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Spirituosen-Trend Warum alle wild nach pinkem Gin sind

Pinker Gin wird zum Bestseller
Pinker Gin wird zum Bestseller
© Dubravina / Getty Images
Gin eroberte in den vergangenen Jahren die Tresen der Republik. Nun setzt die Branche noch eins drauf: Pink Gin sorgt für neue Absatzrekorde. Langfristig könnte diese Strategie jedoch nach hinten losgehen.

Gin ist in - das sieht man nicht nur an den Tresen der Republik, sondern auch im Lebensmitteleinzelhandel. Gefühlt jede Woche drängt sich eine weitere Flasche in die Regale. Um aus der Masse herauszustechen, müssen sich die Hersteller deshalb immer wieder etwas einfallen lassen: Anfangs konnte man noch mit aufwendig gestalteten Flaschen und schicken Etiketten punkten, danach mit ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen (selbst vor Gin mit Tomaten- oder Olivengeschmack wurde nicht Halt gemacht). Und nun, als man dachte, wirklich alles einmal im Glas gehabt zu haben, entwickelt sich der nächste Trend: Pink Gin.

Beim Pink Gin handelt es sich um keine offizielle Kategorie im Sinne der EU-Spirituosenverordnung wie etwa "London Dry Gin". Vielmehr bezieht sich die Bezeichnung auf die Farbe des Destillats. Einheitliche Regeln für Destillation und Zutaten gibt es nicht - und das nutzen die Hersteller aus: Einige versetzen ihren Gin mit Früchten (etwa Erdbeeren, Rhabarber oder Himbeeren), andere setzen ihm nach der Destillation einfach Farbstoffe und Aromen zu. Der Gin wird dadurch süßer und gefälliger und spricht damit eine völlig neue Zielgruppe an.

Hauptsache Pink

Wie groß der Markt ist, zeigt eine Auswertung des britischen Fachmagazins "The Grocer" in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Nielsen. Untersucht wurden die 100 größten Alkoholmarken Großbritanniens. Die große Überraschung: Die Gin-Traditionsmarke Gordon’s konnte in seinem Heimatmarkt den Umsatz im Jahr 2018 um 56,6 Prozent auf 403 Millionen Pfund (entspricht 448 Millionen Euro) ankurbeln. Damit steigt die Marke im Gesamtranking von Platz sechs auf vier. Zahlen für das Jahr 2019 liegen noch nicht vor.

Für das Wachstum ist vor allem ein Produkt verantwortlich: Gordon’s Pink Gin. Dem Magazin zufolge gelang der 2017 eingeführten Spirituose der "vermutlich erfolgreichste Start in den vergangenen zehn Jahren". 109 Millionen Pfund spülte der pinke Gin in die Kassen, obwohl er mit 14 Pfund je Flasche vergleichsweise günstig ist. Ihm folgten Dutzende Nachahmer, unter anderem von Malfy, Beefeater und Brokers. Dass das Konzept im Mainstream angekommen ist, sieht man daran, dass nun sogar Lidl seine Gin-Eigenmarke in einer Pink-Variante anbietet.

Jack Wakelin, Chef-Bartender der Public Bar in Sheffield, sagt dem "Guardian": "Süß verkauft sich kinderleicht. Es spricht mehr Menschen an als die pikanten, kräuterigen Drinks." Für Barprofis wie ihn muss ein Gin möglichst trocken oder wacholderlastig sein. Doch er gibt zu: "Das ist nicht jedermanns Sache."

Gin-Puristen wie Wakelin dürften hoffen, dass der aktuelle Pink-Hype schnell vorüberzieht. Wahrscheinlich ist das nicht. Denn der Pink-Boom hat mittlerweile auch weitere Spirituosenkategorien erfasst: Smirnoff hat einen infusionierten, rosa Wodka mit Noten von "Himbeer, Rhabarber und Vanille" im Sortiment, Baileys bietet eine rosa Variante mit Erdbeeraromen an. Die sorgte für ein Plus von 10,6 Prozent. Sogar die Cider-Marke Magners konnte dank fruchtiger Varianten die Umsätze um 9,0 Prozent steigern.

Auch bei den Fillern geht es pink zur Sache: Der Berliner Bitterlimonaden-Hersteller Thomas Henry hat jüngst die Sorte Pink Grapefruit vorgestellt, die etwa als Basis für eine Pink Paloma dient.

Gin für Generation Instagram

Der größte Senkrechtstarter der Untersuchung ist ein Gin, der hierzulande erst seit Kurzem erhältlich ist: Whitley Neill kletterte innerhalb eines Jahres von Platz 127 auf 43. Das Wachstum beträgt satte 309,3 Prozent, damit hat die Marke sogar Tanqueray überholt. Die Marke verfolgt eine andere Strategie als die Mitbewerber: In hoher Frequenz werden abgefahrene Geschmacksrichtungen wie "Zitronengras & Ingwer" oder "Grapefruit" (der ist - na klar - Pink) auf den Markt gebracht. Der Bestseller und verantwortlich für beinahe die Hälfte des Umsatzes ist die Sorte "Rhabarber & Ingwer".

Wurde der Craft-Gin-Boom vor allem von kleinen Destillen befeuert, die auf Regionalität und Handarbeit setzten, stecken hinter dem Pink-Hype die Großen der Branche. Warum die Kategorie für die Hersteller so interessant ist, verdeutlicht eine weitere Zahl: Den Analysten von GCA sind die Käufer besonders häufig jung und weiblich, vor allem aber wurden sie von den traditionellen Marken bislang nicht erreicht - 54 Prozent gaben an, vorher noch keinen Kontakt mit Gin gehabt zu haben. Zugleich sind pinke Getränke sehr instagrammable - ein nicht zu vernachlässigender Fakt in einer Zielgruppe, die ihr Alltagsleben gerne in sozialen Netzwerken zur Schau stellt.

Fragt sich bloß, wie langlebig der Trend ist. Kurzfristig mögen die Hersteller mit pinkem Gin viel Geld verdienen. Auf lange Sicht droht jedoch die Gefahr, dass die Kategorie Gin von den Kunden als beliebig und nicht mehr hochwertig wahrgenommen wird. Eine Entwicklung, die man Mitte der 2000er schon einmal beobachten konnte: Damals fluteten die Wodka-Hersteller den Markt mit künstlich aromatisierten Spirituosen in allen möglichen Geschmacksrichtungen. Das kam beim Massenpublikum auch gut an, die Kenner schauten sich aber nach Alternativen um - und wurden unter anderem beim Gin fündig.

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