SAAT Juni 2020

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EVANGELISCHE ZEITUNG FÜR ÖSTERREICH

Öffentlichkeitsarbeit: Kuratorin Gerda Supitar im Portrait Seite 13

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Glocken Seite 9−11 und 16

Seite 3

Bischof Chalupka zu Corona: Was bleiben wird

Seite 5

Gröbming: Lebensmittel sammeln für Bedürftige

Seite 6

Der erste Gottesdienst wieder mit Gemeinde

Kriminelle in der Bibel

Seite 15


EDITORIAL

MEINUNG

Foto: privat

Ansingen

Liebe Leserin, lieber Leser, wir waren dabei, als in der einzigen Glockengießerei Österreichs Glocken gegossen wurden. Lesen Sie über diese Musikinstrumente und wie sich ihr Klang entfaltet. Und dass es noch immer wohlgehütete Geheimnisse gibt, wenn es darum geht, eine Glocke zu produzieren. In diesem Heft lesen Sie natürlich auch über Corona und wie die Menschen in der Kirche damit umgehen: „Was wird bleiben?“, fragt Bischof Michael Chalupka. Und wir waren bei einem Gottesdienst nach acht Wochen Zwangspause dabei. Diese Ausgabe der SAAT erhalten auch wieder alle GemeindevertreterInnen. Sollten Sie zwei Hefte bekommen, geben Sie bitte eins einfach weiter. Vielleicht findet sich ja ein neuer oder eine neue AbonnentIn. Alles Gute! Ihr

Besuch bei Freunden, die in einem mittelalterlichen Schloss wohnen. Der Wein geht aus, der 13-jährige Sohn, ein Sängerknabe, wird in den tiefen Keller geschickt. Wir hören ihn singen. „Er hat Angst“, sagt sein Vater lächelnd, und in diesem Moment vernehmen wir Telemanns „Ach! wie lang, ach! lange. Ist dem Herzen bange“.

mich als Kleinkind fasziniert: Er bestand aus Kreuz, Anker und Herz, alles winzig und goldglänzend. Hielt sich die alte Frau dran fest, befürchteten meine Eltern, dass sie etwas bedrücke. Sie lagen damit richtig. „Weißt du“, sagte unsere Corona einmal zu mir, „das Kreuz steht für den Glauben, der Anker für die Hoffnung und das Herz für die Liebe. Und alle drei brauche ich, besonders, wenn’s „Lasst uns ansingen gegen Angst und mir nicht gut geht.“ Sorge“, sagte der Freiberger Dompfarrer Urs Ebenauer beim Fernseh- Jetzt hätte ich auch gern einen solgottesdienst am Sonntag Kantate. chen Anhänger, um mich daran festWas er empfiehlt, funktioniert. Oft zuhalten. Am Kreuz, um meinen habe ich als Kind im Dunkeln gegen Glauben an Gottes Güte nicht zu verdas Unheimliche angesungen. Ganz lieren. Am Hoffnungsanker, um mit von selbst. Später, im Erwachsenen- Telemann zu singen: „Meine Zuverleben, wird einem das abgewöhnt. sicht setze ich auf den Herrn“. Eine wunderbare Antwort auf das bange Wir haben andere Methoden entwi- Herz! Die Zuversicht, die brauchen ckelt und erleiden damit ganz schön wir jetzt: dass uns der Heilige Geist oft Schiffbruch. „Freu dich doch an das Richtige zur richtigen Zeit dendeinen schönen Pfingstrosen“, ver- ken und verwirklichen lässt. suchte ich eine Freundin, die grad aus ihrem Job rausgemobbt worden Und das Herz? Die Liebe, die brauwar, aufzumuntern. „Sag nie wieder chen wir am meisten. Eine Liebe, die so einen Blödsinn!“, pfauchte sie begeistert und ermutigt, die keinen mich an. Stimmt. Druck und Unsi- allein lässt, der es gelingt, miteinancherheit können einen in ein Loch der Schritt für Schritt aus der allgefallen lassen, aus dem man sich nicht meinen Bedrückung herauszukommit einer Pfingstrose und anderen men und gemeinsam Lösungswege gut gemeinten Ratschlägen heraus- zu finden. Leichter geht das mit dem manövrieren kann. Tipp vom Freiberger Dompfarrer: Lasst uns ansingen gegen Angst und Es ging gar nicht anders: In den letz- Sorge! ten Wochen dachte ich öfter an GABRIELE NEUWIRTH unsere längst verstorbene Zugehist Vorsitzende des Verbandes katholischer frau mit dem schönen Namen Corona. Publizistinnen und Publizisten Österreichs. Der Anhänger ihrer Halskette hatte

Marco Uschmann - Chefredakteur Titelseite: Glockenturm der MartinLuther-Kirche in Hainburg/Donau (NÖ) Foto: M. Uschmann

Zur Statistik in SAAT 4 Es hat mich gefreut, dass in der SAAT Zahlen zu Eheschließungen veröffentlicht wurden und auch, wie viele davon gleichgeschlechtliche Paare waren. Es hätte mich weiter interessiert, wie viele dieser Paare auch kirchlich evangelisch geheira-

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tet haben – diese Information ist leider nur sehr schwer zu bekommen! Falls Sie hier näher Einblick haben, würde ich mich über eine Antwort sehr freuen! Veronika Trautmann, Micheldorf/OÖ Wir haben im Kirchenamt nachgefragt und folgende Zahlen bekommen: Trauungen/Segnungen gesamt (da sie mitten im Jahr und nur für A.B. geändert wurden): 576; gemischt

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konfessionell: 320, rein evangelisch: 144, evangelisch mit Menschen ohne religiöses Bekenntnis: 112; gleichgeschlechtliche Eheschließungen: 7.

„Bunt malen“ Ich wünsche allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiter viel Engagement und „helle Köpfe“, auf dass das Niveau der SAAT hoch bleibe und die Informationen und Berichte (die


INLAND / MEINUNG

Bischof Chalupka: Was bleiben wird

Foto: M. Uschmann

Als ich das erste Mal die Kerze ange- vertrauensvoller Beziehungen hat auch Menschen angesprochen, mit zündet habe, war es noch dunkel. sich in der Zeit der Isolation als trag- denen zuvor nur wenig Kontakt Seitdem ist es ein liebgewordenes fähig erwiesen. Der Kontakt zwi- bestanden hat. Ritual am Abend um 8 Uhr, sich zu schen den Gemeindegliedern und Hause zu sammeln, den Tag im Gebet den Seelsorgerinnen und Seelsor- Wir haben erfahren, dass nicht alles zu bedenken und ein Vaterunser zu gern ist nie abgerissen, sondern war verfügbar und planbar ist. Wir sprechen. Blicke ich aus dem Fenster, intensiver denn je. Telefonketten haben gelernt, uns in Geduld zu sehe ich „Lichter der üben. Der Verzicht Hoffnung“ leuchten, auf den gewohnten bei der Nachbarin im Gottesdienst und vor ersten Stock und der allem auf die erlebte koreanischen Familie Gemeinschaft im gegenüber, von der Abendmahl hat mir ich sonst nur weiß, eine neue Verbindass sie mit einem dung zu den ErfahPekinesen spazierenrungen unserer geht. Jeden Abend evangelischen Vorsind wir im Gebet fahren in der Zeit verbunden. Das tun des Geheimprowir so seit dem 21. testantismus März, seit alle Kirerschlossen, ebenso chen angesichts der wie die Praxis der Bedrohung durch das Hausandachten, die Virus zum täglichen in vielfältiger Weise Gebet aufgerufen gefeiert wurden. haben. Diesen Mo- „Lichter der Hoffnung“: Zu Beginn der Corona-Pandemie riefen die Kirchen dazu auf, In den letzten Woment möchte ich mir jeden Abend um 8 Uhr zu beten – und eine Kerze anzuzünden (vgl. SAAT 4) chen habe ich mit bewahren. wurden gebildet, Briefe geschrieben, vielen Menschen telefoniert, Mails Ich hoffe, dass das Virus geht und Einkäufe getätigt für Menschen, die ausgetauscht und vor allem nach lanwir später unseren Kindern und sich zu ihrem Schutz isolieren ger Zeit wieder viele handgeschriebene Briefe lesen dürfen. Bei allen, Enkeln davon erzählen können, wie mussten. denen ich noch nicht persönlich antseltsam es war, Masken tragen zu müssen, einander nicht nahekom- Die „digitale Kirche“ hat einen Ent- worten konnte, muss ich mich entmen zu können und keine Gottes- wicklungssprung gemacht, der schuldigen. Eines weiß ich gewiss: dienste feiern zu dürfen in den sonst viel länger gedauert hätte. Die Die Wochen der Pandemie werden Zeiten, in denen es nur ein Thema Botschaft des Evangeliums hat nun bald Geschichte sein, wir aber köngegeben hat: Corona. Doch manches neue Kanäle gefunden in Andachten nen getrost unseren Weg in die wird bleiben. Und das ist gut so. auf Videokanälen, gestreamten oder Zukunft gehen. Jesus Christus lässt gezoomten Gottesdiensten und uns nicht allein. Die Kirche als Gemeinschaft hat vielem mehr. Neue Kontakte wurBISCHOF MICHAEL CHALUPK A sich bewährt. Das verbindliche Netz den geknüpft über soziale Medien,

journalistische Arbeit) weiter die evangelische „Landschaft“ in Österreich vielfältig illustrieren – sozusagen „bunt malen“! Dieter Krassnigg, Trofaiach/Stmk

Zum Titelthema in SAAT 5 Der Artikel von Dr. Christoph Weist „Die Apostel und das Geld“ hat mich

außerordentlich angesprochen – Paulus und die Gemeinde in Jerusalem werden richtig lebendig. Meine Frau Helene ist evangelisch A.B., ich bin katholisch sozialisiert. Sind von Dr. Weist auch andere Veröffentlichungen verfügbar? Richard Lanner, Wildschönau

lich weitere spannende Artikel. Wir schicken Ihnen gerne eine Auswahl.

