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Currywurst und Co. weichen sterilen chirurgischen Instrumenten

Redakteur: Kristin Breunig

Bei der B.-Braun-Tochter Aesculap hört man in der Betriebskantine keine Teller mehr klappern. Denn hier ist auf 1.200 m2 ein Reinraum für die Montage und Verpackung von sterilen chirurgischen Instrumenten und neurochirurgischen Implantaten entstanden. Mit Sicht auf die nächsten zehn bis 15 Jahre, wurde der Raum weitläufig und für mögliche Erweiterungen gebaut. Doch neben der hellen und angenehmen Arbeitsatmosphäre hat der Reinraum noch mehr zu bieten.

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Sommer 2021: Die ehemalige Kantine ist nicht mehr zu erkennen. Leise Filteranlagen, eine helle Beleuchtung und viel Platz sorgen für eine gute Arbeitsatmosphäre im neuen Reinraum.
Sommer 2021: Die ehemalige Kantine ist nicht mehr zu erkennen. Leise Filteranlagen, eine helle Beleuchtung und viel Platz sorgen für eine gute Arbeitsatmosphäre im neuen Reinraum.
(Bild: Schilling Engineering)

Wenn man das Werksgelände der Aesculap AG betritt, fühlt man sich ein wenig wie zwischen zwei Welten. In einem Teil des Werksgeländes beherbergen historische Gebäude mit Backsteinfassaden modernste Büros und Produktionsanlagen. Aesculap bewahrt die alte Baustruktur mit Bedacht. Dafür müssen immer wieder neue Belegungskonzepte erarbeitet werden. Das zeigt sich nun auch in den Räumlichkeiten
der ehemaligen Betriebskantine. Essen ist dort mittlerweile absolut verboten und sogar das Sprechen wird auf ein Minimum reduziert. Denn die ehemalige Kantine ist heute ein hochmoderner Reinraum.

Für die Endfertigung von sterilen chirurgischen Instrumenten und medizintechnischen Komponenten investierte die Aesculap AG in die bisher größte und modernste Reinraumanlage des Werksgeländes. Auf fast 1.200 m2 entstand eine kontrollierbare Umgebung, die die empfindlichen Produkte während der Produktion vor Kontaminationen schützt. Das Reinraumsystem erreicht die ISO-Klasse 7 und 8 und wird mit 88 Filter-Fan-Units betrieben, die mit ULPA-15 Hochleistungsfiltern für den Eintritt und die Zirkulation reinster Luft sorgen.

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Reinraum mit angenehmer Arbeitsatmosphäre

Im Reinraum arbeiten die Mitarbeiter in bis zu drei Schichten. Die Schutzkleidung darf zu keinem Zeitpunkt abgenommen werden und muss richtig sitzen. Ruckartige und schnelle Bewegungen sind zu vermeiden und auch Unterhaltungen sind auf ein Minimum zu reduzieren. All das dient dazu, die Partikelabgabe durch das Personal zu vermindern.

Ralf Ketterer, Segmentleiter bei Aesculap, ist für den reibungslosen Ablauf der Reinraumproduktion verantwortlich und weiß, dass neben der Technik vor allem die Mitarbeiter für eine sichere Produktion wichtig sind: „Oft wird bei der Planung eines Reinraums wenig auf die Arbeitsatmosphäre geachtet. Wir wollten das bewusst ändern und sind von den Rückmeldungen unserer Mitarbeiter bestätigt worden. Alle fühlen sich sehr wohl. Der Raum ist hell, die Flächen sind optimal genutzt worden und er läuft vor allem äußerst leise.“

Erweiterung dank Modularität

Zu Beginn des Umbaus wurden die Räume vollständig entkernt und erweitert. Da der Reinraum bereits auf die nächsten zehn bis 15 Jahre ausgerichtet ist, ist er großzügig ausgelegt. Für eine mögliche Erweiterung wurden bereits die erforderlichen Anschlüssen verlegt. Mit der Detailplanung, der Lieferung und dem Aufbau des Reinraums wurde die Reinraumfirma Schilling Engineering beauftragt. Durch die Modularität ihres eigenentwickelten Systems Clean Medicell können die Anforderungen an zukünftige Erweiterungen ohne tiefgreifende Umbaumaßnahmen erfüllt werden.

Mediensäulen versorgen den Reinraum mit Anschlüssen über die Decken. Bei einer Erweiterung können die Anschlüsse in den begehbaren Decken vorbereitet werden, sodass der Reinraum nur kurz geöffnet werden muss. Für die flexible Erweiterung wurden zudem die Reinraumwände doppelt beplankt, sodass auch eine erweiterte Medienversorgung über die Wände installiert werden kann. „Wir haben den Reinraum für die nächsten zehn bis 15 Jahre geplant. Ungefähr ein Drittel der Fläche wird noch gar nicht benötigt. Durch das modulare System des Reinraums sind wir hier flexibel, was uns sehr wichtig war“, erklärt Ralf Ketterer.

LED-Signalisierung in den Schleusen

Bei einem Reinraum ist auch die Ein- und Ausschleusung von Personal und Material von entscheidender Bedeutung. Die nach Geschlechtern getrennten Personenschleusen nehmen 165 m2 Platz in Anspruch. Verschiedene Materialschleusen, deren Größe für den Fall des Transports von neuen Maschinen und kompletten Anlagen konzipiert wurde, sorgen gleichzeitig für die sichere Einbringung des Materials. Die Ausbringung der fertiggestellten Teile erfolgt über ein Förderband mit automatischen Hubtüren, das zu einem Senkrechtförderschacht führt. Einen Stock tiefer erfolgt die Endverpackung außerhalb des Reinraums.

Die Materialschleusen und Eingangstüren des Reinraums sind mit einer LED-Beleuchtung ausgestattet. Schon von Weitem sieht man die grüne LED-Beleuchtung, die signalisiert, dass das System störungsfrei in Betrieb ist und eine Tür geöffnet werden kann. Muss die Schleuse nach Betreten erst gespült werden, leuchtet der Raum blau. Ist eine Tür geöffnet, stellt sich die intelligente Beleuchtung auf Rot. Ketterer ist überzeugt von dieser Funktion. „Es erleichtert tatsächlich den Eintritt und die Materialeinschleusung, weil die Mitarbeiter schon aus der Entfernung sehen, ob die Schleuse frei ist. Ich sehe das grüne Licht sogar von anderen Gebäuden aus, dann weiß ich, dass alles in Ordnung ist. Es hat inzwischen eine beruhigende Wirkung auf mich“, sagt der Segmentleiter.

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Aufbau unter erschwerten Bedingungen

Die Reinraumanlage bei Aesculap ist bis dato das größte Projekt für Schilling Engineering. Zunächst mit dem Engineering beauftragt, konnten die Servicetechniker des südbadischen Familienbetriebs nach Auftragsvergabe genau nach Plan eingeteilt werden und den Bau ohne Verzögerungen durchführen. Die großen Profilteile mussten per Lastenkran über die Fenster in den dritten Stock eingebracht werden. Nach einigen Monaten Installationsarbeiten wurde der Reinraum mit der Endqualifizierung betriebsbereit übergeben. Ketterer ist zufrieden mit dem gesamten Ablauf: „Man darf auch nicht vergessen, dass der Aufbau mit Baubeginn im März 2020 genau in den Anfang der Corona-Zeit gefallen ist. Die Servicetechniker von Schilling haben sich aber jederzeit flexibel auf die neuen Situationen eingestellt und sich richtig reingehängt, sodass der Bau fristgerecht fertiggestellt werden konnte.“

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