"Humane Haft gibt es nicht" Abschiebehaft in Glückstadt eröffnet

16.08.2021 · Glückstadt. Die gemeinsame Abschiebehaftanstalt von Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt (Elbe) geht am heutigen Montag (16. August) in Betrieb. Zunächst werden in der ehemaligen Marinekaserne zwölf Haftplätze zur Verfügung stehen, später sollen es bis zu 60 sein. Es sollen dort Flüchtlinge untergebracht werden, die sich einer Ausreisepflicht beständig widersetzt haben. Vor dem Start hagelt es weiter Kritik an der Einrichtung.

„Es gehört einiges an politischer Fragwürdigkeit dazu, 60 Abschiebungshäftlinge hinter einer Mauer einzupferchen, die an Höhe und Betonniertheit alles übertrifft, was je durch Berlin oder zwischen Süd- und Nordamerika durch die Wüste gezogen worden ist“, sagte Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein dem epd.


Auch die evangelische Nordkirche lehnt die Abschiebehaft ab. „Es ist unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich bedenklich, Menschen einzusperren, die keine Straftat begangen haben“, sagte die Flüchtlingspastorin der Nordkirche, Dietlind Jochims. Viel zu oft werde Abschiebehaft rechtswidrig vollzogen. Zudem sei sie teuer und wenig effizient.


Eindruck einer "schönen Abschiebehaft"


Es werde vom Land zwar einiges versucht, die Einrichtung human zu gestalten, sagte Doris Kratz-Hinrichsen von der Diakonie Schleswig-Holstein. Ein selbstbestimmtes Leben sei dort aber nicht möglich. „Abschiebehaft kann in meinen Augen nicht human sein.“ Ein Ausbau der freiwilligen Rückkehrberatungen sei dagegen sinnvoll.


Das Innenministerium hatte am 5. August mit einer Pressebesichtigung die Räume in der Abschiebehaft bekannt gemacht. Es soll offene Wohngruppen mit Gemeinschafsräumen wie Küche, Wohnzimmer und Gebetsraum geben. Die Einzelzimmer sind mit dem Nötigsten ausgestattet: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank und eine Tür zu einer eigenen Nasszelle. Für als gefährlich eingestufte Flüchtlinge gibt es einen geschlossenen Sicherheitsvollzug. Das 21.000 Quadratmeter große Gelände ist mit einer hohen Mauer und Stacheldrahtzaun gesichert. Die ehemalige Marinekaserne vermittle durch Sportplätze, Gebetsräume und Kickertische den Eindruck einer „schönen“ Abschiebehaft, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, am Montag. Dies verschleiere aber, dass dort Menschen eingesperrt werden, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen.


Auf den Bewohnern werde hoher „psychischer Druck, Verzweiflung bis hin zu panischer Angst vor der Vollstreckung der Auslieferung an das Verfolgerland“ lasten, sagt Link. Drei Mitarbeiter der Diakonie Rantzau-Münsterdorf wollen in der Abschiebehaft eine Sozialberatung für die Flüchtlinge anbieten. Sie helfen im Haftalltag, bei der Kontaktaufnahme zu Verwandten und bei der Klärung aufenthaltsrechtlicher Fragen. Nach Angaben des Innenministeriums sollen auch Psychologen vor Ort sein.


Ein Landesbeirat aus Politikern und Vertretern von Verbänden wird den Aufenthalt der Flüchtlinge in der Haft ebenfalls begleiten. Dieses Instrument habe sich in Rendsburg bewährt, sagte Link. Dort hatte es zwölf Jahre lang ein Abschiebehaft gegeben, die 2014 von der damaligen Landesregierung geschlossen worden war. „Über den Landesbeirat lässt sich transparent machen, wer die Betroffenen sind und was hinter den Mauern passiert“, so Link.


Es gibt keine gute Haft


Der Hannoveraner Rechtsanwalt Peter Fahlbusch findet die neue Abschiebehaft in Glückstadt „um Lichtjahre besser als das, was wir aus Bayern kennen“. Dennoch gebe es keine „gute Haft“, sagt er in einem Interview mit Pro Asyl. „Man kann sich das nicht schönreden oder schön bauen. In der Praxis ist es für die allermeisten Menschen brutal belastend, eingesperrt zu sein.“

Fahlbusch hat eigenen Angaben zufolge seit 2001 bundesweit 2.141 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. Problematisch sei vor allem die Zahl der bundesweit zu Unrecht Inhaftierten. Diese wird von den Bundesländern nicht erfasst. Fahlbusch hat deshalb eine eigene Statistik aufgestellt. Demnach wurden 1.089 seiner Mandantinnen und Mandanten rechtswidrig inhaftiert. „Das sind 50,9 Prozent - eine absurd hohe Zahl“, so der Anwalt. Manche von ihnen seien nur einen Tag, andere wochen- oder gar monatelang inhaftiert gewesen.

Quelle: epd