Wertvolles Stück Normalität

Danke dafür, dass es auch in besonderen Zeiten verlässlich die SAAT und damit ein wertvolles Stück Normalität gibt! Vom früheren Chefredakteur der Werner und Veronika Hemedinger, per E-Mail SAAT Christoph Weist gibt es natürSAAT NR. 6 ✲ JUNI 2020 ✲ 67. JAHRGANG

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TV-GOTTESDIENST / INLAND

Foto: Hermann Kieleithner

Foto: H. Kieleithner, Grafik: ORF

„Überraschend fröhlich“: TV-Gottesdienst

TV-ÜBERTRAGUNG

EVANGELISCHER GOTTESDIENST „ÜBERRASCHEND FRÖHLICH“ Open–Air vom Lichtenberg am Attersee 21. Juni, 9.30 Uhr Mit der Gemeinde feiern Pfarrerin Gabriele Neubacher und Team. Musikalische Gestaltung: die Band der Gemeinde

Nicht nur in Zeiten der Krise tut es gut, neue Perspektiven zu gewinnen. Die Pfarrgemeinde Attersee im Salzkammergut verlässt dazu die Täler und feiert Gottesdienst auf dem Lichtenberg. „Überraschend fröhlich“ heißt der Gottesdienst, der am 21. Juni von 9.30 bis 10.15 Uhr auf ORF2 ausgestrahlt wird. Die Gemein-

depfarrerin aus Attersee, Gabriele Neubacher, sagt dazu: „Wir feiern unter dem Motto ‚Überraschend fröhlich‘, weil ein Wechsel der Perspektive in schweren Zeiten gut tut. Dazu hilft auch die wunderbare Bergwelt des Salzkammergutes.“

in diesem Heft bitten wir Sie um Hilfe – nicht für uns, sondern für Menschen, die sich ein SAAT-Abonnement nicht leisten können. Denn für manche Menschen bedeuten 27 Euro – so viel kostet die „SAAT“ im Vom Ort des Freiluftgottesdienstes, Jahresabonnement – eine Belastung. dem Lichtenberg hoch über dem Gerade auch in diesen Zeiten. Daher Attersee, geht der Blick über sanfte bitten wir Sie in dieser Ausgabe um Wiesen weit hinein ins Salzkammer- Ihre Mithilfe. gut. Bei gutem Wetter entdeckt man den Dachstein und den Schafberg. Mit Ihrer Spende erreicht die SAAT Vor einem schlichten Holzkreuz fei- auch weiterhin Menschen, die sich ert hier die Gemeinde, „Gemeinde- das Abonnement nicht leisten könglieder aus Attersee werden berich- nen. So kommt die SAAT mit Ihrer ten, wie der Glaube ihren Blick Hilfe auch zu Menschen in Krankenverändert und ihnen Kraft und häusern oder in Haftanstalten. Für Lebensfreude schenkt“, so Pfarrerin viele ist die SAAT oft die einzige Verbindung zur „evangelischen“ Welt – Neubacher. und in Zeiten des Abstandhaltens „Überraschend fröhlich“, Freiluftgot- wird das noch bedeutsamer. tesdienst am 21. Juni um 9.30 Uhr auf ORF2 (und ZDF) mit Pfarrerin Helfen Sie uns, damit wir anderen Gabriele Neubacher und Team. Für helfen können: Ermöglichen Sie mit die musikalische Gestaltung sorgt Ihrer Spende, dass die SAAT weiterhin ankommt. Knüpfen wir gemeindie Band der Gemeinde. sam weiter am Netzwerk der „SAATMARCO USCHMANN Familie“! Nutzen Sie dafür bitte den Erlagschein, der dieser SAAT beiliegt. Oder überweisen Sie Ihre Spende an die untenstehende Bankverbindung.

Das geheime Leben der Kirchturmtiere

Steckbriefe vieler Tiere, die eine punktgenaue Einordnung erleichtern. Dort erhält man teils spannende Hintergrundinformationen, zum Beispiel, dass Dohlen monogam leben, während Turmfalken ihre Partner häufig wechseln.

Schon jetzt ein herzliches Dankeschön im Namen jener, die durch Ihre Hilfe weiterhin die SAAT lesen können. Bleiben Sie gesund! Ihr Dr. Thomas Dasek SAAT-Geschäftsführung IBAN: AT15 3200 0000 0747 6088 BIC: RLNWATWW Verwendungszweck: „Sonderspende“

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Haben Sie gewusst, dass die Dohle der Vogel ist, der am häufigsten auf Österreichs Kirchtürmen lebt? Nein? Nun, haben Sie schon mal nachgeschaut? Vielleicht ist gerade jetzt die Gelegenheit günstig: Die Umweltbeauftragten der Kirchen in Österreich haben nämlich alle naturinteressierten Menschen dazu aufgerufen, sich an einem Projekt zur Beobachtung von Tieren rund um die heimischen Kirchtürme zu beteiligen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Mit den gewonnenen Wer mitmachen will, lädt Daten wollen die einfach ein Foto des Umweltbeauftragten gesichteten Vogels, das Wissen über die Insekts, Käfers oder Besiedlung von Kirchen jedes anderen Tiers über durch Tiere verbessern, die App „Naturbeobachtung.at“ um Naturschutzmaßnahoder die Website www.kirchturmmen für gefährdete Arten tiere.at hoch. Wer in der Ornitholo- ausarbeiten zu können. Das 2019 gie noch nicht ganz so bewandert gestartete Projekt ist eine Kooperaist, findet dort auch ausführliche tion des Vereins zur Förderung

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kirchlicher Umweltarbeit, in dem die Umweltbeauftragten der Römischkatholischen und der Evangelischen Kirche vertreten sind, mit BirdLife Österreich und dem Naturschutzbund Österreich. RED


LOKALES / INLAND

Essen für Familien statt für die Tonne 157.000 Tonnen Lebensmittel werfen die Österreicherinnen und Österreicher jedes Jahr in den Müll – obwohl sie noch unverdorben oder gar noch verpackt sind. Zugleich sind mehr als eine Million Menschen hierzulande armutsgefährdet. Ein Missverhältnis, gegen das die evangelische Pfarrgemeinde Gröbming (Stmk) im Kleinen vorgeht – und das mit wachsendem Erfolg. Seit zwei Jahren sammelt ein Team von rund zehn Freiwilligen in Supermärkten Lebensmittel, die das Ablaufdatum überschritten haben, ansonsten aber einwandfrei sind. Die Waren werden dann im evangelischen Pfarrhaus an sozial schlechtergestellte Menschen verteilt. Zunächst war nur ein Supermarkt mit an Bord, mittlerweile seien es alle drei großen Geschäfte der obersteirischen Marktgemeinde, erklärt Pfarrer Manfred Mitteregger im Gespräch mit der SAAT. Die Supermarktbetreiber von der Idee zu überzeugen sei ein Leichtes gewesen: „Gröbming ist ein kleiner Ort, da hat man gute Kontakte, und das ist überhaupt kein Problem.“ Gesammelt und ausgegeben werden die Lebensmittel immer montags und donnerstags. Etwa fünf bis zehn Familien kämen pro Woche, schätzt

Mitteregger. Weggeworfen werde dabei nie etwas: „Wenn wir merken, um 17 Uhr ist noch viel da, dann rufen wir manche Familien noch an oder stellen es auf Facebook, und innerhalb von zwei Stunden ist es weg.“

Foto: W. Mitteregger

Pfarrgemeinde Gröbming sammelt Lebensmittel in Supermärkten

(v.r.:) Der Initiator des Projekts, Kurator-Stellvertreter Reinhard Getzlaff,

In der Corona- mit Anni Hutegger, Eva Lanz, Pfarrer Mitteregger und Schwester Waltraud Krise, die Wonka. Bis zu zehn Familien kommen jede Woche durch Kurzarbeit und Arbeitslosig- stetig wächst – auch sonst besondere keit immer mehr Menschen wirt- Aufmerksamkeit. So habe man einen schaftlich belastet, habe er noch Sozialfonds eingerichtet, der Menkeine gestiegene Nachfrage an schen in Notlagen helfen soll. Die Lebensmittelspenden bemerkt, sagt Bemühungen werden honoriert; erst der Pfarrer. Die Versorgung laufe unlängst habe ein anonymer Spenübrigens auch jetzt problemlos – nur der 10.000 Euro beigesteuert. eben mit Masken. Einzig das große Fest zum zweijährigen Jubiläum der Gleichwohl will Mitteregger die Lebensmittelaktion im Mai fiel ins Arbeit der Gemeinde nicht nur auf das Diakonische festgelegt wissen. Wasser. Im gleichen Maße wichtig sei die missionarische Arbeit: „Wir halten Übrig bleibt nie etwas die Balance zwischen Diakonie und Dem diakonischen Engagement wid- Spiritualität.“ met die Gemeinde – laut Mitteregger RED eine der wenigen in Österreich, die

75 Jahre Befreiung KZ Mauthausen Ökumenischer Gottesdienst Vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Kurz vor Kriegsende wurde das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten auf österreichischem Boden – das KZ Mauthausen in Oberösterreich – von der US-Armee befreit. Rund 200.000 Menschen waren bis dahin in Mauthausen und seinen Nebenlagern interniert, etwa die Hälfte davon überlebte nicht.

Chalupka bei einem ökumenischen immer wieder neu verteidigt werden. Gottesdienst am Sonntag, 10. Mai, in Notwendig sei auch ein Gespür für der Kapelle der Gedenkstätte des das Leid anderer, „damit Geschehehemaligen Konzentrationslagers nisse wie unter dem NS-Regime, als Mauthausen zum Jahrestag der Menschen zum ‚Material‘ und zur Befreiung. Nur durch das Gedenken ‚Nummer‘ degradiert wurden, nicht könne Entwicklungen widerstanden eintreten“. Der orthodoxe Erzprieswerden, die den Wert eines Lebens ter Alexander Lapin erinnerte an über den Wert anderer Leben den Weltkrieg als die „schlimmste Katastrophe der Menschheit“ mit 70 stellen. Millionen Toten. Die Seelen der MärIm Rahmen des Gedenkgottesdiens- tyrer seien in Mauthausen präsent „Ohne das Erinnern der Lebensge- tes an einem „Ort der Unmenschlich- und würden bis heute auffordern: schichten der Opfer mit in die keit und Barbarei“ betonte der Lin- „Besinnt euch! Wehret den AnZukunft zu nehmen, bleibt die zer römisch-katholische Diözesan- fängen!“ Zukunft gefährdet“, sagte der evan- bischof Manfred Scheuer, MenschRED gelisch-lutherische Bischof Michael lichkeit sei verletzlich und müsse SAAT NR. 6 ✲ JUNI 2020 ✲ 67. JAHRGANG

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LOKALES / INLAND

Endlich wieder Gottesdienst mit Gemeinde

Luther-Figur mit Mundschutz und Verhaltensregeln: damit jeder Bescheid weiß

nur zwei Menschen mitfeiern dürfen“, so die Pfarrerin.

