Grading, Preis: 21.11.2022

Aljoscha Hoffmann: Spotlight-Gewinner der FilmLight Colour Awards

Interview mit Colorist Aljoscha Hoffmann, der für das Grading von »Das Glaszimmer« bei den FilmLight Colour Awards mit dem Spotlight-Award ausgezeichnet wurde.

FilmLight Colour Awards, Trophäe
Bei den diesjährigen FilmLight Colour Awards wurde »Das Glaszimmer« mit dem Spotlight-Award prämiert.

Mit dem in diesem Jahr eingeführten Spotlight-Preis sollen die FilmLight Colour Awards kleinere Projekte, Low-Budget-Filme auszeichnen, die zeigen, wie Colorists auch in diesem Bereich kreative Wirkung entfalten können. Dieser Preis ging an Aljoscha Hoffmann, der zusammen mit DoP Tim Kuhn bei CinePostproduction an »Das Glaszimmer« gearbeitet hat (englischer Filmtitel »Dear Mr. Führer«). film-tv-video.de sprach mit Aljoscha Hoffmann über das Grading dieses Spielfilms. 

Preisträger Aljoscha Hoffmann.

Worum geht es in »Das Glaszimmer«?

Aljoscha Hoffmann: Anna (Lisa Wagner) und ihr elfjähriger Sohn Felix (Xari Wimbauer) flüchten aus dem zerbombten München und suchen Unterschlupf in Annas niederbayrischem Heimatdorf. Schnell wird klar, dass Anna und Felix, die in München in einem liberalen Musikerumfeld zuhause waren, nicht so recht in das kleine Dorf passen. Ihr Nachbar Feik (Philipp Hochmair), ein alter Schulfreund von Anna, hat sich zum strammen Nazi-Anhänger entwickelt. Feik hat es sich zur Aufgabe gemacht, das ganze Dorf auf Linie zu halten. Während Anna nur schwer die überzeugte Nationalsozialistin im Dorf spielen kann, will Felix um jeden Preis vermeiden, als Außenseiter zu wirken, und so lässt er sich schnell durch die Nazi-Propaganda von Feik und seinem Sohn Karri (Luis Vorbach) blenden. Zum Glück findet Felix im neuen Haus einen geheimnisvollen Rückzugsort: ein magisches, funkelndes »Glaszimmer«. Erst nachdem Felix die Ungerechtigkeiten des Krieges zu spüren bekommt, erkennt er, dass Familie und Freundschaft wichtiger sind als jegliche Ideologie.

In welcher Zeit spielt der Film?

Aljoscha Hoffmann: Der Film spielt 1945 in den letzten Wochen des zweiten Weltkriegs.


Trailer »Das Glaszimmer«

Wie lautete das Konzept für den Look des Films?

Aljoscha Hoffmann: Als Inspiration dienten Fotos des Fotografen Hugo Jäger aus den 1930er-Jahren. Er war einer der ersten Fotografen, der auf Agfa-Color-Filmmaterial fotografierte. Diese hatten ein sehr prägnantes Cyan und Rot, welche auch im Film die beiden offensichtlichsten Farben sind. Wichtig für den allgemeinen Eindruck war uns, einen roughen, filmischen Look zu erzeugen, der die Geschichte, Kamera, Production Design und Kostüm unterstützt.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Die Dreh-Kamera Sony Venice wurde vorab ausgiebig getestet.

Vor den Dreharbeiten, noch vor den Tests, erzählte mir der DoP Tim Kuhn von diesem Film und seiner Idee des visuellen Konzepts. Da die Kamera die meiste Zeit des Films bei den Kindern bleibt, gibt es nur eine Handkamera, die sich sehr nah am Boden bewegt. Tim Kuhn hat hauptsächlich Weitwinkelobjektive mit einer sehr starken Objektivverzeichnung verwendet.

Tim kam mit seinem Filmmaterial in die Grading-Suite, und wir probierten sehr intensiv verschiedene Looks aus. Wir haben aber auch die Sony Venice sehr ausgiebig getestet, vor allem wenn es um unterbelichtete Situationen ging. Die Nachtszenen wurden fast ausschließlich mit dem vorhandenen Licht gedreht. Die Ergebnisse haben uns sehr überzeugt, und diese Kamera war genau die richtige Wahl für diesen Film.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Für das Grading waren elf Tage Zeit.

Wir haben eine LUT sowohl für die Dailies als auch für die Aufnahmen am Set erstellt. Ich überwachte die Dailies und besprach mich jeden Tag mit dem Kameramann Tim Kuhn. So war allen klar, wie der Film später aussehen würde.

Für das Grading hatten wir insgesamt elf Tage Zeit. Da der Look relativ klar war, konnten wir das bereits vorhandene Look-Setup in Baselight als Grundlage für das finale Grading wiederverwenden. Wie schon beim Test habe ich in FilmLight T-Log/Egamut gearbeitet. Das Material wurde in diesen Farbraum gemappt, und der Display-Farbraum war P3D60. So konnten wir uns um die feinen Details und vor allem um die Textur des Films kümmern.

Tim Kuhn und ich wollten wirklich, dass sich der Film wie die Fotos anfühlt und eine düstere Textur erhält. Deshalb haben wir viel mit Körnung und auch mit einem sehr subtilen Lichthof-Effekt gearbeitet. Es war uns auch wichtig, das auffällige Rot der Flaggen und Uniformen sowie die Cyan- und Grüntöne beizubehalten.

