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Streit zwischen Rot-Rot-Grün Klingbeil kritisiert Linke nach Enthaltung beim Afghanistan-Votum als »unanständig«

SPD, Grüne und Linke könnten bei der Bundestagswahl eine Mehrheit bekommen – doch nun attackiert SPD-Generalsekretär Klingbeil die Linke für ihre Zurückhaltung beim Rettungsmandat. Linkenpolitikerin Wagenknecht keilt zurück.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil

Foto: Kay Nietfeld / DPA

Die Linkspartei – wie auch SPD und Grüne – wirbt bei der Bundestagswahl für einen echten Regierungswechsel, einen Unionskanzler wollen sie verhindern. Doch ob die Parteien ein Mitte-Links-Bündnis schmieden können, ist nach der jüngsten Abstimmung zum Rettungsmandat für Afghanistan weiter fraglich. Nur fünf Linkenabgeordnete stimmten der Evakuierungsmission zu. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der Fraktion nun aufgrund der vielen Neinstimmen und Enthaltungen Unanständigkeit vor.

»Aus meiner Heimatregion sind Soldaten in Kabul, unter Einsatz ihres Lebens«, sagte Klingbeil den Sendern RTL und n-tv. »Sie haben in den letzten Tagen 5000 Menschen gerettet, sie haben Leben gerettet, und das, was sie brauchen, ist volle Rückendeckung aus dem Parlament.« Die Linksfraktion habe diese Rückendeckung verweigert: »Das ist unanständig, und das zeigt eben auch, dass die Linke beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik nicht berechenbar ist.«

»Die Linke läuft vor der Verantwortung davon«

Auch andere Vertreter von SPD und Grünen empörten sich über den Kurs der Linken. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir zweifelte gegenüber der »Welt« an der Regierungsfähigkeit der Partei: »In einer Regierung könnte sie sich so nicht verhalten«, sagte Özdemir. »Mit ihrem erratischen Abstimmungsverhalten verbaut sich die Linke außenpolitische Handlungsfähigkeit und läuft vor der Verantwortung davon.«

Özdemir betonte, dass der Einsatz der Bundeswehr bei der internationalen Evakuierungsmission am Kabuler Flughafen auf die Rettung von Menschen abziele. »Dass die Fraktion der Linken sich im Bundestag selbst bei der Abstimmung über eine Rettungsmission enthalten will, in der über Leben und Tod entschieden wird, ist mir unbegreiflich«, sagte er.

»Es ist extrem enttäuschend, dass die Linke einerseits den Schutz von den Taliban bedrohter Menschen in Afghanistan fordert und sich dann verweigert, dass diesen Menschen auch geholfen wird«, sagte auch der SPD-Außenexperte Nils Schmid der »Welt«. Es wäre einfach gewesen, in diesem Punkt »Flagge zu zeigen«, sagte Schmid. »Diese erneute Verweigerungshaltung der Linken auf außenpolitisch hochbrisantem Feld macht eine Annäherung und Überlegungen künftiger Koalitionen nicht einfacher.«

Die frühere Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, bezeichnete die Vorwürfe in einem Tweet  als »unverschämt« und einen »billigen Ablenkungsversuch«: Die SPD sei maßgeblich für das Desaster in Afghanistan mitverantwortlich und hätte diese »überhastete Rettungsmission« überhaupt erst nötig gemacht.

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Bereits bei einem Wahlkampfauftritt in Weimar am Mittwoch hatte Wagenknecht die verspätete Evakuierung als »Schande« bezeichnet. Die Ortskräfte den islamistischen Taliban zu überlassen, »das ist wirklich fahrlässige Beihilfe zur Tötung, fahrlässige Beihilfe zum Mord und ich finde, das ist ein Skandal sondergleichen«, sagte Wagenknecht.

Fünf Jastimmen, 43 Enthaltungen – und sieben Neinstimmen

Bei der Abstimmung hatte der Bundestag im Nachgang das Evakuierungsmandat der Bundeswehr abgesegnet. Eine große Mehrheit der Abgeordneten hatte zugestimmt: Union, SPD, FDP und Grüne votierten einheitlich mit Ja. Bei AfD und der Linken gab es hingegen Abweichler. In der Linksfraktion stimmten nur fünf mit Ja, sieben votierten Nein. Die übrigen 43 Abgeordneten enthielten sich.

Für die Linke war die Abstimmung dennoch ein Novum. Alle bisherigen Bundeswehreinsätze lehnte die Fraktion in der Vergangenheit konsequent ab: Bei der Rettungsmission wollte man sich hingegen nicht ganz verschließen. Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte die Ablehnung zuvor damit begründet, dass das Mandat nicht umfangreich sichere, alle afghanischen Ortskräfte zu retten. »Es ist ein Desaster«, sagt Bartsch. Die Entwicklung in Afghanistan sei der »schwärzeste Punkt« in der 16-jährigen Kanzlerschaft von Angela Merkel.

Jüngsten Umfragen zufolge reicht es zwar derzeit nicht für ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken bei der Bundestagswahl – eine Mehrheit liegt aber im Bereich des Möglichen. Bei Fragen des Klimaschutzes und der sozialen Gerechtigkeit sind sich alle drei Parteien ähnlich. Die Außen- und Sicherheitspolitik gilt hingegen als größtes Hindernis für ein solches Bündnis.

mrc/dpa