Fotos: U. Blaich

Gottesdienst bedeutet Gemeinschaft. Das gilt besonders, wenn er in der extremen Diaspora gefeiert wird, wie in Zwettl (NÖ): „Endlich konnten wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern“, freute sich Pfarrerin Birgit Schiller. Am 17. Mai kam die Gemeinde in der Propsteikirche in Zwettl wieder zusammen, „weil unsere Kirche zu klein ist. Da hätten

Die Propsteikirche, die der Sparkasse Zwettl gehört, bot für 16 GottesdienstbesucherInnen Platz. „Wir wussten vorher schon, wer kommt, haben „Ich lobe meinen Gott“: Gesungen wurde trotz Mundschutz in Zwettl Familien zusammengesetzt und auf jeden Die Menschen hätten sich gefreut, Platz ein Gesangbuch gelegt. So einander wiederzusehen, aber es sei wussten alle, wohin sie sich setzen auch schwierig gewesen, trotz aller sollten.“ Am Kircheneingang achtete Freude die nötige Distanz zueinanPresbyterin Ute Blaich auf die Desin- der einzuhalten. Auch seien etliche fektion, die Abstände der Menschen Gemeindeglieder zu Hause geblieben, zueinander und darauf, ob alle einen weil sie noch verunsichert waren. Mundschutz tragen. Nach dem Gottesdienst standen die „Wir haben trotz Mundschutz gesun- Menschen noch beieinander – mit gen, denn das gehört zu einem evan- entsprechendem Abstand – und plaugelischen Gottesdienst dazu“, so die derten miteinander. „Es war einfach Pfarrerin. Das sei zwar schwierig eine gute Stimmung“, resümierte gewesen, „aber in unserer Liturgie Pfarrerin Schiller. singen wir immer ‚Ich lobe meinen MARCO USCHMANN Gott‘, selbstverständlich auch heute“.

Bischöfen, PfarrerInnen oder dem Papst zuhören Was haben Bischof Michael Chalupka, Papst Johannes Paul II., Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und Rapid-Pfarrer Christoph Pelczar gemeinsam? Sie und viele andere sind HauptdarstellerInnen in der neuen Podcast-Serie von „Studio Omega“. Die ökumenische Radioagentur produziert seit einigen Monaten Podcasts zu kirchlichen und gesellschaftspolitisch brisanten Themen. Zu Wort kommen bekannte und zum Teil auch weniger bekannte Persönlichkeiten. Sie alle eint, dass sie „etwas zu sagen haben“, wie „Studio Omega“-Chefredakteur Georg Pulling betont.

und angehört werden – und zwar auf www.studio-omega.at, auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts wie etwa podtail und auf Spotify. Im Wochenrhythmus kommt mindestens eine neue Folge hinzu.

Ein kleiner Streifzug durch die bisherigen Folgen: Bischof Michael Chalupka zieht Bilanz über seine bisherige Amtszeit und findet: „Wo immer man als Bischof hinkommt, ist Kirche schon da und lebendig“. Die Wiener Pfarrerin Daniela Schwimbersky erzählt über ihre Arbeit als Gefängnisseelsorgerin und über ungewöhnliche Gottesdienste. Der DiakonieSozialexperte Martin Schenk Mehr als 35 Sendungen, meist zwi- berichtet, welche zusätzlichen Hilfsschen 20 und 35 Minuten lang, wur- angebote armutsgefährdete Bevölden bereits produziert und können kerungsgruppen in Corona-Zeiten wann und wo auch immer abgerufen besonders brauchen.

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Freilich kommen im Kirchen-Podcast auch Vertreter der Katholischen und weiterer Kirchen zu Wort, so etwa die römisch-katholischen Bischöfe Ägidius Zsifkovics und Werner Freistetter oder der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Jordana Schmidt ist Ordensfrau und Kinderdorfmutter. Sie erzählt über ihren gewöhnlich-ungewöhnlichen Alltag. Oder Sie begleiten RapidPfarrer Christoph Pelczar bei seiner Arbeit. Er verrät Ihnen, was jeder von der „Rapid-Viertelstunde“ für das eigene Leben lernen kann, aber auch, wie er versucht, der CoronaZeit positive Aspekte abzugewinnen. www.studio-omega.at RED


INLAND

Burg Finstergrün trotzt dem Virus

Und wie geht es weiter? Darüber herrschte bis zum Redaktionsschluss dieser SAAT-Ausgabe Unklarheit, auch wenn die Burg seit 29. Mai wieder geöffnet hat: „Dürfen in unseren Zehn-Bett-Zimmer nur ein Mensch oder eine Familie schlafen? Dürfen Jugendgruppen überhaupt kommen? Dürfen wir Salzstreuer aufstellen?“ Über all das herrschte wenige Tage vor Wiedereröffnung noch Unklarheit, erklärte Pfarrer und Burgrat Manfred Perko der SAAT. Der heurige Sommer

werfe zudem mit vielen Stornierungen – „mindestens 40 bis 50 Prozent“ – einen Schatten voraus. In dieser Situation bereite man sich auf verschiedene Szenarien vor – je nachdem, was die Bundesregierung erlauben werde. Mit Unterstützung von Seiten der Regierung sehe es ebenfalls eher schlecht aus. Allzu große Trübsal lässt man auf Burg Finstergrün trotzdem nicht aufkommen. Der ausgebildete Spielpädagoge Perko will eine Übersicht über „coronataugliche“ Spiele erstellen, die ohne Körperkontakt auskommen. Das Ergebnis stellt

das Burgteam Gemeinden für KonfiArbeit oder Jugendgruppen zur Verfügung. Um auch auf diesem Weg wie eine Burg dem Virus zu trotzen. Weitere Informationen: www.burg-finstergruen.at MICHAEL WINDISCH

Foto: M. Uschmann

Eine feste Burg bringt so leicht nichts ins Wanken. Und doch hinterließ die Corona-Krise auch an Burg Finstergrün im salzburgischen Ramingstein ihre Spuren. Anstelle des großen Frühjahrsputzes im April mussten die Tore des evangelischen Freizeithauses geschlossen bleiben. Statt Konfi-Wochenenden blieb es den ganzen Mai über still im Burghof. Eine großangelegte Pfingstfreizeit wurde frühzeitig abgesagt.

Burgrat Manfred Perko beim großen Fest zum 70-Jährigen Jubiläum der Evangelischen Jugend auf Burg Finstergrün vergangenen September. Der Pfarrer plant gemeinsam mit anderen „coronataugliche“ Aktivitäten auf der Burg

Schmerzhaft: Keine Gustav-Adolf-Feste Wie so vieles müssen heuer auch die Gustav-Adolf-Feste in allen Diözesen ausfallen. Geplant waren sie, wie jedes Jahr, für den Fronleichnamstag: „Das geht natürlich nicht dieses Jahr. Alle Feste bis auf das in Vorarlberg – hier ist an eine Verschiebung in den Herbst gedacht – fallen leider aus“, sagt der Geschäftsführer des Gustav-Adolf-Vereins (GAV), Pfarrer Michael Guttner aus Feld am See (Ktn), im Gespräch mit der SAAT. Insgesamt seien das etwa 5000 Menschen, die nicht feiern werden, „immerhin sind die Gustav-AdolfFeste die größten Treffen aller Evangelischen in den Diözesen“. Die Feste haben eine Tradition von über 150 Jahren, „und sie haben auch eine große Öffentlichkeitswirksamkeit“, betont Guttner. „Im Burgenland etwa ist regelmäßig fast die gesamte Landesregierung beim Fest, ebenso in Kärnten/Osttirol.“ Hier gab es nur in den Jahren 1915–1919, 1940, 1943 und 1944 keine Feste,

sondern nur Vorstandssitzungen – was natürlich an den beiden Kriegen zu jener Zeit lag. „Und 1873 musste das Gustav-Adolf-Fest wegen einer Epidemie ausfallen.“ Auch die Vereinsarbeit ist stark eingeschränkt: „Für den Herbst war das Hauptfest des GAV Österreich im Oktober in Steyr geplant. Dort hätte es auch Neuwahlen des Vorstands gegeben. Das müssen wir wohl auch um ein Jahr verschieben, weil die Vorbereitungen und vorausgehenden Wahlen und Treffen nicht stattfinden können.“

zeige sich auch an den Besucherzahlen: „Wir haben mit 2000 Gästen gerechnet.“ Ausgefallen ist das Gustav-Adolf-Fest im Burgenland das letzte Mal 1973, „wegen der damals grassierenden Maul-und-Klauen-Seuche“.

Auch im Zweigverein Wien entfallen alle geplanten Aktivitäten, wie etwa Vorstandssitzungen oder die Delegiertenversammlung. „In meiner Dienstzeit als Pfarrer und meiner 20-jährigen Zeit als Obmann des GAV in Wien ist bisher noch nie ein Die Gustav-Adolf-Feste sind gerade Fest ausgefallen“, sagt Hartmut im Burgenland „eine lange und Schlener, Pfarrer aus Wien-Hüttelgerne gelebte Tradition“, wie Pfarre- dorf. Besonders schmerzhaft für den rin Ingrid Tschank aus Gols unter- Wiener GAV-Obmann ist der Verlust streicht. In ihrer Gemeinde war das für die Beziehungspflege ins AusFest für 2020 geplant. Die Obfrau land. Er selbst werde am Fronleichdes Zweigvereins: „Diese Feste för- namstag die Christuskirche in Matzdern die Gemeinschaft und das leinsdorf besuchen, wo das Fest Zusammengehörigkeitsgefühl der geplant war. Evangelischen. Sie gehören zu den MARCO USCHMANN Höhepunkten im Kirchenjahr.“ Das SAAT NR. 6 ✲ JUNI 2020 ✲ 67. JAHRGANG

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AUSLAND

Mut zum Minimalismus: 18 Millimeter dicke Bibel

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Foto: Bibelgesellschaft

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Den Bibelschmugglern im Geheim- gaben“. Mit 14 Euro ist der Preis der protestantismus hätte diese Bibel „SlimBibel“ ebenso schmal. die Arbeit wohl wesentlich erleichRED tert: Nur 18 Millimeter dick ist die Ausgabe der Heiligen Schrift, die die Deutsche Bibelgesellschaft jetzt auf den Markt gebracht hat. Und trotzKleiner Anzeiger dem fehlt es darin an nichts – oder zumindest nur sehr wenig. KIRCHENBÄNKE TISCHE + STÜHLE Abgedruckt sind auf den 810 extra Fa. Wittmann GesmbH dünnen Seiten alle Schriften des www.wittmann-gmbh.at Alten und des Neuen Testaments. Tel. 07615/22 91 Auch auf Kapitelangaben und Versnummern wollte man trotz radikaler Reduktion nicht verzichten. Zeilenwechsel wurden dafür durch SchrägBLUMENSCHMUCK striche ersetzt. Die Angabe von Pafinden Sie in reicher Auswahl in rallelstellen fiel dem minimalisden Gärtnereien der evangelischen tischen Ansatz ebenfalls zum Opfer. Gemeinden A.B. und H.B., Wien X, Textgrundlage ist die interkonfessioTriester Straße 1, Tel. 604 33 42; nelle Übersetzung der 1968 erstmals XI, Simmeringer Hauptstraße 242, Tel. 767 62 54, Fax DW 4, evangeerschienenen und seitdem mehrfach lische Friedhöfe. revidierten Gute-Nachricht-Bibel. Es werden auch Kranzbestellungen Als Zielgruppe definiert die Bibelgefür sämtliche Wiener Friedhöfe sellschaft unter anderem Reisende entgegengenommen. und „Fans ungewöhnlicher Bibelaus-

Ja, ich will mehr SAAT!

