Anhebung des Rentenalters:Eine Idee, die keiner will

Viel Gegenwind für Rente mit 68

Rente mit 68? Die Debatte beschäftigt nicht nur Politiker.

(Foto: Stephan Scheuer/dpa)

Rentenalter und Lebenserwartung koppeln - das schlagen Experten dem Wirtschaftsministerium vor. Bis 2042 könnte das Rentenalter so auf 68 Jahre steigen. Nicht nur SPD und Linke sind empört.

Von Marc-Julien Heinsch

Die Lebenserwartung der Deutschen fällt nicht, sie steigt. Weniger Kinder kommen nach, die Gesellschaft insgesamt wird älter - und mit den Jahren kommen rechnerisch immer weniger Beitragszahler für eine Rente auf. Um gegenzusteuern gilt seit 2012: das Alter, in dem man ohne Abschläge in Rente gehen kann, steigt schrittweise bis 2029. Von 65 Jahren auf 67 Jahre.

Für die Berater des Bundeswirtschaftsministeriums ist das nicht genug. Ohne eine Kopplung von Rentenalter und Lebenserwartung drohten, so die Forscher, "schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025". Das heißt im Klartext: Wer länger lebt, sollte auch erst später in Rente gehen können. So zumindest lautet der Vorschlag in einem Gutachten, das ein Expertengremium aus Wirtschaftswissenschaften und Volkswirtschaftslehre zur Zukunft der Rente vorgelegt hat. Durch die Kopplung des Renteneintrittsalters mit der durchschnittlichen Lebenserwartung könnte 2042 die Rente mit 68 Jahren beginnen. Sterben die Deutschen entgegen der Prognosen im Durchschnitt aber wieder früher, dann fiele auch das Rentenalter.

SPD, Union, Linke und Arbeitnehmervertreter jedoch wollen eine Debatte über ein mögliches Rentenalter von 68 gar nicht erst führen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der für die Rente zuständig ist, sagte am Dienstag: "Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters halte ich für den falschen Weg." Die gesetzliche Rente sei ein zentrales Versprechen des Sozialstaates. Es gehe um Anerkennung von Lebensleistung und Sicherheit im Alter. SPD-Kanzlerkandidat Scholz lehnt die Diskussion über eine weitere Erhöhung des Rentenalter ebenfalls ab und wertet den Rat der Gutachter als "Horrorszenario, um Rentenkürzungen durchzusetzen". Von einer verfehlten Debatte sprach auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag: "Ein späteres Renteneintrittsalter lehnen wir ab."

Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) meldete sich am Dienstag per Twitter: Der Wissenschaftliche Beirat sei unabhängig, seine Vorschläge für das Wirtschaftsministerium nicht bindend. Das Rentenalter sei in der großen Koalition von 2005 bis 2009 "auf Vorschlag des geschätzten Kollegen" Franz Müntefering (SPD) auf 67 Jahre festgesetzt worden. "Dabei sollte es bleiben", sagte Altmeier.

Auch aus der Opposition und von Arbeitnehmervertretern kam Kritik am Gutachten. "Das ist der asoziale Oberhammer", sagte die Co-Parteichefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, der Wissenschaftliche Beirat wolle "Renten drastisch kürzen, Sozialstaat abbauen und Alterssicherung privatisieren; all das, um Arbeitgeber massiv zu entlasten".

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text enthielt in der ursprünglichen Version eine Unklarheit. So wurde im ersten Absatz der falsche Eindruck erweckt, die absolute Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland würde geringer werden. Die entsprechende Stelle wurde präzisiert.

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