Resilienz – die heimliche Stärke

Auf welche Kräfte wir in schwierigen Zeiten zurückgreifen können

Wenn wir als Team in den Redaktionstreffen überlegen, welche Themen gerade aktuell und spannend sind und was Euch in diesen unruhigen Zeiten bewegt, sind unsere Ideen und Vorschläge genauso bunt und verschieden wie unser Team. Wo wir uns inhaltlich immer treffen, sind Themen, die das Verstehen fördern, das Wissen und auch die Hoffnung, welche vorhandenen und zusätzlichen Ressourcen in uns sind und uns helfen, unser Leben und unsere aktuellen Herausforderungen zu meistern.

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Seit ein winziges Virus unser Leben, unsere Arbeitswelt ja unsere globalisierten Wirtschaftssysteme auf den Kopf gestellt hat, gibt es für uns alle weit mehr Herausforderungen zu bewältigen, als wir uns je gewünscht und vorgestellt haben. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass die Menschheit seit ihrem Bestehen mit unterschiedlichsten Krisen und Ausnahmezuständen zu kämpfen hatte. Wir sind also nicht allein und jede Generation bekommt ein neues, unbekanntes Überraschungspaket mit unterschiedlichsten Problemen, Herausforderungen und Aufgaben. Die wenigsten sind wiederkehrend.

Gut, wenn man die Gewissheit haben kann, dass man all der Last nicht einfach nur ausgeliefert sein muss, sondern weiß und sich bewusst ist, welche Kräfte uns zur Verfügung stehen und wie wir sie bewusst fühlen und steigern können. Eine dieser Zauberkräfte ist die Resilienz.

Es gab tatsächlich Zeiten in meinem Leben, da kannte ich das Wort Resilienz und seine Bedeutung noch nicht. Es klingt auch etwas sperrig und intellektuell. Heute ist Resilienz aus meinem Denken und Handeln, bei der Beratung, Kindererziehung, in so vielen Zusammenhängen nicht mehr wegzudenken.

Aber was ist Resilienz eigentlich?

Definitionen gibt es zahlreich im Netz. Die kürzeste Übersetzung ist wohl „psychische Widerstandskraft“. Auch das klingt für mich persönlich leider nicht nach Gewinn und Kraft, sondern nach Krankheit, Kampf und Mühe. Im eigentlichen Sinn bedeutet Resilienz die Fähigkeit „zurückzuspringen“ oder „abprallen“, das meint nach Belastungen oder herausfordernden Situationen in das Ausgangsstadium zurückzukehren.

Der Begriff Resilienz ist in der Physik und angrenzenden Wissenschaften seit langem bekannt, um die Widerstandsfähigkeit von Materialien und Strukturen zu bewerten. Daraus abgeleitet nutzen wir das Prinzip der Resilienz heute auch, um Personen sowie ganze Systeme und deren Verhalten gegenüber Schocks, Krisen und Störungen zu analysieren. Je schneller ein Mensch oder das betroffene System in seine ursprüngliche Form und normale Funktionsweise zurückgeht, desto resilienter ist er bzw. es. In der Forschung spricht man von der Fähigkeit zum bounce back.

Resilienz – die positive Zauberkraft für alle

Ich möchte gern das Wort Resilienz neu besetzen, als etwas zutiefst Positives, als eine alltägliche Ressource für alle, die sie gerade nötig haben und die ein wenig an Zauberkräfte erinnert. Vielleicht auch an eine starke Großmutter oder weise Mentorin – erfahren, achtsam, gütig, warmherzig, großzügig, stark wie ein Fels in der Brandung – nennen wir sie Resi Lienz. Eine Kraft, die für uns da ist, im Hintergrund. Und wenn wir sie brauchen, gibt sie uns die entscheidende Kraft und Ermächtigung, an uns zu glauben, Chancen und Möglichkeiten zu sehen und unabhängig von der Schwere der Situation und des Leides, sie zu nutzen. Resiliente Menschen zeichnet aus, dass sie ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt, ein stabiles Umfeld aufgebaut und wirksame Problemlösungsstrategien gelernt haben. Im besten Fall bereits im Kindesalter. Der französische Resilienzforscher Boris Cyrulnik zeigte, dass Resilienz vielmehr durch einen interaktiven Prozess entsteht und in hohem Maße auf positive Bindungserfahrungen zurückzuführen ist. Wachsen Kinder in einem Umfeld mit verlässlichen Bindungen auf, wirkt das wie ein Schutzmantel gegenüber negativen Einflüssen. Auch wenn die psychische Widerstandsfähigkeit bereits im Kindesalter geprägt wird, können auch Erwachsene sie erlernen, unabhängig von ihrem Alter oder ihrer Lebenssituation. Das ist auch der Grund, warum wir Kinder nicht vor Allem bewahren können und sollten. Das ist aber ein neues Thema…