Abo: € 27,‒ pro Jahr (Ö) 01/712 54 61, epv@evang.at Die SAAT erscheint jeden Monat. Der Preis enthält bereits die Versandkosten innerhalb Österreichs. Das Abo verlängert sich automatisch zum jeweils gültigen Preis, wenn es nicht mindestens 4 Wochen vor Ablauf des aktuellen Kalenderjahres schriftlich gekündigt wird. Druckfehler vorbehalten.

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Foto: M. Uschmann

Glocken

Sehr wichtig bei Glocken sind die bauphysikalischen Gegebenheiten – die Statik muss regelmäßig überprüft werden bei den tonnenschweren Musikinstrumenten. Im Bild die läutende Glocke von St. Nikolai in Rinteln/ Norddeutschland in ihrem Glockenstuhl – die lauteste Umgebung, in der der Autor je auf den Auslöser gedrückt hat

B

etriebsame Geschäftigkeit herrscht in der großen Halle: Männer rufen durcheinander, richten ihre Werkzeuge, kontrollieren ihre schweren Schutzanzüge. Jeder kennt seinen Platz, alle sind äußerst konzentriert. Auch die ZuschauerInnen, die dabei sind. Gleich werden die Glocken gegossen, das Metall in den großen Zylindern kocht, hat die Gießtemperatur von 1100 Grad erreicht. Dementsprechend heiß ist es in der großen Halle der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck. Das ist der Moment, in dem innegehalten wird. Einer der Besucher ist ein Pfarrer. Er ist dabei, wenn die Glocke seiner Gemeinde gegossen wird. Nun spricht er ein Gebet, in dem er darum bittet, dass der Guss gelingen möge. Und dann geht es endlich los: Der Gießermeister neigt den großen Zylinder und langsam fließt die glühende Bronze in die Form. NR. 6 ✲ JUNI 2020 ✲ 67. JAHRGANG

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T H E M A: G LO CK E N

Glocken werden seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise gegos- besteht nun darin, diese Teiltöne sowohl innerhalb einer Glocke sen – und doch heute mit moderner Technik ganz anders. „Ob- als auch im Geläute mehrerer Glocken miteinander in klangliche wohl unsere Familie seit über 400 Jahren Glocken gießt, machen Harmonie zu bringen. wir jeden Monat ein Experiment, um neue Erkenntnisse zu gewinnen“, sagt Johannes Grassmayr, der mit seinem Bruder Peter das So ist klar, dass Glocken immer auf einen bestimmten Ton geFamilienunternehmen leitet. Dass eine Glocke miss- stimmt sind. Diese Stimmung gelingt schon beim Guss der Glocke linge, „kommt heutzutage eigentlich nicht mehr sehr gut, aber natürlich muss das Instrument nach dem Abkühlen vor“. Dennoch sei nach wie vor nicht ganz noch gestimmt werden: „Bei einer Glocke, die neun Tonnen wiegt, geklärt, wie viel Zeit es brauche, um eine können es schon einmal 16 Kilogramm sein, die wir herausnehGlocke abkühlen zu lassen: „Mein Vater und men“, sagt Grassmayr. mein Großvater haben noch nach dem Standpunkt gearbeitet, eine möglichst lange Abkühlungsphase zu haben.“ Ebenso habe sich das Gießen selbst verändert: „Jahrhundertelang wurde das Metall von oben in die Form gegossen. Wir haben herausgefunden, dass der Guss von unten, also ansteigend, viel besser ist. Das ergibt eine bessere Metallqualität und das Metall ist weniger porös.“ Die Gussoberfläche wird dadurch viel sauberer und der Nachhall der Glocke dauert erheblich länger – ein wichtiges Qualitätskriterium einer Glocke. „Das hört jeder“, stellt Johannes Grassmayr fest, „dazu braucht man kein Experte zu sein“. Immerhin handelt Schlägt man eine Glocke einmal an einer Stelle an, so erklingen über 50 es sich bei Glocken ja um Musikinstrumente. Teiltöne. Würde man eine Glocke in viele dünne Ringe schneiden, so würde jeder Ring mit einem bestimmten Ton erklingen. Der Ton eines jeden Ringes Für eine Glocke als Musikinstrument ist ergibt sich aufgrund der Relation der Wandstärke zum Durchmesser. Eine entscheidend, dass der Ton eine besonde- Glocke erklingt daher in der Summierung vieler Ringe mit deren Tönen re Empfindung bei den Menschen auslöst. Dieser Ton heißt „Nominal“. Er ist der am stärksten wahrnehmbare Weil Glocken Instrumente sind, ist der oder die für Kirchenmusik Ton beim Glockenanschlag. Wenn man einmal darauf achtet, dann Verantwortliche meist auch zuständig für die Glocken und das hört man diesen Ton sehr gut, wenn eine Glocke erklingt. Aber Geläut in den Kirchen. So auch in der Evangelischen Kirche in Öseigentlich gibt es diesen Ton nicht, denn er ist mit keinem phy- terreich: Landeskantor Matthias Krampe steht beratend zur Seite, sikalischen oder elektronischen Gerät messbar. Dieser Schlagton wenn eine Pfarrgemeinde überlegt, sich neue Glocken anzuschafist nämlich durch die Vermischung der verschiedenen Glocken- fen: „Bevor es aber an die Glocke selbst geht, muss etliches andere töne eine akustische Täuschung, die jeder Mensch etwas anders geprüft und betrachtet werden. Zuerst natürlich die bauphysikaempfindet. Die einzelnen Teiltöne der Glocke werden selbstver- lischen Gegebenheiten, also ob die Statik passt und die Glocke ständlich mit elektronischen Geräten genau analysiert. Die Kunst oder die Glocken mit dem Gestühl zusammenpassen.“ Ansonsten sei aber alles offen, es gebe in der Evangelischen Kirche in Österreich keine Läuteordnung wie in vielen deutschen Landeskirchen. „Die Glocken läuten, und damit ruft Gott gewissermaßen zum GotWISSEN tesdienst.“ Jedoch gebe es keine große Glocken-Tradition bei vielen Evangelischen Pfarrgemeinden in Österreich (siehe dazu S. 16), Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango. (Die Lebenden „denn in Zeiten des Geheimprotestantismus hatte man natürlich ruf ich. Die Toten beklag ich. Die Blitze brech ich.) keinen Bedarf an Glocken“. Bei der Frage nach der ältesten evangelischen Glocke zögert Krampe: „Vielleicht die in Hallstatt von 1864, Fest gemauert in der Erden denn mit dem Protestantenpatent von Kaiser Franz Joseph im Jahr Steht die Form, aus Lehm gebrannt. 1861 wurde die Evangelische Kirche der Katholischen Kirche rechtHeute muß die Glocke werden. lich im Wesentlichen gleichgestellt und durfte daher Glocken haFrisch, Gesellen! seyd zur Hand. ben.“ Viele evangelische Kirchen hatten gar keine Kirchtürme, „wo Von der Stirne heiß hätte man denn die Glocken anbringen sollen?“ Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben! Viele Glocken in der Evangelischen Kirche stammen aus den Doch der Segen kommt von oben. 1950er Jahren, und das hat seinen Grund: In den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts wurden Glocken vom Staat Beginn „Die Glocke“ von Friedrich Schiller (1799) konfisziert, denn das Metall war wichtig für die Rüstung. Interessant ist hier der Blick in die Zeit des Ersten Weltkriegs, 1914–1918: Im Erlass des Oberkirchenrates, damals die oberste staatlich-kirch-

