Zur Kasse gebeten

Kinderärzt·innen braucht das Land, insbesondere solche mit Kassenvertrag. Kassenstellen sollen die Gesundheitsversorgung flächendeckend sicherstellen. Die der Kinder- und Jugendheilkunde sind oft unbesetzt, manche seit Jahren.

Gesundheit25.3.2022 

Text: Marie Miedl-Rissner, Verena Schinnerl, Julia Schuster, Peter Sim
Illustration: Elisabeth Mossbauer

Niemand kannte die Bad Ischler Kinder besser als sie. ­Wenn im Kurort ein Kind Fieber bekam, an einer Ohrenentzündung litt oder Durchfall hatte, wusste sie es stets als eine der Ersten: Dr. Irene ­Fellinger, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde. 17 Jahre lang vertrauten ihr besorgte Eltern ihre Kinder an.

In den meisten Fällen wog und maß ­Irene Fellinger die jüngsten Patient·innen schon kurz nach der Geburt bei Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Sie führte nicht nur die einzige Praxis mit einem Kassenvertrag im Ort, es war überhaupt die einzige Ordination für Kinder- und Jugendheilkunde in Bad Ischl. Kein Wunder also, dass sie jahre­lang fast alle der heute knapp 2.000 Bad Ischler Kinder von klein auf kannte.

Doch dann war Schluss. 2020 ging Fellinger in Pension.

»Natürlich waren viele der Eltern entsetzt«, sagt die Ärztin heute zu DOSSIER. Eigentlich wollte sie schon viel früher zusperren. »Es ging einfach nicht mehr, auch körperlich«, denn die Ärztin merkte zunehmend, dass Gespräche mit Müttern aus wenigen Metern Entfernung mühsamer wurden, ihr Gehör verschlechterte sich. 2018 fährt sie zur Ärztekammer Oberösterreich und verkündet, dass sie ans Aufhören denke. Im Juni 2018 schreibt die Ärztekammer ihre Kassenstelle erstmals aus. Doch es meldet sich niemand.

13 Mal wiederholte die Kammer seither das Prozedere, Fehlanzeige. Zweieinhalb Jahre lang versucht Irene ­Fellinger, ihre Kassenordination zu übergeben. Doch im ganzen Land findet sich kein·e Kinderärzt·in, der oder die ihren Job übernehmen will. Im Frühjahr 2020 sperrt die 62-jährige Fellinger schließlich ihre Praxis im 14.000-Einwohner·innen-Ort Bad Ischl zu. Bis heute steht Bad Ischl ohne Kinderärzt·in da.

»Ich habe mir Sorgen gemacht, dass die Stelle irgendwann gestrichen wird, wenn wir nicht bald eine Nachfolgerin finden«, sagt Ines Schiller, die Bürgermeisterin von Bad Ischl (SPÖ). Bisher versichern die Ärztekammer und die Sozialver­sicherung jedoch, dass die Stelle weiterhin ausgeschrieben bleibt. Am fehlenden Problembewusstsein oder Engagement der Stadtgemeinde liegt es nicht, dass die Stelle nicht nachbesetzt wird: »Ein·e Fachärzt·in für Kinderheilkunde in der Region mit niederschwelligem Zugang ist eines der wichtigsten Angebote für unsere Kinder.« Man habe sogar Unterstützung bei der Wohnungssuche angeboten, sollte sich jemand für diese Stelle interessieren.

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