Die wichtigsten Faktoren der Resilienz

Es gibt drei wichtige Punkte, die Resilienz und was sie ausmacht, gut beschreiben und die ihr bei euch selbst überprüfen könnt:

  1. EMOTIONALE FÄHIGKEITEN wie eine große Selbstfürsorge, Akzeptanz, positive Selbstwahrnehmung und Emotionen. Es gibt eine Motivation und klare Ziele, die erreicht werden wollen.
  2. KOGNITIVE FÄHIGKEITEN wie Sinn- und Stärkenorientierung, Selbstwirksamkeitserwartung, realistischer Optimismus, Kontrollüberzeugung, Kohärenzgefühl. Durch bisherige Erfahrungen im Umgang mit Herausforderungen gibt es Problemlösungsstrategien.
  3. INTERAKTIONALE FAKTOREN wie soziale Bindung und Empathie. Es bestehen **verlässliche persönliche Beziehungen **und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft.

Was macht man aber, wenn man jetzt feststellt, dass es an der einen oder anderen Stelle mangelt oder ein defizitäres Gefühl entsteht?

Zuallererst kannst du dich beglückwünschen, dass du den ersten Schritt zur Veränderung bereits getan zu hast. Die Reflexion der eigenen Situation und das Wissen oder eine Ahnung, an welchen Punkten du noch Unterstützung brauchst oder dich entwickeln kannst.

Natürlich bringt Resilienz allein die Schäden durch Corona, einen geliebten verstorbenen Menschen nicht wieder, die zerbrochene Beziehung, ein strauchelndes Unternehmen nicht wieder in die schwarzen Zahlen oder eine verlorene Arbeit zurück. Aber die Haltung, mit der wir mit dieser Situation umgehen, ist bei resilienten Menschen anders. Aber was genau ist anders?

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7 Tipps für mehr Resilienz

Kaum jemand ist gegen Krisen gefeit. Jeder Mensch, jedes Unternehmen und auch jede Gesellschaft und Kultur muss im Laufe seiner Existenz durch schwere Zeiten gehen und Krisen bewältigen. **Doch warum drohen manche Menschen oder Systeme an Schicksalsschlägen oder Krisen zu zerbrechen und andere gehen gestärkt daraus hervor? **Die folgenden sieben Punkte sind die wichtigsten Tipps, resilienter zu werden oder zu überprüfen, wo Du stehst.

**AKZEPTANZ **

Akzeptiere die Situation, wie sie ist und wenn du etwas nicht ändern kannst > resiliente Menschen verschwenden keine Energie mit Dingen, die sie nicht ändern können.

**OPTIMISMUS **Sei optimistisch > resiliente Menschen haben eine positive Weltsicht, ein positives Selbstkonzept und vertrauen auf positive Ergebnisse.

LÖSUNGSORIENTIERUNG Suche nach Chancen und Lösungen, Möglichkeiten > resiliente Menschen blicken eher nach vorne, können sich neue Wege gut vorstellen und gehen Dinge aktiv an.

SELBSTWIRKSAMKEIT Du entscheidest, wie es weitergeht > resiliente Menschen glauben an den eigenen Einfluss.