Ton,

jeder

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Grafik: Grassmayr

Ein den


Foto: M. Uschmann

liche Behörde der Evangelischen Kirche, vom 2.10.1915 heißt es: „… die Gemeinden sollen ihre Glocken dem Kriegsministerium zur Verfügung stellen …“ Dieser Erlass galt natürlich auch für die Pfarrgemeinde Waiern in Kärnten. Sie allerdings leistete Widerstand, wie Protokolle der Gemeindevertretersitzungen zeigen. So schreibt Walter Pobaschning in „Glaube und Heimat“ 2014: „Der Gemeinde ist die jahrzehntelange Mühe der Errichtung ihrer Kirche mit Turm und Glocke/Uhr in der Generationenfolge unmittelbar bewusst. Die Gemeinde bedauerte, ‚ihr schönes Geläut‘ zu verlieren, aber es sei ‚eine heilige Pflicht‘. Jedoch können nur die beiden kleinen Glocken (die wesentlich der Geschlechterdifferenzierung bei Todesfällen dienten – Mann/Frau/Kind kam dabei ein eigener Glockenton und Schlagrhythmus zu) gespendet werden. Die ‚große Glocke‘ sei nötig für den Gottesdienst wie die Warnung vor Naturereignissen (Wetterläuten) und Feuer. Diese sei daher ‚unersetzlich‘. Dabei lässt sie sich auch von einem Schreiben des Militärkommandos in Graz bei Drohung des Kriegsgerichtes in Folge weiterer Nichtabgabe der Glocke nicht beirren.“ Schließlich hat die Pfarrgemein- 1100 Grad heiß ist die Bronze, wenn die Glocke gegossen wird de Waiern Erfolg und die große Glocke bleibt im Turm. Beanspruchung der Glockenbronze durch den vorhandenen KlöpDiese Probleme hatte die Pfarrgemeinde Bruck an der Leitha mit pel zu verringern“, erklärt Johannes Grassmayr. Als nächster Schritt ihrer Kirche in Hainburg/Donau nicht: Ihre Martin-Luther-Kirche wurde mittels Computersimulation ein neuer Klöppel mit geänwurde 2011 erst eingeweiht. Neben der neugebauten Kirche hat derten Proportionen und flugdynamischen Eigenschaften berechdie Pfarrgemeinde einen 20 Meter hohen Glockenturm errichtet. net. Der neue Klöppel, immerhin knapp drei Meter lang, ist um Und eine Glocke hineingehängt. Produziert hat die Glocke die Glo- ein Viertel leichter als der alte: „Wir haben das Gewicht von 836 kg ckengießerei Grassmayr: „Wir sind damals mit fünf Gemeindeglie- auf 637 kg reduziert. Den Ballen des Klöppels haben wir aber mit dern nach Innsbruck zum Guss gefahren“, erzählt Helga Reichl. „Es einem achtprozentig größeren Volumen berechnet.“ Damit wird war uns wichtig, dass nach so vielen Jahren des Geheimprotestan- die Glocke erheblich weniger belastet als vorher. Eingebaut wurde tismus unsere Kirche einen hohen Turm hat mit einer Glocke darin, weit zu hören.“ Besonders der verstorbene niederösterreichische WISSEN Superintendent Paul Weiland hatte sich dafür eingesetzt. „So ein Glockenguss ist schon ein ganz besonderes Erlebnis und sehr feiGlocken werden auch heute noch nur freitags gegoserlich“, erinnert sich Reichl. Auch beim Guss ihrer Glocke wurde sen. Als Grund wird der Todestag Jesu angeführt. Wahrvorher ein Gebet gesprochen und die Gießer knieten dabei. Die scheinlicher ist, dass nach dem Freitag die frisch gegosHainburger Glocke wiegt 130 kg und hat einen Durchmesser von sene Glocke über das Wochenende abkühlen kann. 60 cm. Die Glocke mit einem Relief Martin Luthers hat insgesamt 7000 Euro gekostet, finanziert wurde die gesamte Produktion vom Martin-Luther-Bund in Deutschland und in Österreich. der Klöppel in der Pummerin am Aschermittwoch 2011. Bei einem Zurück nach Innsbruck, zur einzigen Glockengießerei Österreichs: Läutewinkel von 55 Grad schlägt der Klöppel nun mit dem 280„Die Klangentfaltung ist für Glocken als ‚Musikinstrumente‘ nach Fachen der Erdbeschleunigung 34,5-mal pro Minute die Glocke an. wie vor das wesentliche Kriterium“, sagt Johannes Grassmayr, der Die jeweilige Kontaktzeit des Klöppels beim Glockenanschlag beseit 30 Jahren in der Geschäftsführung der Glockengießerei ar- trägt nur 0,98 Millisekunden. beitet. „Aber auch der Guss gehört dazu. Auch für Laien ist vergleichbar, ob der Guss der Glockenoberfläche qualitätsvoll und die Trotz modernster Technik und dem Einsatz von Computermesfeinen Verzierungen in Schönheit gegossen wurden oder ob die sungen ist die Erfahrung nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil Glocke geprägt ist von einer ‚lebendigen Erscheinung‘ mit Guss- beim Glockengießen. Der Senior der Glockengießerei, Christoph nähten, Ruppigkeit und ‚Cellulite‘“. Grassmayr, ist 82 Jahre alt und noch immer einige Male pro Woche in der Gießerei. Hier haben die rund 25 MitarbeiterInnen meist Das aber ist noch längst nicht alles. Um den schönen Klang einer eine doppelte Ausbildung: Sie sind beispielsweise Mechaniker Glocke zu erreichen, ist auch die umgebende Technik wesent- und Metallgießer. Die Glockenberechnung ist jedoch Familiengelich. Das zeigte sich bei der wohl berühmtesten Glocke Öster- heimnis, und das seit 1599, seit 14 Generationen. Eine besondere reichs, der „Pummerin“ mit ihrem Gewicht von über 21 Tonnen: Zutat des „traditionellen Lehmformverfahrens der Glockengießer Hier hatten Forschungen gezeigt, dass die Glocke gefährdet ist. Hausen-Mabilon“ aus dem 16. Jahrhundert haben die modernen Das lag an dem nicht optimalen Klöppel, der erst seit 1954 in Be- Glockengießer jedoch nicht übernommen: besten Pferdemist für trieb war. Rasch war klar, dass ein neuer Klöppel hermusste. Mit den Lehm der Glockenform. MARCO USCHMANN dem Austausch wurde die Glockengießerei Grassmayr beauftragt. „Als Sofortmaßnahme haben wir den Läutewinkel der Pummerin Zur Läuteordnung einer Pfarrgemeinde lesen Sie S. 16. von 54 auf 50 Grad reduziert. Das war wichtig, um die intensive NR. 6 ✲ JUNI 2020 ✲ 67. JAHRGANG

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KINDERPÄDAGOGIK

Von Gott in Bildern und Vergleichen reden „Aber gibt es nicht ein Gebot, das sagt, du sollst dir kein Bild von Gott machen?“, so fragen mich aufmerksame SchülerInnen, wenn ich sie bitte, zu malen, wie sie sich Gott vorstellen. Ich erkläre ihnen dann, dass es in dem Gebot um „Bildnisse“, also auch Statuen, heilige Gegenstände u.Ä. geht, wie sie früher angebetet wurden (vgl. Goldenes Kalb). Damit man Gott nicht auf einen gemachten Gegenstand beschränkt und festlegt.

sie Kindern den Glauben weitergeben wollen. Welches ist mein Lieblingsbild von Gott, gibt es auch Vorstellungen, die mich bedrücken oder mir Angst machen, die ich nicht aushalte?

Allein schon unser häufigstes Gebet, das „Vaterunser“, gibt uns ein wichtiges, in tiefste seelische Zusammenhänge gehendes Bild mit: Vater. Das kann wunderbar und hilfreich besetzt sein mit Vertrauen, Stärke, Ein Phänomen der menschlichen Fürsorge, Anleitung, Schutz, Liebe Sprache und Fantasie ist es, dass bei usw., aber je nach eigener Erfahrung gehörten oder gelesenen Wörtern Bil- auch mit Gewalt, Strafe, Abweisung,

Naturerfahrungen der Kinder gefüllt werden. Auch die „Burg“ hat erlebbare reale Vorbilder. Beim Heiligen Geist wird es schon etwas schwieriger, vor allem weil es viele Kinderbücher und -filme mit durchsichtigen Geistwesen gibt, die sehr menschliche Eigenschaften widerspiegeln. Um nun diese Vorstellungen nicht allein oder zu stark zu verankern, braucht es Vergleiche wie Wind, Feuer, Energie, Sturm, Hauch, Atem, aber auch Kraft, Bewegung, Ideen, Lebendigkeit (Letztere für ältere Kinder). Kindern sollte aber auch das Fragezeichen als Gottesbild nicht verschwiegen werden. Mit keinem „Bild“ der Welt lässt sich Gott ganz erfassen und beschreiben, es bleibt immer etwas offen, manchmal durchaus in einem unangenehmen Dunkel.

der vor dem „inneren Auge“ entstehen, die den Wortinhalt begleiten und sich aus bereits gemachten Vorstellungen, Wahrnehmungen und Erfahrungen zusammensetzen. Spricht man z.B. von „Gott ist wie die Sonne“, so schwingen die Wahrnehmungen von Licht und Wärme, der Farbe Gelb usw. mit. Wir können also gar nicht von Gott erzählen, ohne damit „Bilder“ im Gegenüber wachzurufen. Was wir als Kinder über Gott hören, später auch lesen, legt solche Bilder in uns an, die uns unser Leben lang begleiten. Diese „Urbilder“ werden mitbestimmen, wie tragfähig der Glaube im Erwachsenenalter sein wird. Umso wichtiger ist es daher, dass sich Erwachsene diese Bilder in sich selbst bewusst machen, wenn

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Zuerst Vorlesen von verschiedenen (Psalm-)Texten mit Beschreibungen von Gott (s.o.) Dann die Kinder bitten, ihr Lieblingsbild von Gott auf kopierte, ausgeschnittene Puzzleteile zu malen oder zu schreiben. Schließlich die Puzzleteile zusammenfügen, dabei eines leer lassen, eines mit einem Fragezeichen versehen. Dann das Ergebnis miteinander betrachten, ev. noch einmal nachfraVernachlässigung. Gut, dass uns die gen, welche Gedanken den Kindern Bibel von Gott auch als tröstender jetzt noch kommen. Und vielleicht Mutter berichtet. Die Grunderfah- fällt den Kindern ja noch ein moderrungen mit unseren Eltern prägen ner Vergleich ein. nachhaltig auch unser Verständnis von Gott. Weitere „Bilder“ liefert uns Kopiervorlage Puzzleteile auf: kinderdas Glaubensbekenntnis, die aber gottesdienst.at/Praktisches/Kreatives für Kinder noch schwer zu füllen ULI JUNG sind, weswegen von Jesus oft und ist Religionslehrerin in Tirol. besser erst einmal als „Freund der Kinder“ gesprochen wird, denn FreundInnen suchen sich Kinder schon im Kindergartenalter. „Klassische“ Gottesbilder (meist aus den Psalmen) sind natürlich der gute Hirte, dessen bergende und hütende Eigenschaften durchaus an ein positives Vaterbild erinnern, die Quelle, das Licht, der Felsen usf. Letztere können gut durch die eigenen

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PORTRAIT / PRAXIS

Öffentlichkeitsarbeit in allen Facetten Über zehn Jahre hat es gedauert, dann war die neue Orgel in der Wiener Christuskirche im 10. Bezirk fertig. „Von der ersten Planung bis zur Einweihung war das sicherlich mein größtes Projekt in der Pfarrgemeinde“, erzählt Kuratorin Gerda Supitar. Zuständig ist sie in der Pfarrgemeinde unter anderem für alles, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft: „Ich mache die Grafik und das Layout unseres Gemeindebriefes und pflege die Texte und Bilder auf unserer Website ein“, sagt die ehemalige Controllerin bei den ÖBB.

der Autor dieser Zeilen!). Abwechselnd alle zwei Jahre feiert die Pfarrgemeinde ein Gemeindefest oder macht mit bei der „Langen Nacht der Kirchen“ – und dann geht es natürlich auf den Friedhof zu einer Führung.

