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Hofreiter & Einfamilienhäuser: BILD verbreitet wieder Fake über Grüne – alle fallen herein

von | Feb 14, 2021 | Analyse

BILD verbreitet wieder Unsinn über Grüne

Inzwischen müssten wir es alle gelernt haben: Wenn das Boulevard-Blatt BILD eine skandalträchtige Meldung über die Grünen bringt, ist es wahrscheinlich ganz anders. Jetzt auch wieder. Entgegen der völlig falschen BILD-Schlagzeile und den sich allein darauf stützenden Empörungsrufen verschiedener anderer Parteien wollen die Grünen definitiv nicht Einfamilienhäuser verbieten. Und haben das auch nie gefordert. Zum Hintergrund: In Hamburg-Nord hat ein grüner Bezirksleiter (aber mit der SPD wohlgemerkt) in einem neuen Bebauungsplan keine Einfamilienhäuser zugelassen. BILD hat ein darauffolgendes Interview mit Anton Hofreiter (Grüne) zum Anlass genommen, um wieder mal die Öffentlichkeit zu täuschen.

BILD macht das, was das unseriöse Blatt immer macht: Aus einem Interview nur halb zum Thema passende Zitate herausreißen und daraus einen Skandal fingieren für Auflage. Und natürlich um dem erklärten Gegner, den Grünen, politisch zu schaden. Es ist nicht das erste Mal. Wetten, du hast von so einigen Dingen gehört, die die Grünen angeblich verbieten wollen, was so gar nicht stimmt? Wir haben mal eine Auflistung mit allen Fakten gemacht (Hier).

Was wirklich im SPIEGEL-Interview steht

Der Vorteil für die Fake News der BILD: Der betreffende SPIEGEL-Artikel steckt hinter einer Paywall, sodass sich kaum jemand selbst ein Bild davon machen kann, was Anton Hofreiter wirklich gesagt hat. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat aber hier eine Klarstellung und das gesamte SPIEGEL-Interview im Volltext veröffentlicht. Im Gegensatz zur BILD hat der SPIEGEL das nur als Frage gestellt, und Hofreiter hat deutlich verneint. Umso dreister die Lüge des Boulevardblattes.

Hofreiter erklärt zunächst, dass es eine dramatische Wohnungsnot in Hamburg gäbe und dass sich die dortige Kommune entschieden habe, lieber „Wohnraum für viele statt für wenige zu schaffen.“ Auf die Frage, ob Grüne Einfamilienhäuser verbieten wollen, antwortet Hofreiter völlig eindeutig: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten. Die können übrigens sehr verschieden aussehen: Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Mietshaus.“

Im Anschluss erklärt er auch, warum schon die Darstellung, dass in Hamburg-Nord „Einfamilienhäuser verboten“ werden, völlig falsch ist: Hier geht es um einige neue Bebauungspläne. Hofreiter sagt im Interview buchstäblich, dass die Grünen eben nicht prinzipiell gegen Einfamilienhäuser seien, Zitat: „Mir geht es nicht um Prinzipien, sondern um Lösungen, die funktionieren.“ Er weist außerdem daraufhin, dass auch andere Gemeinden (mit CSU-Bezirksleitern) schon mal neue Gebiete ohne Einfamilienhäuser ausgewiesen haben, ohne dass das ein Skandal gewesen wäre.

BILD schreibt genau das Gegenteil dessen, was Hofreiter sagte

Später erklärte Hofreiter sogar, nachdem eine Studie für Fridays for Future erwähnt wurde, in der die Quadratmeterzahl pro Kopf begrenzt werden müsse: „Ich finde es schwierig, Dinge zu fordern, die man politisch nicht
umsetzen kann.“ Es ist eine pragmatische Haltung, die die BILD zum genauen Gegenteil verkehrt:

Eindeutiger hätte Hofreiter es nicht sagen können: Die Grünen sind nicht gegen Einfamilienhäuser. Wenn wenig Wohnraum verfügbar ist, sei es je nach Kommune jedoch manchmal sinnvoll, lieber Mehrfamilienhäuser zu bauen. Das war’s eigentlich. Die BILD betrügt wieder mal die Öffentlichkeit und titelt quasi mit dem genauen Gegenteil. Leider haben sich viele Politiker:innen auf die falsche Überschrift gestürzt, um ihren politischen Rivalen zu schaden und sich mit ihrem populistischen Gepoltere eigentlich ziemlich lächerlich gemacht.

„Die Grünen sind an Populismus und Scheinheiligkeit wieder einmal nicht zu überbieten“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol, der ganz offenbar auf den BILD-Fake hereingefallen ist. Auch die CDU fantasierte ein „gestörtes Verhältnis zum Eigentum und der Lebensrealität im ländlichen Raum“ der Grünen (Christian Hirte). Auch er hat die gefälschte BILD-Schlagzeile genutzt für Kritik, die nichts mit der Realität gemein hat (Quelle). Die Junge Union nutzte den Fake auch aus, um die Grünen als „Feinde des bürgerlichen Lebens“ zu bezeichnen. Auch sie poltern völlig am Thema vorbei. Natürlich beteiligte sich auch die FDP an den völlig faktenfreien Vorwürfen, geschürt durch falsche und irreführende Schlagzeilen.

Fazit

In ihrer Stellungnahme schreiben die Grünen wörtlich (und wiederholen sich):

„Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen wichtig – dazu gehört auch das Einfamilienhaus. Das wird es auch in Zukunft geben – so wie Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, Mietshäuser. Was aber wo steht oder gebaut wird, entscheiden die Kommunen vor Ort – je nachdem, was im Dorf oder der Stadt nötig ist, wie viel Fläche da ist, wieviel Leerstand es gibt und was gut in den Ort passt. Alle wissen: Wohnraum ist vielerorts knapp, Flächen sind endlich, Mieten und Immobilienpreise sind explodiert. Deshalb ist unser Ziel, dass Menschen aus der Breite der Gesellschaft in Stadt und Land guten und bezahlbaren Wohnraum finden und dass so gebaut wird, dass Klima und Umwelt geschützt werden. Wir unterstützen den Erwerb von Wohneigentum, setzen uns für günstige Mieten ein und fördern auch Sanierungen und ökologisches Bauen.“

Es ist genau das Gleiche, was Hofreiter zuvor im Interview erklärt hat. Ich wiederhole das Zitat, das VOR dem BILD-Fake getätigt wurde: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten. Die können übrigens sehr verschieden aussehen: Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Mietshaus.“

Wenn man jetzt sieht, wie völlig ohne Realitätsbezug, angeführt vom üblichen Verdächtigen BILD gegen die Grünen gehetzt wird, lässt das Böses erahnen, was den Bundestagswahlkampf betrifft, in den die Grünen als zweitstärkste Partei in Umfragen gehen. Wenn aber auch demokratische Parteien wie CDU, FDP und SPD auf solche schäbige Desinformationskampagnen aufspringen, um den Grünen zu schaden, brauchen wir keine rechtsextreme AfD, um den politischen Diskurs mit Fake News zu vergiften.

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Artikelbild: Bernd von Jutrczenka/dpa

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