Großformat:Spurlos

Die deutsche Bildhauerin Gego, hierzulande wenig bekannt, gehört in Südamerika zu den wichtigsten Künstlern. Als sie in den Achtzigerjahren in Frankfurt ausstellte, verschwand danach eine ihrer Arbeiten.

Von Catrin Lorch

Der Name Gego hätte einer der großen des 20. Jahrhunderts sein müssen: Die Bildhauerin, die im Jahr 1912 in Hamburg unter dem Namen Gertrud Goldschmidt geboren wurde, gilt als eine der bedeutendsten der Avantgarde. In ihren filigranen Installationen - den Reticulàres - verschränken sich Architektur und Bildhauerei. Seit Kuratoren und Kunsthistoriker das Werk der im Jahr 1994 Verstorbenen nach der Jahrtausendwende wieder entdeckten, erforschen und ausstellen, ist ihr Rang als eine der bedeutendsten Künstler Lateinamerikas unbestritten. Gego ist wohl vor allem deswegen eine der großen Unbekannten geblieben, weil sie eine Frau war und weil sie - einer jüdischen Familie entstammend - im Jahr 1938 nach Caracas ins Exil gegangen war, also in der Peripherie der Kunstszene arbeitete, nachdem sie zunächst Architektur in Stuttgart studiert hatte.

Diese biografische Fußnote ist der Grund, warum das Kunstmuseum Stuttgart ein Konvolut der äußerst raren Zeichnungen, Leihgaben und Objekte von der Fundación Gego, den Nachlassverwaltern, als Dauerleihgabe erhielt. Zudem wurden die Kunsthistoriker des Museums, in dem eine Forschungsstelle eingerichtet wurde, auf eine verschollene Arbeit hingewiesen, die in den Achtzigerjahren in Deutschland verloren ging: "Reticuláre (Ambientación)", eine Installation, die im Rahmen der Ausstellung "Spielraum - Raumspiele" in der Alten Oper in Frankfurt gezeigt wurde. Die hier gezeigten, noch nie veröffentlichten Aufnahmen zeigen Gego beim Aufbau im Liszt-Saal.

Das gewaltige Werk aus Stahl und Draht war in kleine Netze verpackt in elf Kisten aus Südamerika angereist. Aber es sollte nie wieder nach Caracas zurückkehren: Noch jahrelang korrespondierte man über den Verbleib des Werks, dessen Versicherungswert schon damals mit 45 000 Mark angegeben wurde und das angeblich nach dem Abbau in einem Hangar gelagert worden war. Trotzdem ist "Reticuláres" - das unter anderem John Cage begeistert hatte - niemals wieder aufgetaucht.

Es stellt sich nun nicht einfach nur die Frage, wie elf gewaltige Transportkisten einfach verloren gehen können. Sondern ob sie nicht doch noch irgendwo sind - in einer dunklen Ecke -, wie es in einem Schreiben von Nikolai Petersen, dem Direktor des Goethe-Instituts Venezuela heißt. "Nicht ausgeschlossen werden kann zudem, dass jemand die Kisten bewusst entwendete und deren Inhalt einer Verwendung zuführte - ob als Kunstwerk, wage ich zu bezweifeln, denn die Installation war groß, kompliziert und benötigte die Inspiration der Künstlerin, aber komplett negieren will ich auch diese Option nicht." Die Abbildungen auf dieser Seite sind also nicht nur Erinnerung an ein Kunstwerk, vielleicht liefern sie ja auch Hinweise auf seinen Verbleib.

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