Foto: privat

Zur Christuskirche ist die langjährige Gemeindevertreterin über das Chorsingen Zur Öffentlichkeitsarbeit gehören gekommen: „Inzwiauch Events, die sie mit einem Team schen singe ich bei der Gerda Supitar in Stonehenge in England: gerne auf Reisen gemeinsam vorbereitet: „Unsere Wiener Evangelischen größte Veranstaltung im Jahr ist der Kantorei. Wir singen Werke von Wenn Gerda Supitar nicht in der ‚Kuchenstand‘: Wir verkaufen über Brahms oder Verdi, „Sänger sind Pfarrgemeinde oder mit dem Chor den Reformationstag und Allerheili- sehr willkommen“. Vor einem Auf- unterwegs ist, dann liest sie viel und gen selbstgebackene Kuchen vor der tritt wird dann auch schon einmal gerne: „Ich liebe Geschichte, besonKirche und dem Friedhof.“ Die Chris- einen ganzen Samstag zusätzlich ders die österreichische.“ Aber auch tuskirche liegt am Evangelischen geprobt. „Das alles muss nun leider Krimis stehen auf dem Programm: Friedhof Matzleinsdorf. Daher kom- wegfallen, denn mit Mund-Nasen- „Hier sind es die Klassiker wie etwa men über Allerheiligen immer sehr Schutz kann man nicht singen. Das Agatha Christie.“ Mit dabei ist ihre viele BesucherInnen: „Die Menschen fehlt mir schon sehr. Ich bin gespannt, Katze Lilli, die sie aber „Maus“ ruft. freuen sich, wenn sie uns sehen. Wir wann und wie wir wieder singen kön- „Weil meine erste Katze so hieß.“ haben schon StammkundInnen, die nen. Das ist eine neue Erfahrung für MARCO USCHMANN sich auf unsere Kuchen freuen“ (wie uns alle. “

Gottesdienste nur für die Internetgemeinde Gottesdienste oder Andachten, die live gestreamt werden oder im Nachhinein ins Internet hochgeladen werden, haben einen großen Vorteil: Sie sind nur auf die Menschen an den Bildschirmen ausgerichtet. Das bedeutet, dass alle Aktivitäten für den Bildschirm optimiert sind. Neben dem guten Licht (vgl. SAAT 5) gibt es noch weitere Elemente, die dies unterstützen. Wer mag, kann zwei Kameras benutzen und dann das Material schneiden. Dazu gehören allerdings Know-how und höherer Zeitaufwand. Bedenken Sie: Es ist schwierig, einen (hohen) Standard wieder zu senken. Einmal zwei Kameras, immer zwei Kameras.

nach-zudenken und entspricht auch den Gewohnheiten der NutzerInnen von kürzeren Einheiten am Bildschirm. Die zwei oder drei Teile während einer Auslegung oder eines längeren Textes wie einer Lesung können gerne jeweils mit einem „Cliffhanger“ enden, sodass die ZuschauerInnen mit Interesse dabeibleiben. Dies gilt auch für den Beginn der Andacht: Hier sollte das Thema angesprochen werden, aber auf keinen Fall bereits eine Lösung: „Aufstehen und auferstehen – die Bibel hat zu beidem eine Menge zu sagen. Was das für heute bedeutet, erfahren Sie in unserer Online-Andacht“ etwa. Ideal ist, wenn sich das Thema in allen Texten wiederfindet und in Selbstverständlich muss jede Kamera kleinen Einheiten von unterschiedauf einem Stativ fixiert sein. Die Längere Textstrecken können sehr lichen Seiten beleuchtet wird. Kameralinse befindet sich auf Augen- gut durch Musikteile unterbrochen MARCO USCHMANN höhe oder sehr leicht darüber. Unter- werden. Dies gibt Zeit, das Gehörte sicht, also von unten aufgenommene Bilder, sind ungünstig. Sie wirken rasch befremdlich, auch wegen der ungewohnten Perspektive. Wer (wie ich) die alten Edgar Wallace-Filme schätzt, weiß, dass die Bösewichte sehr oft in Untersicht aufgenommen wurden. Für die Internetgemeinde ist es noch wichtig, dass die Elemente einander rasch abwechseln: Eine Begrüßung von vier Minuten ist im Gemeindegottesdienste eher kurz, im Internetgottesdienst können schon 45 Sekunden lang werden. Das heißt nicht, dass man durch den Gottesdienst hecheln muss. Es bedeutet aber, dass einzelne Elemente erfrischend und dynamisch präsentiert werden sollten.

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THEOLOGIE

Die reformatorischen Hauptschriften von 1520 „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ Martin Luther hat vor 500 Jahren, im Jahr 1520, mehrere später so genannte reformatorische Hauptschriften verfasst. Der Kirchenhistoriker Volker Leppin spricht geradezu von einer „reformatorischen Publikationsoffensive“. Die SAAT stellt die vier Schriften „An den christlichen Adel deutscher Nation“ (Juni 1520), „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (Oktober 1520), „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ (Vorspiel zur Babylonischen Gefangenschaft der Kirche, Sommer 1520) und „Der Sermon von den guten Werken“ (Juni 1520) an dieser Stelle vor.

Luther meint, den „inwendigen geistlichen“ Menschen macht kein äußeres Ding frei, noch kann es ihn binden. Freiheit entsteht durch das Hören der Botschaft von Christus: „Du sollst dich in denselben mit festem Glauben ergeben und frisch „Nein, lieber auf ihn vertrauen.“ Nur dieser Mensch, so nicht“ Glaube rechtfertigt, „kein anderes Werk kann einen Christen machen“. In einem zweiten Teil der Schrift Besonders spannend ist ein aus der wird ein gefährliches MissverständMystik stammender Vergleich des nis abgewehrt. Man könnte ja sagen: „Ei, wenn denn der Glaube alle Dinge ausmacht und er allein ausreicht, gottgefällig zu machen, warum sind dann die guten Werke geboten? So wollen wir guter Dinge sein, und nichts tun.“ „Nein, lieber Mensch, so nicht.“ Der irdische „äußerliche“ Mensch bedarf nämlich der Bezähmung seines Leibes, nicht um sich zu rechtfertigen, sondern als Folge der Rechtfertigung. Und: „Der Mensch lebt nicht alleine in seinem Leibe, sondern auch unter anderen Menschen auf Erden“. Deshalb ist der Christenmensch auch frei, „sich ebenso freiwillig zu einem Diener zu machen, um seinem Nächsten zu helfen, mit ihm zu verfahren und umzugehen, wie Gott mit ihm durch Christus umgegangen ist“. Daher rät Luther: „Willst du etwas stiften, beten, fasten, so tue es nicht in der Meinung, dass du dir wollest etwas Gutes tun, sondern gib es dahin frei, dass andere Leute es genießen mögen und tue es ihnen zugute – so bist du ein rechter Christ“. Darin besteht „die rechte christliche Das Titelblatt der Freiheitsschrift zeigt ein etwas unbeholfenes Bild ihres Autors Freiheit“.

Das Traktat ist neben dem Papst auch dem Zwickauer Stadtvogt Hieronymus Mülpfort (aus nicht ganz klarem Grund) gewidmet. Ausgehend von der paradoxen Doppelthese „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“ werden in 30 kurzen Abschnitten Gedan-

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allem Übel und ziert mit allen Gütern?“ Dadurch entsteht eine weltüberlegene Freiheit vom Zwang der Werke, nicht zuletzt von kirchlichem Zwang. „Das geschieht, wo man recht auslegt die christliche Freiheit, die wir von ihm haben, und wie wir“ – das war das Unerhörte! – „Könige und Priester sind, aller Dinge mächtig.“

Foto: wikipedia/Wolfgang Sauber_cc by-sa 3.0

Dunkle Wolken hatten sich im Herbst 1520 über dem Wittenberger Mönchsprofessor Martin Luther zusammengeballt: In Rom hatte man eine offizielle Verwarnung gegen den widerständigen Mönch erlassen mit einer 60-tägigen Gnadenfrist zum Widerruf, die „Bannandrohungsbulle“. Auf dringenden Rat des vermittelnden päpstlichen Gesandten Karl von Miltitz verfasste Luther einen eher versöhnlichen „Sendbrief“ an Papst Leo X., in dem er jedoch einen Widerruf ablehnte. Der Brief wurde vorgeschaltet dem Traktat „Von der Freiheit eines Christenmenschen“; beide erschienen etwa am 20. November 1520, also vor rund 500 Jahren.

ken entwickelt, die zu ihrer Zeit atemberaubend wirkten, obwohl das Thema Freiheit – auch in einem politischen Sinn – längst in der Luft lag.

Verhältnisses von Christus und der Seele mit dem Verhältnis zwischen Bräutigam und Braut. Völlig ohne Vorleistung lässt sich Christus ganz mit dem sündhaften Menschen ein, wobei der Glaube der Braut der „Brautring“ ist. „Ist dies nun nicht eine fröhliche Hochzeit, wo der reiche, edle, gerechte Bräutigam Christus die arme, verachtete, böse Hure zur Ehe nimmt und sie befreit von

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Bleibt noch anzumerken: Die Reaktion Roms auf den Brief und das Traktat Luthers war gleich null. Am 10. Dezember 1520 verbrannte Luther die Bannandrohungsbulle. Einen knappen Monat später erfolgte der definitive Bann. CHRISTOPH WEIST

ist Pfarrer in Ruhe und war langjähriger Chefredakteur der SAAT.


LITERATURSALON / BIBLISCHE FIGUREN

Ein Buch wie ein Urlaubstag Björn Diemel, Anwalt und Strafverteidiger, bekommt von seiner Frau als letzte Chance für ihre Ehe einen Kurs in Achtsamkeit verordnet. Die Drohung hängt in der Luft, dass er sonst auch seine kleine Tochter nie mehr sehen wird. Also begibt sich der Mann zähneknirschend zu seinem ersten Achtsamkeitstraining. Bald wird aus dem Widerwilligen ein gelehriger Schüler. Denn er hat nicht nur familiäre Probleme. Auch beruflich steht er unter Druck. Seine Klienten sind Mitglieder eines Mafia-Clans. Wann immer sie mit der Polizei und den Gerichten zu tun haben, muss er alles aufbieten, um sie aus den wohlverdienten Schwierigkeiten zu befreien. Immer wieder geht das nur, indem er ethische Grundsätze verbiegt und in der Grauzone des Gesetzes agiert. Das bringt ihm ein gutes Einkommen – seine Klienten zahlen Erfolgsprämien. Misserfolg würde jedoch den sicheren Tod bedeuten.

Die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht, als es trotz allem Bemühen unmöglich zu sein scheint, für die Tochter einen Kindergartenplatz zu ergattern. Die Ehefrau droht, mit dem Kind in eine andere Stadt zu ziehen. Der Mafia-Boss verwickelt sich in einen Bandenkrieg – mit den entsprechenden polizeilichen Untersuchungen.

wieder einen Schritt aus seiner misslichen Lage heraustun kann.

So beschließt Björn Diemel, alles, was er bisher im Kurs für Achtsamkeit gelernt hat, umzusetzen. Nach und nach beseitigt er nicht nur den Boss und mehrere andere Mitglieder des Clans, er löst mit einem geschickten Schachzug ebenso das Problem des Kindergartenplatzes. Nicht zuletzt deshalb, weil auch ein Polizist und ein Mitglied des Clans verzweifelt einen Kindergartenplatz suchen.

