Geschäft mit virtuellen Doppelgängern Digital Twins: Neuer Zugang zu IoT-Projekten

Autor / Redakteur: Dipl.-Phys. Oliver Schonschek / Sarah Nollau

Virtuelle Abbilder von Produkten, Prozessen oder Diensten, die sogenannten Digitalen Zwillinge, ermöglichen realitätsnahe Simulationen im Internet der Dinge. Dies hilft nicht nur bei der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren, sondern unterstützt auch bei der Gewinnung und Durchführung von IoT-Projekten.

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Der Digitale Zwilling kann Szenarien simulieren, wie eine Probefahrt beim Autohändler, und kann so Einblicke in ein Projekt liefern.
Der Digitale Zwilling kann Szenarien simulieren, wie eine Probefahrt beim Autohändler, und kann so Einblicke in ein Projekt liefern.
(Bild: Pixabay / CC0 )

Der deutsche Industrial-IoT-Markt wird sich in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln auf circa 16,8 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2022, so die Studie „Der deutsche Industrial-IoT-Markt 2017-2022. Zahlen und Fakten“ von eco - Verband der Internetwirtschaft und Arthur D. Little. Doch ganz einfach ist dieses Wachstum nicht: „Die Digitalisierung der Industrie und des Mittelstands ist in der Umbruchphase unbequem und in vielen Bereichen schmerzhaft. Industrial-IoT erfordert ein Neudenken der zentralen Wertschöpfungsprozesse oder gar des gesamten Geschäftsmodells“, sagte Lars Riegel, Principal Arthur D. Little.

Lohnendes, aber komplexes Geschäftsfeld: Industrial IoT

Industrial IoT oder Industrie 4.0 ist für den IT-Channel ein aktives Betätigungsfeld: Mehr als vier von zehn IT-Unternehmen (43 Prozent) bieten bereits Dienstleistungen und Produkte für Industrie 4.0 an. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) plant solche Angebote derzeit konkret oder kann sich vorstellen, dies zu tun, so eine Bitkom-Studie.

Als IT-Dienstleister, der die Digitalisierung in der Industrie voranbringen will, kennt man die Schwierigkeiten in der Umbruchphase hin zu Industrie 4.0. Neue Prozesse oder gar Geschäftsmodelle will kein Unternehmen ohne genaue Planung und Prüfung implementieren. Das ist gut nachvollziehbar, und es muss auch gar nicht sein. Die sogenannten Digital Twins helfen bei der Simulation von Prozessen, Diensten und Produkten im Industrial IoT und darüber hinaus.

Digitale Zwillinge versprechen mehr IoT-Erfolg

Der Deloitte-Report „Grenzenlos vernetzt – Smarte Digitalisierung durch IoT, Digital Twins und die Supra-Plattform“ untersucht die Vorteile und die Voraussetzungen der Digitalen Zwillinge, die bisher insbesondere im Bereich Produktion und Anlagenbau zum Einsatz kommen. Dort werden alle verfügbaren Daten zu dem zu ändernden Prozess gesammelt, mit passenden Echtzeitdaten angereichert und in Simulationen genutzt. Im Idealfall entsteht ein virtuelles Abbild der geplanten Änderung an einer Maschine oder des zu implementierenden Prozesses.

Anstatt also einen neuen Prozess oder eine Änderung an einer Maschine wirklich zu implementieren, um dies dann gegebenenfalls erfolglos zu testen, erlauben Digitale Zwillinge eine gefahrlose und vergleichsweise kostengünstige Simulation. Risiken werden ebenso gesenkt wie Kosten, wogegen die Flexibilität und die Freiheit in den Planungen steigen.

Für die Möglichkeiten eines Digital Twins gibt Deloitte ein anschauliches Beispiel: eine virtuelle Probefahrt, wie sie vermutlich schon im kommenden Jahr zum Angebot von Automobilherstellern gehören wird, so Milan Sallaba, Partner und Leiter Technology Sector bei Deloitte. Hierbei könnten zukünftig mithilfe eines Digital Twins realistische Fahrmanöver im Grenzbereich simuliert und beispielsweise über Virtual Reality visualisiert werden.

Tatsächlich kann man sich Digital Twins als Chance für eine solche „Probefahrt“ im IoT vorstellen. Bekanntlich helfen Probefahrten beim Verkauf in der Automobilbranche. Es ist deshalb nicht abwegig, auch in IoT-Projekten im begrenzten Rahmen an „Probefahrten“ zu denken, um eine Projektausschreibung zu gewinnen. Digitale Zwillinge könnten neue, sichtbare Argumente liefern.

Digital Twins: Probefahrten mit IoT-Plattformen

Wie Deloitte ausführt, braucht ein Digitaler Zwilling folgendes: Sensoren, Konnektivität, definierte Datenstrukturen sowie ein User Interface, das die relevanten Daten visualisiert. Das klingt nicht von ungefähr nach den Funktionen, die IoT-Plattformen bieten können. Beispiele für solche Plattformen mit Digital-Twin-Funktion sind Oracle Digital Twin in der Oracle Internet of Things Cloud, der Digital-Twin-Service der IoT-Plattform ThingWorx von PTC, die Lösung Digital Twin von Contact Software, Digital Twins mit Cumulocity IoT oder IBM Digital Twin.

Wichtig ist es in der Praxis, den Digitalen Zwilling nicht so zu verstehen, dass er von Beginn an ein wirklich komplettes Abbild des geplanten IoT-Szenarios darstellt, diesen Anspruch kann ein Digital Twin letztlich kaum oder sogar nie erfüllen. Vielmehr soll der Digital Twin mit den Projektphasen wachsen und auch nach Projektende bestehen bleiben, um dann zum Beispiel für Wartungssimulationen verfügbar zu sein.

Vor einem Projekt wie der Vernetzung einer Maschine wird der Digital Twin somit sehr unvollständig sein, doch er bietet durch die Visualisierung und die Simulation verschiedener Daten, die der Kunde oder Interessent liefert, deutlich mehr Einblicke in das mögliche Projekt als eine herkömmliche Präsentation, die gerade einmal das Logo des Interessenten, eingebaut in einen Standardfoliensatz, zeigt.

Der IT-Channel als Digital Twin Designer?

Digital Twins sind in Zukunft nicht nur eine mögliche Unterstützung vor dem Start eines IoT-Projektes und begleiten nicht nur den Zyklus eines IoT-Projektes, sie können auch das komplette Projekt sein, das ein IT-Dienstleister anbietet: Digital Twin as a Service.

Es spricht viel dafür, dass Designer für Digital Twins gebraucht werden, nicht nur im Industrial IoT, sondern bei allen Facetten der Digitalisierung, wenn es um realitätsnahe Simulationen geht, die Risiken senken und Produkteigenschaften optimieren sollen. Die Marktforscher von Technavio zum Beispiel erwarten ein deutliches Umsatzwachstum im Markt für Digital Twins.

Wer in die Möglichkeiten der Simulationen und Digitalen Zwillinge weiter eintauchen will, um sie in eigenen IoT-Projekten zu nutzen, findet in verschiedenen Studien weitere Informationen, darunter

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