was nicht immer einfach ist, denn es gibt viel weniger von ihnen. Statt sich zu entscheiden, bat Fokkema dreimal beim KNVB um eine Ausnahmegenehmigung - die sie letzten Endes erhielt.

Der Verband entschied sich, diesen Fall als Modellversuch zu nutzen und zu beobachten. Am Ende der Saison wollte man entscheiden, ob die Kategorie A auch nach den Jugendmannschaften für Frauen geöffnet werden sollte. „Wir wollen, dass Mädchen und Frauen einen passenden Platz in der Fußballlandschaft finden, basierend auf ihren Qualitäten und ihren eigenen Ambitionen“, meint Jan Dirk van der Zee, Direktor für Amateurfußball beim KNVB.

Also beobachteten sie den VV Foarút und Ellen Fokkema während der Spielzeit 2020/21. Die lief sicher nicht wie geplant: Nach nur sieben Spieltagen musste der Amateurfußball in den Niederlanden wegen der Corona-Pandemie den Spielbetrieb unterbrechen. Dennoch hatte der Verband offensichtlich genügend Informationen für die nun getroffenen Entscheidung gesammelt. Aufgrund von Datenrecherchen, Umfragen, Interviews und Spielbeobachtungen kam der KNVB zu dem Schluss, „dass es eine gute Basis gibt, um allen Frauen zu ermöglichen, ab der nächsten Saison in der A-Kategorie der Männer zu spielen.

Unterstützung vom Verband

Schon vor diesem Pilotprojekt hatte es laut Verband jedes Jahr Anträge wie den von Fokkema und dem VV Foarút gegeben. Jetzt werden sie nicht mehr nötig sein. Vereine, die eine Spielerin für die höhere Spielklasse anmelden wollen, können sich dennoch weiterhin an den niederländischen Verband wenden. Der wolle mit tatkräftiger Unterstützung zur Seite stehen, damit Vereine, Spielerinnen und der KNVB die Entwicklung genau verfolgen und bei Bedarf Anpassungen vornehmen könnten.

In seinem Statement spricht der KNVB von einem „historischen Moment für den Amateurfußball in den Niederlanden und weltweit“. Noch im vergangenen Jahr hatte Art Lan­geler, Direktor für Fuß­ball­ent­wick­lung beim KNVB, gesagt: „Die Erfah­rung wird zeigen, ob und wie es funk­tio­niert.“ Die Erfahrung hat gezeigt: Es funktioniert. Das Pilotprojekt ist geglückt.

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