Gefängnisseelsorgerin.

Jedem Kapitel stellt der Autor eine These des Achtsamkeitstrainers voran. Der gelehrige Schüler setzt sie dann im Folgenden so um, dass er

Karsten Dusse ist selbst Rechtsanwalt und erzählt so meisterhaft, dass ich Björn Diemel richtig liebgewonnen habe. Ich habe oft herzlich gelacht. CHRISTINE HUBK A

ist Pfarrerin in Ruhe und

Karsten Dusse

Achtsam morden

Heyne Verlag 2019 416 Seiten € 10,30

Betrüger, Verräter und andere „Kriminelle“ in der Bibel Es muss ja nicht immer gleich ein Kapitalverbrechen sein … Der Bibel ist nichts Menschliches fremd und so nimmt es auch nicht wunder, dass nahezu das gesamte Repertoire an möglichen Rechtsübertretungen und Delikten in der Bibel begangen und auf die eine oder andere Weise zur Sprache gebracht wird.

Mos 29). Da mutet doch der später erzählte Kleindiebstahl des Hausgottes, den Jakobs Lieblingsfrau Rahel bei der heimlichen Flucht begeht, nicht allzu schwerwiegend an (1 Mos 31,30). Gehasi, der Diener des Propheten Elisa, bereichert sich hinter dem Rücken seines Herrn, der den aramäischen Feldhauptmann Naaman kostenlos von seinem AusGeradezu harmlos mutet das Delikt satz geheilt hatte, an Letzterem (2 des Mundraubs an – das ja an ande- Kön 5). Ist es nun Betrug und/oder rer Stelle der Bibel ausdrücklich Veruntreuung, was der gekündigte erlaubt wird (5 Mos 23,25) –, doch Verwalter begeht, wenn er Schuldfolgenschwer sollte es bei Adam, sei- scheine zugunsten der Schuldner ner Frau und der Schlange mit der und zu Ungunsten seines Herrn Frucht im Garten Eden sein (1 Mos umschreibt (Lk 16,1-9)? Josefs elf 3). Betrug – ob im großen oder klei- Brüder sind in Menschenhandel vernen Stil – scheint geradezu gang und wickelt (1 Mos 37,12ff). gäbe: Man denke an Jakob, der erst mithilfe seiner Mutter Rebekka sei- Im Fall dessen, der Unkraut unter nen Bruder Esau um den väterlichen den Weizen seines Nachbarn sät, ist Erstgeburtssegen betrügt (1 Mos 27), es wohl vorsätzliche Schädigung (Mt um später prompt von seinem 13,24ff). Wie folgenschwer FalschSchwiegervater um die ihm verspro- aussagen sein können, zeigt unter chene Tochter betrogen zu werden (1 anderem das Beispiel der zwei alten

Lüstlinge, die Susanna Ehebruch unterstellen (Stücke zu Daniel 1). Unterlassene Hilfeleistung wäre den zwei eiligen Passanten in der Geschichte vom barmherzigen Samariter vorzuwerfen (Lk 10,31ff); vorangegangen war ja ein Fall von Raub mit Körperverletzung. Räuber waren es offenkundig auch, die mit Jesus gekreuzigt wurden (Lk 23,32). Die Passion Jesu berichtet von vielen Delikten, nicht nur der Kreuzigung – es sei nur der Verrat durch Judas genannt (Mt 26,14-16.47-50); die Körperverletzung im Affekt, als ein Jünger, nach dem Johannesevangelium ist es Petrus, dem Diener des Hohenpriesters ein Ohr abhaut (Joh 18,10f), oder die Bestechung der Wachen am leeren Grab, die sagen sollten, Jesu Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen (Mt 28,11-15). J U T TA H E N N E R

ist Direktorin der Österreichischen Bibelgesellschaft. www.bibelgesellschaft.at

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VERANSTALTUNGEN

GLOCKEN / STATISTIK

Die Glocken sprechen ihre eigene Sprache

Foto: M. Schmölzer

Eine Läuteordnung schreibt vor, wie bei Hochzeiten, Beerdigungen oder anderen Gelegenheiten die Glocken läuten. Eine derartige Läuteordnung gibt es in der Evangelischen Kirche

Eine der Glocken der Pfarrgemeinde Feld am See. Das Geläut ist gestimmt in den Tönen C, E und G. Im Bild Glocke 3 mit der Aufschrift „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben“

in Österreich nicht (siehe S. 9–11). In wohl allen Pfarrgemeinden, wenn sie Glocken haben, läuten diese zu Beginn des Gottesdienstes und wenn die Gemeinde das Vaterunser betet. Besonders traditionelle Pfarrgemeinden haben eine eigene, sehr detaillierte Läuteordnung. Wie etwa Feld am See in Kärnten mit Afritz, der Tochtergemeinde.

ten“. Am Tag vor der Beerdigung gibt es das „Ausläuten“. Wiederum mit zwei Unterbrechungen erklingen dreimal drei Minuten die Glocken. Bei einem verstorbenen Mann beginnt die große Glocke als erste zu läuten, bei einer Frau die mittlere Glocke und bei einem Kind die kleine Glocke. War der Mann verheiratet, so erklingt als zweite Glocke die mittlere Glocke, und war er ledig, die kleine Glocke. War die verstorIn der Pfarrgemeinde gibt es das bene Frau verheiratet, so erklingt Morgen-, Mittags- und Abendgeläut nach der mittleren Glocke die große in einer gewissen Abfolge. So wird Glocke, und war sie ledig, die kleine beim Tagzeitgeläut mit zwei Unter- Glocke. brechungen dreimal geläutet. Und stets sind es 33 Schläge. Also insge- Eine Besonderheit gibt es zu Ostern: samt 99 Schläge der Glocken am „‚In der Karwoche fliegen die Glocken Morgen, zu Mittag und am Abend: nach Rom‘ – so sagen wir immer wie„Eine Besonderheit bei uns – zu kei- der, wenn nach dem Gottesdienst am ner bestimmten Uhrzeit, sondern bei Gründonnerstag bis zum Karsamstag am Nachmittag die Glocken nicht Einbruch der Dämmerung.“ läuten“, erzählt Pfarrer Guttner. Es Eine halbe Stunde vor dem Gottes- liege in diesen Stunden eine eigene dienst wird mit einem dreiminütigen Stille über dem Dorf. „Am KarsamsLäuten der großen Glocke zum Got- tag um 15 Uhr erklingt dann wieder tesdienst gerufen, und zu Beginn das volle Geläut aller drei Glocken des Gottesdienstes läuten alle drei und verkündet die Auferstehung Jesu Glocken wieder genau drei Minuten Christi.“ lang. Auch beim Vaterunser wird geläutet, „damit Menschen zu Hause Die Glocken unterbrechen den Alltag, strukturieren den Tag, erinnern uns zum Gebet gerufen werden“. ans Gebet, verkündigen Freud und Verstirbt ein Mensch, so wird unmit- Leid und rufen uns zu den Gottestelbar nach dem Bekanntwerden des diensten. Todes die „Totenglocke“ drei MinuMARCO USCHMANN/RED ten geläutet – das „VerschiedenläuMichael Guttner ist Pfarrer in beiden Gemeinden: „Das Läuten unserer Glocken von den Kirchtürmen der Kirchen in der ‚Jubiläumskirche 1981‘ in Afritz am See und Feld am See begleitet uns durch die Tage, ruft uns zu den Gottesdiensten, begrüßt die Brautpaare am Weg in die Kirche und verkündet, wenn jemand heimgerufen wurde. Die Glocken sprechen ihre eigene Sprache.“

Bei Redaktionsschluss war noch nicht geklärt, ab wann wieder Veranstaltungen möglich sind.

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Quelle: Marketagent; Bilder: pixabay; Gestaltung: Dominik Fischer

Welche Krise bereitet den ÖsterreicherInnen am meisten Sorgen?


FILMTIPP / DAMALS

Ein kleines Juwel M R . M AY U N D DAS FLÜSTERN DER EWIGKEIT

Orig.: Still Life Regie: Uberto Pasolini GB/I 2013

Die SAAT vor 45 Jahren

Die Szene ist fast immer dieselbe. Aber sie variiert in liebevollen Details: Mr. John May geht auf eine Beerdigung. Er ist stets – vom Geistlichen abgesehen – der einzige Trauergast, verloren in einem großen Abschiedssaal. Mit einer Kerze in der Hand steht er da, egal ob zu schottischer Dudelsackmusik oder weihrauchgeschwängerten orthodoxen Gesängen, mit solenner Miene scheint er die ganze Würde der Verabschiedung allein zu tragen. Der Liturg vorne liest nur die Texte, die May zuvor selbst verfasst und in liebevoller Kleinarbeit recherchiert hat.

einem eigenen Familienalbum. Offensichtlich lebt er seine Berufung und geht ganz darin auf. Nie gibt er die Hoffnung auf, noch einen Verwandten zu finden und auch die verlorenste Beerdigung würdig zu gestalten.

Eine kleine großartige Mr. May (unauffällig und grandios sensibel verkörpert vom Briten Tragikomödie über Eddie Marsan) ist Beamter des Londoner Magistrats, das sich um einEinsamkeit, Liebe sam Verstorbene ohne Nachkommenschaft kümmert. Man weiß nicht und Bestimmung recht, woher Mr. May die Kraft zu seinem Engagement nimmt. Er selbst lebt beziehungslos in einem anonymen Wohnblock. Die Bilder seiner Das geht solange gut, bis seine AbteiBeerdigten archiviert er wie in lung wegrationalisiert werden soll. Das Magistrat sucht effizientere Wege, um die sterblichen Überreste Verstorbener unter die Erde zu bringen. Mr. May macht seinen letzten Magistratsauftrag zur eigenen Lebensaufgabe. Er sucht den ultimativen Ruheplatz auf einem idyllischen Friedhof. Er reist durch das ganze Land, um verbitterte Angehörige zu suchen und zur Anteilnahme zu bewegen. Dabei trifft er auf die junge, hübMit der Schlagzeile „Auf der Seite sche Kelly (Joanne Froggatt, bekannt des Siegers“ machte die „SAATaus „Downton Abbey“), und eine neue, Kirchenbote für das evangelischzarte Hoffnung beginnt zu keimen. lutherische Österreich“ ihre MaiAusgabe 1975 auf. Das Bild einer Der italienische Regisseur Uberto Kanzel über einem AbendmahlPasolini (nicht verwandt mit dem stisch unterstrich die Aussage der großen Pier Paolo) inszeniert hier Betrachtung von Georg Traar, die eine kleine, großartige Tragikomösich noch auf das Pfingstfest die über Einsamkeit, Liebe und bezog: „Wer auf den Herrn ChriBestimmung. In der nach-österlichen stus hört ..., der steht auf der Seite Post-Corona-Depression ist dieser des Siegers.“ Ilse Hanak berichFilm ein kleines Juwel, ein warmhertete von einer Ökumenischen ziges Plädoyer für Menschlichkeit Tagung zum Thema „Weltmission“ und Würde in den letzten Dingen. in Klagenfurt: „Die Teilnehmer Und am Schluss darf … Nun ja – waren angetan vom guten Geist Taschentücher bereithalten! ehrlicher Zusammenarbeit zwiOLIVER GROSS schen den beiden Konfessionen.“ ist Pfarrer und Militärseelsorger.

