Hörenswert:Vergesst James Bond!

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Kleinkunst, bairisch und furios: Josef Parzefall, die Großmutter, Josef Hader, Kasperl und Richard Oehmann (von links) in Wien-Döbling. (Foto: Doctor Döblinger)

Im neuen Kasperl-Hörspiel der Döblingers verkauft Josef Hader Pümpel

Von Rudolf Neumaier, München

Der Schauspieler Christoph Waltz hat in der Zeitschrift Bunte festgestellt, James-Bond-Filme seien wie Kasperltheater. Endlich sagt's mal einer. Und umgekehrt verhält es sich genauso. Wenn Waltz erzählt, er habe "noch kein Kasperltheater gesehen, wo das Krokodil den Kasperl frisst", so kann der Kasperl konstatieren, sein Heldenkollege Bond finde ja auch aus jedem noch so üblen Schlamassel einen Ausweg. Was Kasperl und Bond als Action-Helden unterscheidet, sind allenfalls ihre erotischen Bedürfnisse. Und ihr Aktionsradius; Bond muss öfter verreisen.

Wie kaum ein anderes Exemplar seiner Spezies hat der Kasperl aus Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater in den vergangenen Jahren Furore gemacht, ohne sein Biotop verlassen zu müssen. Auch sein neuestes Abenteuer erlebt er in Hinterwieselharing, seiner Heimatstadt. Das Hörspiel "Kasperl und die Tasse des Bösen" ist großartige Unterhaltung. Für Kinder, weil die Großmutter in die Fänge des faulen Zauberers Gottlieb Wurst gerät. Für Erwachsene, weil Josef Hader mitspielt. Hader ist wie Christoph Waltz Österreicher und Schauspieler, hat aber im Gegensatz zu seinem Landsmann noch keinen Oscar gewonnen, weil Hollywood keinen rechten Sinn hat für tragikomische Melancholiker. Aber in Hinterwieselharing, da ist Hader bestens aufgehoben.

Es ist das zwölfte Hörspielstück der Doctor-Döblinger-Kasperlschöpfer Richard Oehmann und Josef Parzefall. Regelmäßig lassen sie einen Gast an ihrer wunderbaren Kleinkunst teilhaben. Axel Milberg war schon dabei und Fredl Fesl. Mit dem geborenen Kleinkünstler Hader haben sie einen weiteren kongenialen Partner. Das Studio, in dem sie seine Szenen aufnahmen, liegt im Wiener Stadtteil Döbling. Zufall? Vorsehung!

Josef Hader spielt einen Gebrauchtwarenhändler, wie es ihn in jedem größeren Dorf einmal gab, bis am Dorfrand die Baumärkte aus den grünen Wiesen schossen. Es gibt nichts, was Herr Koppelhuber nicht hätte. Sein Sortiment umfasst sogar phantastische Dinge: einen Sperenzinger für den verkalkten Heimatpfleger Fetzer, einen Strigulator für das Lillipferd von Prinzessin Heike, ein Fläschchen Bullistol für den polizeilichen Schlagstock, der zum Verdruss des Wachtmeisters Wirsching "quichezt" und daher unbrauchbar ist.

Der Mundartbegriff "quichezen" wird vermutlich den wenigsten Hörern und Lesern etwas sagen. Wenn sie in Schmellers Bairischem Wörterbuch nachschlagen, finden sie die Erklärung "einen zwitschernden Laut von sich geben" und als Beispiel "neue Thüren u. drgl. quichezen". Die Übersetzung "quietschen" war Schmeller offenbar nicht geläufig. Vor allem Seppl und die Großmutter parlieren bei den Döblingers in einem Urbairisch, dass sie endlich reif wären für den Dialektpflege-Preis "Bairische Sprachwurzel", den schon Mundartkünstler wie Georg Ringsgwandl, Luise Kinseher, Marcus Rosenmüller und Stefan Dettl entgegennahmen.

Der böse Zauberer Gottlieb Wurst spricht natürlich nicht Bairisch. Er fungiert im neuen Hörspiel als Bösewicht, sofern man bei einem solchen Dödel überhaupt von einem Bösewicht sprechen kann. In seiner Zaubererburg herrscht Chaos, weder findet er sein Zauberbuch noch seinen Klopümpel. Und jetzt verstopft das Klo. Der gute Koppelhuber kann mit dem Pümpel weiterhelfen. Um das Zauberbuch aufzutreiben, braucht Gottlieb Wurst aber die Großmutter. Eine solche Haushaltsverweserin ist natürlich praktisch, also verzaubert er sie in seine eigene Oma. Die Lieder, die Wurst, Kasperl und Koppelhuber mit der Band Café Unterzucker aufgenommen haben, verleihen dem Stück etwas Singspielhaftes.

Am Ende siegt das Gute - wie in jedem James-Bond-Film. Wenn Christoph Waltz sagt, die "archetypische Konstellation innerhalb der Bond-Geschichte" sei "moderne Mythologie", gilt das selbstverständlich gleichermaßen für dieses großartige Kasperlstück. Es geht jetzt nicht mehr anders: Bei der nächsten Döblinger-CD muss Waltz mitspielen.

Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater: Kasperl und die Tasse des Bösen. RecStar, 12 €

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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