Impfungen für Jugendliche:Wieder ganz hinten in der Warteschlange

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Schüler, Eltern und Lehrer des Feodor-Lynen-Gymnasiums in Planegg sind enttäuscht von der Impf-Absage. Landrat Göbel hält Reihenimpfungen erst für gerechtfertigt, wenn genügend Vakzin vorrätig ist.

Von Iris Hilberth und Anette Jäger, Planegg

Nach der Absage der Schüler-Impfaktion am Planegger Feodor-Lynen-Gymnasium kochen weiter die Emotionen hoch. Vor allem Eltern sind empört darüber, dass sich ihre Kinder nun wieder in der Wartereihe zum Impfen anstellen müssen und weiterhin keine Aussicht auf einen normalen Schulalltag haben. Einige werfen Landrat Christoph Göbel (CSU) vor, mit seiner scharfen Kritik an der geplanten Reihenimpfung so viel Druck erzeugt zu haben, dass die Ärzte ihr Angebot zurückzogen. Göbel blieb allerdings auch am Mittwoch bei seiner Haltung: "Ich bin unbedingt dafür, dass Schüler geimpft werden", sagte er zur SZ, doch wegen des noch immer bestehenden Mangels an Impfstoff sei es aktuell "nicht richtig", für diese Altersgruppe eine offizielle Impfaktion in einer Schule abzuhalten. Ursprünglich hätten Ärzte einer Planegger Gemeinschaftspraxis am Freitag alle Schüler des Gymnasiums von 16 Jahren an impfen wollen, wegen öffentlicher Kritik wurde die Aktion jedoch am Dienstagabend abgeblasen.

Die Absage der Impfaktion wurde unter den Schülern des Feodor-Lynen-Gymnasiums am Dienstagabend und auch am Mittwoch heiß diskutiert, wie Jonas Raßfeld aus Gräfelfing bestätigt. Der Schüler der Q11 spricht von einem "Gefühl großer Enttäuschung", das in diversen Gruppen-Chats vorherrschend sei. Es habe großes Interesse in der Schülerschaft an einer Impfung gegeben. Diese wäre für viele ein Hoffnungsschimmer gewesen, "ein erster Schritt zur Normalität", so Raßfeld.

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Die Schüler hätten die Impfung für moralisch vertretbar gehalten, da die zuständige Arztpraxis zugesichert habe, keinem gefährdeten Patienten eine Impfung wegzunehmen. Außerdem hätten die Schüler angesichts etwa 30 Millionen Erstimpfungen nachgerechnet und sich die Frage gestellt: "Ist es wirklich so, dass jeder zweite oder dritte zu einer Prioritätengruppe gehört?" In seinem Umfeld seien viele Menschen geimpft, die keiner besonderen Prioritätengruppe zuzuordnen seien. Den "Shitstorm", der sich jetzt über den Planegger Schülern entlade, finde er unverständlich.

Auch der Elternbeirat bedauert die letztlich erfolgte Entscheidung von Schulleitung und Ärzten zur Absage. Man könne diese aber verstehen und trage sie mit, heißt es in einer am späten Nachmittag verbreiteten Erklärung. "Leider ist die Aktion in der Öffentlichkeit nicht so positiv angekommen, wie sie gemeint war. Wie Rückmeldungen aus der Elternschaft zeigen, haben die nun erfolgte Absage und vor allem aber auch die verbalen Angriffe auf Schulleitung und Ärzteteam viel Unverständnis und Enttäuschung hervorgerufen." Man danke der Schulleitung, dass diese "ganz pragmatisch" versucht habe, sich für ihre Schüler und Schülerinnen einzusetzen.

Am Mittwoch haben der ehemalige Schülersprecher Raßfeld und einige Mitschüler der Schulleitung einen Besuch abgestattet und sich für deren Engagement in Sachen Impfaktion bedankt. Unterdessen ist am Feodor-Lynen-Gymnasium offenbar wieder Ruhe eingekehrt, wie aus dem Schulleitungsteam um Direktor Matthias Spohrer am Mittwoch zu vernehmen war. Die Schüler würden sich auf den Unterricht und die laufenden Abiturprüfungen konzentrieren. Ein Großteil der Lehrer, Eltern und Schülern zeige Verständnis für die Absage der Impfaktion, manche seien aber auch enttäuscht.

Die Ansicht von Lehrerin Angelika Lawo ist klar: "Die Jugendlichen sind dran". Der Inzidenzwert gehe bei den Älteren deutlich runter, die Leiden der Jugendlichen und der Familien seien in den vergangenen Monaten zu wenig beachtet worden. Schüler, deren Eltern beide außer Haus arbeiten, oder Schüler von Alleinerziehenden würden seit mehr als einem Jahr alleine zuhause vor dem Computer sitzen. "Sie haben den Preis der Pandemie bezahlt." Auch Regina Baumberger aus Gauting, die Mutter einer Schülerin, verteidigt die Impfaktion. Diese hätte zur "weiteren Eindämmung der Pandemie beigetragen". Die Schüler müssten sich nun wieder "brav in der Wartereihe" anstellen, ohne Aussicht auf "normalen Schulalltag" und "normales Leben", aber mit der Aufforderung, gefährdete Menschen zu schützen. Auch in den Schülerfamilien gebe es gefährdete Personen.

"Sonst heißt es, dass die Reichen und Schönen bevorzugt werden"

Landrat Göbel räumte am Mittwoch ein, dass die Aktion regelkonform gewesen wäre, da die Priorisierung von diesem Donnerstag an in Bayern aufgehoben ist. Er hätte die Impfungen dennoch nicht für klug gehalten und vermisse "Sensibilität". Denn im Landkreis haben seinen Angaben zufolge noch immer 49 000 Personen aus den Priorisierungsgruppen eins bis drei keinen Impftermin. "Wir mussten klar stellen, dass die geplanten Impfungen in der Schule kein offizieller Akt sind." Denn die Reaktionen füllten auch sein Mail-Postfach.

Es beklagten sich nicht nur Impfwillige aus den vulnerablen Gruppen, sondern Vertreter anderer Schulen, neben Gymnasien auch Berufsschulen. Es könne nicht sein, dass punktuell Schüler dort geimpft würden, wo Schulen gute Beziehungen zu Ärzten hätten. "Sonst heißt es, dass die Reichen und Schönen bevorzugt werden", sagt der Landrat, der selbst im Würmtal wohnt. Grundsätzlich hält Göbel Reihen-Impfungen in Schulen für denkbar und wünschenswert, sobald genügend Impfstoff vorhanden sei. Dann würde er an Orten beginnen, die aufgrund prekärer Wohnsituationen höhere Inzidenzen aufweisen.

Das Praxisteam um Alexander Boscher, das dem Planegger Gymnasium das Impfangebot gemacht hatte, hat inzwischen eigenen Angaben zufolge alle Impfdosen an andere Hausarztpraxen weitergegeben. "Wir haben uns aus der Impfkampagne zurückgezogen", teilt Boscher mit. Als Facharztpraxis für Narkose, Schmerztherapie, und Notfall- und Intensivmedizin habe man in den vergangenen Wochen überlastete Hausarztpraxen unterstützt. Die Praxis hat laut Webseite neun Ärzte, das erklärt auch die Menge an übrig gebliebenen Impfdosen für 250 Schüler.

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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