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PROGRAMM HF + TV

KURZ AUSGELEGT

Wovon die Kirche nicht loskommt

E VA NGELISCHE MORGENGEDA NK EN

So., 6.05‒6.07 Uhr, Mo.‒Sa., 5.40‒5.42 Uhr (Regionalradios) 14.‒20.6.: Gisela Ebmer L E B E N S K U N S T. B E G E G N U N G E N A M S O N N TAG - / FE I E R TAG M O RG E N

jeden 1. So. im Monat: evangelische Predigttext­auslegung, 7.04‒8.00 Uhr (Ö1) 7.6.: Maria Katharina Moser LOGOS – GL AUBEN UND ZWEIFELN

jeden Sa., 19.05‒19.30 Uhr (Ö1) G E DA N K E N FÜ R D E N TAG

Mo.‒Sa., 6.55‒7.00 Uhr (Ö1) Z W I S C H E N R U F. GESCHICHTEN ZUR ZEIT

jeden So., 6.55‒7.00 Uhr (Ö1) 7.6.: Esther Handschin 21.6.: Harald Kluge T V-/HF- GOT TESDIENSTE

Pfingstmontag, 1.6., 10‒11 Uhr (Regionalradios außer Wien), aus Kufstein (T) mit Pfarrer Robert Jonischkeit 21.6., 9.30‒10.15 Uhr (ORF2), vom Lichtenberg über dem Attersee (OÖ), mit Pfarrerin Gabriele Neubacher (siehe S. 4)

Alle Sendungen sind nachzuhören/ nachzusehen unter religion.orf.at

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Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Ver-

kaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen. (Apg 4,32-37; 14. Juni 2020, 1. Sonntag nach Trinitatis)

Hier geht es nicht um ein Idyll. Hier geht es um etwas, von dem ein Ausleger einmal geschrieben hat, es sei der Kirche „von Jesus her eingestiftet“ (Jürgen Roloff). Es geht um Gerechtigkeit.

Aber Lukas wollte nicht einfach gegen die „Reichen“ in der Gemeinde schreiben. Seine Botschaft richtet sich an die Wohlhabenden – um im Namen des Jesus von Nazareth für die Armen einzutreten.

Von den Wiedertäufern bis zum Marxismus ist dieser Bibeltext schon in Anspruch genommen worden, man hat vom urchristlichen „Liebes-Kommunismus“ gesprochen. Historisch gesehen handelt es sich um ein Idealbild. Offenbar waren Christusgläubige der ersten Stunde in Jerusalem tatsächlich auf Unterstützung angewiesen.

So gesehen ist der Evangelist Lukas „links“. So „links“, wie manchmal auch die Kirche Jesu Christi genannt wird, weil sie gegen Armut und Ungerechtigkeit auftritt und die gesellschaftlichen Verhältnisse „von unten“, das heißt aus der Sicht der Betroffenen und Unterlegenen, zu betrachten aufruft.

Und das gute, aber wohl eher einzigartige Beispiel der großzügigen Spende des Barnabas bot für Lukas, den Verfasser der Apostelgeschichte, einen Anlass, ein Bild von vorbildlichen Zuständen in der Urgemeinde zu zeichnen. Nicht zuletzt als Motivation für die eigene Gemeinde des Evangelisten mehr als ein halbes Jahrhundert später. Nicht dass die Vorstellung vom gemeinsamen Besitz unter Freunden oder Vereinsmitgliedern in der Antike etwas Ungewöhnliches gewesen wäre. Es fällt aber auf, dass für Lukas die Frage nach Besitz und Reichtum wie für keinen anderen Autor des Neuen Testaments wichtig ist. Er knüpft damit an eine entscheidende Linie an, an die Linie Jesu. Seine Kritik am Reichtum, sein Besitzverzicht hat nicht nur die ersten Christinnen und Christen geprägt, sie spielt bis heute die zentrale Rolle, wenn es um Gerechtigkeit geht, um Schaffung und Verteilung von Gütern des Lebens.

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Was Lukas im kleinen Rahmen mit „man gab einem jeden, was er nötig hatte“ beschreibt, nennt man heute im großen Rahmen Menschenrechte: das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf angemessenen Lebensstandard mit ausreichender Ernährung, Bekleidung, Unterbringung u.v.m. Darauf haben die Kirche und ihre Organisationen ein wachsames Auge. Sie sind empfindlich, wenn hier etwas relativiert oder ganz in Frage gestellt wird, wo auch immer das passiert. Dann melden sie sich zu Wort, „es sei zur Zeit oder zur Unzeit“ (2. Tim 4,2) – oft für viele zur Unzeit. Aber das ist der Kirche nun einmal „eingestiftet“. Und wenn sie wie die ersten Christusgläubigen „mit großer Kraft die Auferstehung des Herrn Jesus bezeugen“ will, wird sie davon nicht loskommen. CHRISTOPH WEIST

ist Pfarrer in Ruhe und war langjähriger Chefredakteur der SAAT.


RÄTSEL

GUT ZU WISSEN

Gefeiert wird zu Pfingsten der ...

Ort der Geretteten (2 Wörter)

"... iacta est." (Der Würfel ist gefallen.)

Kosename des Johannes

Schaukelbettchen für Babys

das Stück zu Auslöser, Ursache

1

Blaues Kreuz

der "Sohnemann" frz. f. "und" Mostrich

das Meer ganz im Sinne des Herrn

7 Stoffe zum Salben

das Unsterbliche

in das

3 modern, modisch veraltet für "Gehilfe"

ein Lachlaut Bedeutung d. Namens Johannes (Gott ist ...)

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Eintritt ins Christentum Adliger im alten Peru chem. Zeichen für Tellur

4

das Triebhafte spanischer Artikel

kurz für "Internet" Geisteshaltung Falschmeldung

Glück verheißend Kräuteraufguss Erbfaktor

röm. für "eins A" 100 Quadratmeter

8

Domäne Abk. für für Angola "Infinitiv" arabisch für "Vater"

2 Heimatstadt Abrahams

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B Z E T H T A U A S J U L F L A

heutiger Luthers Name von Universität Konstan1501-1505 tinopel

Rätsel-Brunner

jüd. Fest 50 Tage nach Pessach

Lösung des letzten Rätsels

A H N P O L E A T UG E E R S Z I E E NG N E A I R RM

S L A G R A N T U N E M I I O N G E N E R N D E E S OR T

R W E N E Z T I E R E N P E T Z B T J E U B A L G

Das Problem des Alkoholismus ist alt. Alt auch der Versuch, dagegen anzukämpfen. 1877 hob der freikirchliche Pfarrer Louis-Lucien Rochat eine Organisation aus der Taufe, die er in Anlehnung an das wenige Jahre zuvor ebenfalls in Genf entstandene Rote Kreuz „Blaues Kreuz“ nannte. Rochat wandte sich vor allem an alkoholkranke Verlierer der Industrialisierung.

Lösungswort: RASENMAEHER

LÖSUNGSWORT 1

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Einer Umfrage der Universität Wien zufolge trinken die ÖsterreicherInnen in der Corona-Krise weniger Alkohol als zuvor. Aber nicht alle. Besonders allein lebende Menschen, Arbeitslose oder Personen in Kurzarbeit greifen jetzt häufiger zur Flasche. Sie haben am stärksten unter den Folgen der Krise zu leiden.

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Doppelt gewinnen mit der SAAT!

Schicken Sie das Lösungswort und/oder die Lösung des Personenrätsels an saat@evang.at bzw. an den Evangelischen Presseverband, Redaktion „SAAT“, Ungargasse 9/10, 1030 Wien. Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir 4 signierte Exemplare des neuen Buches von Bischof Chalupka, „Protestantische Demonstrationen“. Einsendeschluss ist der 19. Juni 2020, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Gewinner der Rätsel in Heft 5 sind Mario E. und Raoul K., beide aus Wien. Wir gratulieren herzlich!

Das Konzept expandierte: 1885 folgte die Gründung in Deutschland. 1927 kam die Bewegung über die evangelische Gemeinde in Gmunden nach Österreich. Heute gibt es Selbsthilfegruppen in allen Bundesländern. MICHAEL WINDISCH

Gewusst wer Er gehört zu den beliebtesten Idolen seines Landes. Ein „Sunnyboy“ mit einem fast märchenhaften Werdegang: Ein Bub aus einer einfachen evangelischen Bergbauernfamilie wird zum Superstar. In einer Sportart, die im eigenen Land zwar die wichtigste ist, weltweit gesehen aber eher zu den Randsportarten zu rechnen ist, ist er einer der ganz Wenigen aus diesem Land, die auch in Übersee zu Ruhm und Ehre gelangten. In seiner Disziplin ist er bis heute Rekord-

halter. Und doch verlief sein Leben nicht auf geraden Bahnen. Sportliche Rückschläge, später auch wirtschaftliche, blieben ihm nicht erspart. Ein Schicksalsschlag in der engsten Familie veranlasste ihn zur Gründung einer karitativen Stiftung. Seinen großen Namen setzt er mittlerweile auch für den Klimaschutz ein. Aber nicht auf diesem Engagement fußt sein Legendenstatus, sondern auf nicht ganz zwei Minuten seiner Karriere, während derer die Straßen

in seinem Heimatland leergefegt waren. Die übergroßen Erwartungen konnte er mit viel Risiko erfüllen. Die Fernsehbilder dieses Sieges mitsamt dem berühmten Kommentar haben sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt. Endlich hatte sein Heimatland wieder einen Kaiser. OLIVIER DANTINE

ist Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol.

Lösung Heft 5: Heinz Rühmann

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Ein Anfang Eine Schwalbe macht schon etwas Sommer.

Foto: pixelio/Harald Schottner

MANFRED HINRICH

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