VERANTWORTUNG Übernimm Verantwortung > resiliente Menschen sind sich der eigenen Verantwortung bewusst.

NETZWERK-ORIENTIERUNG Pflege Deine Freundschaften und Beziehungen > resiliente Menschen holen sich Hilfe, nehmen diese an und wissen, dass sie die Herausforderungen nicht allein stemmen müssen.

ZUKUNFTSORIENTIERUNG Plane deine eigene Zukunft > resiliente Menschen planen ihre Zukunft und korrigieren die Planung, wenn es sein muss.

**Zusatztipp HUMOR **Nimm es mit Humor > resiliente Menschen nehmen sich nicht zu ernst und können auch in harten Phasen über Dinge lachen.

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Was hilft mir konkret in der Krise?

Eine konkrete Umsetzung wird immer individuell sein. Jeder Mensch, jedes Unternehmen wird eigene Wege und Geschwindigkeiten finden. Dabei hilft es, Resilienz-Vorbilder zu finden, die uns inspirieren und zu schauen, wie diese Menschen mit Krisen umgegangen sind. Aber auch aus der eigenen Vergangenheit kann man in schwierigen Zeiten Kraft schöpfen, wenn wir uns erinnern, wie wir schwierige Phasen in unserem eigenen Leben bereits bewältigt haben.

Wichtig für uns ist immer, dass wir einen Sinn sehen. Es hilft wirklich, Krisen als Chance oder zumindest als Erfahrung zu sehen, auch wenn es anfänglich schwer fällt und wir nichts fühlen als Trauer, Schmerz, Wut, Existenzängste oder Verzweiflung. Das alles darf sein, braucht seinen Raum und seine Zeit. Nimm dir diese Zeit zur Verarbeitung. Manchmal sieht man auch sehr deutlich bereits am Anfang einen Sinn und wofür diese Erfahrungen gut sind. Man lernt immer dazu. Es liegt an dir selbst, was Du daraus ziehen kannst und was du verändern willst.

Wenn es dir dann Stück für Stück gelingt, dir neue Ziele zu setzen und du dir eine bessere Zukunft oder zumindest eine erträglichere Situation vorstellen kannst, dann gelingt dir auch, mit der schmerzhaften Gegenwart umzugehen und Resilienz aufzubauen. Du siehst ein Ziel und damit einen Sinn – das berühmte Licht am Ende des Tunnels, egal wie lang und schwarz dieser ist.

Wertvoll auf diesem Weg ist, dir selbst keine Schuld zu geben oder einen Schuldigen zu suchen. Es ist unnötig, dich mit Selbstvorwürfen zu quälen und bringt dich nicht weiter, sondern lähmt dich nur. Je besser es dir gelingt, die Situation zu akzeptieren und nach vorne zu schauen, desto schneller wird es dir besser gehen. Wenn wir uns nicht ausgeliefert fühlen, sondern selbstwirksam agieren können, uns gebraucht fühlen und aktiv werden, können wir Krisen nicht nur besser überstehen, sondern tatsächlich Neues schaffen, verändern, vielleicht ein bisschen wie Phönix aus der Asche.

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Resilienz in Unternehmen

Die Faktoren der Resilienz oder auch die weise Resi Lienz kann man gut auch auf Unternehmen übertragen. Das ist aber Stoff für einen weiteren Blogartikel. Nur so viel: Eine von Vertrauen und Respekt geprägte Arbeitsatmosphäre ist die beste Vorsorge gegen fehlendes Commitment, psychische Beschwerden, hohe Fluktuation. In Unternehmen spielen bei der Steigerung der Resilienz von Mitarbeitenden übrigens die direkten Führungskräfte die allesentscheidende Rolle. Sie können am besten einschätzen und steuern, wie Mitarbeitende Belastungen erleben und verarbeiten. Sich dessen bewusst zu sein, macht in unserer aktuellen Situation einen großen Unterschied. DEN Unterschied, wie wir die Krise und deren Bewältigung erleben werden.

Vertraut auf eure innere Stärke und psychische Widerstandskraft. Ich vertraue euch.

Eure Jana

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