Welche Key-Elemente enthält das Grading?

Aljoscha Hoffmann: Als Key-Elemente dienten ganz klar der Farbkontrast Cyan und Rot, der sich überall im Film wiederfindet. Die Bilder sollten eine gewisse Rauheit ausstrahlen, was vor allem durch Kontraste und Filmkorn erzeugt wurde. Weitere wichtige Elemente waren unter anderem ein Halation-Effekt und ein starker Highlight-Rolloff.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Die größte Herausforderung bestand darin, die richtige Stärke an Look zu finden.

Was waren die besonderen Herausforderungen beim Grading?

Aljoscha Hoffmann: Die größte Herausforderung war die richtige Stärke an Look zu finden. Die Dailies sahen teilweise viel extremer aus als das finale Grading. An den ersten Tagen im Grading sind wir dann wieder etwas weniger extrem geworden.

Eine andere Herausforderung war, dass einige Szenen nur mit Available Light gedreht wurden. Hier musste ich das Material teilweise stark pushen, um noch etwas sichtbar zu machen — was mit der Sony Venice aber sehr gut funktioniert hat.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Aljoscha Hoffmann nutze Baselight fürs Grading von »Das Glashaus«.

Da Tim und ich im Vorfeld des Drehs die Gelegenheit für einen Look- und Kamera-Test bekommen haben und ich außerdem die Dailies supervisied habe, gab es im finalen Grading keine großen Überraschungen.

Haben Sie einzelne Funktionen besonders oft eingesetzt, und wenn ja, um welche Effekte damit zu erzielen?

Aljoscha Hoffmann: Unter dem gesamten Film liegt ein starkes Filmkorn und auf fast jedem Shot ein Halation-Effekt, wie er bei echtem Filmmaterial auftritt. Auch wenn es in manchen Shots eher kleine Details sind, machen sie in Summe doch eine große Wirkung, um das Bild eher wie Filmmaterial wirken zu lassen.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Eine Herausforderung war, dass einige Szenen nur mit Available Light gedreht wurden.

Aljoscha Hoffmann: Der Film spielt 1945 in den letzten Wochen des zweiten Weltkriegs.


»Das Glaszimmer«: Einige länger laufende Szenen, die das Grading-Konzept illustrieren, am Ende nochmal der Trailer.

Was gefällt Ihnen selber am besten bei dieser Arbeit?

Aljoscha Hoffmann: Für mich gibt es bei jedem Film bzw. am Ende für jeden Shot einen Sweet-Spot, an dem sich alles, über Kontraste, Helligkeit bis hin zur Farbe richtig und natürlich anfühlt, auch wenn der Look vielleicht extrem ist. Und das, finde ich, haben Tim und ich sehr gut getroffen. Der Look harmoniert für mich sehr gut mit der Kameraarbeit, dem Production Design und den Darstellern.

Abgesehen vom Look möchte ich die wirklich sehr kollaborative Zusammenarbeit mit Tim bei diesem Projekt herausheben! Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, auf diese gemeinsame und gleichberechtigte Art den Look zu entwickeln.

Wie spielen Farbe und Licht bei »Das Glaszimmer« zusammen?

Aljoscha Hoffmann: Das Licht in diesem Film ist in den meisten Sequenzen relativ natürlich, die Farben aber tatsächlich eher etwas ausgestellter. Das Agfa-Color-Material hat im Bezug auf Farbe schon sehr spezielle Eigenschaften. Eine gute und für den Look richtige Belichtung war sehr wichtig, da die Farben sonst vielleicht nicht so gut funktioniert hätten und alles unnatürlich wirken würde. Wir haben eine On-Set-LUT erstellt, damit Tim Kuhn auch am Set immer wieder überprüfen konnte, ob der Look so funktioniert. Auch um die Belichtung zu überprüfen, da der gesamte Film schon eher dunkler gehalten ist.

»Das Glaszimmer«, © CinePostproduction
Der gesamte Film ist eher dunkler gehalten.

Was schätzen Sie besonders an einem Grading-System, was hilft Ihnen bei der Arbeit?

»Das Glaszimmer«, DVD-Cover
»Das Glaszimmer« gibt es auch auf DVD: eines Deliveries.

Aljoscha Hoffmann: Besonders wichtig an einem Grading-System sind mir die Grading-Tools und die Art und Weise, wie sie funktionieren. Mir persönlich hilft es sehr, wenn es sich nicht zu technisch anfühlt, wenn man an einem Knopf dreht. Beispielsweise wenn ich das Bild dunkler oder heller machen will, sich der Regler verhält, als würde ich die Blende an der Kamera steuern. Das erzeugt für mich die wesentlich besseren Bilder. Auch hilft es mir enorm in der Kommunikation mit dem/der Kameramann/Kamerafrau.

Auch schätze ich an einem System sehr eine gute Übersicht über alle Shots und Grading-Versionen, gerade wenn man zum Beispiel mit sehr vielen VFX-Shots umgeht.

Mit den immer breiter gefächerten Deliveries für Kino, SDR und HDR und weiteres ist es für mich eine große Erleichterung, wenn die Anpassungen für den jeweiligen Output gut durch das Grading-System unterstützt werden.