Was Snapchat aktuell zum interessantesten Kanal überhaupt macht

Katrin Kilianski
Digitales Bewegtbild und Video
6 min readJul 10, 2015

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Inklusive Beispiel-Snaps von Marken und Influencern, die zeigen, wie einfach (und sinnvoll) das mit Bewegtbild jetzt sein kann.

Spätestens seit den Ankündigungen um die Agentur „Truffle Pig“ und dem Mediabuzz drum herum dürfte Snapchat jedem ein Begriff sein, noch dazu ein ernstzunehmender: Das Netzwerk wird zukünftig mit WPP und Daily Mail kooperieren, um das auszubauen, was es am besten kann: junge Zielgruppen ansprechen. 100 Millionen aktive Nutzer sind es inzwischen täglich und das Wachstum hält an. Was macht den Kanal bei ihnen so beliebt? Wie können Unternehmen und Marken hier Fuß fassen? Und vor allem: Warum sollten sie?

Snapchat ist heute das, was Fernsehen gestern war

Machen wir den Vergleich und stellen wir uns das Fernsehen von „damals“ vor: In der Fernsehzeitung haben wir uns über das Programm informiert und uns für eine bestimmte Sendung entschieden. Für den Fall, dass man parallel nicht noch den Videorekorder programmiert hatte — um eben genau die Sendung aufzunehmen, die man sowieso gucken wollte — , hätte jeder Moment der Abwesenheit bedeutet, etwas zu verpassen.

So ist es auch bei Snapchat: Um Inhalte zu sehen, müssen die Snaps oder Geschichten der Freunde bewusst ausgewählt werden. Es gibt keinen Newsfeed, über den man sich berieseln lassen könnte. Je nach gewählter Einstellung durch den Versender wird ein Foto oder Video dann maximal zehn Sekunden angezeigt, bevor es für immer verschwindet. Werden die Inhalte in der sogenannten Geschichte veröffentlicht, sind diese zwar 24 Stunden sichtbar. Jedoch reihen sich die bewegten und unbewegten Momentaufnahmen hier nahtlos aneinander, sodass man als Betrachter tendenziell bereits beim ersten Mal aufmerksam zuguckt — ansonsten müsste man sich die Story noch einmal von vorne anschauen.

Die App hat also die volle Aufmerksamkeit der Nutzer. Fast so wie „damals“, als das Geschehen im TV noch ohne Second Screens verfolgt wurde. Hinzu kommt das besondere Format, welches sich bei Snapchat durchgesetzt hat: Videos und auch Fotos werden — der „natürlichen“ Smartphone-Haltung folgend — vertikal aufgenommen und sind damit bildschirmfüllend. Nutzer sehen somit nur ein Content-Stück zur Zeit. Auf diesen USP aufbauend, hat Snapchat im Zusammenhang mit Truffle Pig auch das Werbeformat „3V“ („Vertical Video Views“) angekündigt, welches den genannten Vorteil für Unternehmen und Marken nutzbar machen soll.

Keine harten Kennzahlen,
dafür geringe Kosten

Aufgrund der Tatsache, dass die Inhalte nur eine kurze Lebensdauer haben, wird einfach draufgehalten und abgeschickt — Bildbearbeitung (im ästhetischen Sinne) findet nicht statt. Bei Snapchat gibt sich jeder, wie er ist und zeigt damit sehr persönliche, fast schon intime Einblicke in sein Leben. Das sieht dann oftmals self-made aus, genau das ist aber auch zunehmend gewünscht: Menschen wollen echte Menschen sehen und in erster Linie unterhalten werden. Authentizität ist das Stichwort.

Eben diese Vergänglichkeit stellt für Unternehmen noch eine Hürde dar, denn es ist völlig kontrovers zu dem, was sie auf anderen Kanälen machen: Auf Webseiten und Blogs sind textliche Inhalte zwecks SEO auf Langfristigkeit ausgelegt. Und auf Instagram sind es schöne, ansprechende Bilder und Videos, mit denen möglichst viel Engagement generiert werden soll. Bei Snapchat ist es weder noch. Zudem kann nur der Versender selbst sehen, ob sein Snap abgerufen wurde oder wie viele seiner Freunde und Follower sich die einzelnen Snaps in der Geschichte angeschaut haben. Für alle anderen bleiben die Metriken im Verborgenen — keine öffentlich einsehbaren Likes oder Kommentare. Die wären fast auch unnötig, wenn man an die Kurzlebigkeit der Inhalte denkt.

Genau das ist es, was Snapchat so interessant macht: Die Vergänglichkeit fördert die persönliche Kommunikation, was wiederum der unkomplizierten Art und Weise zu Gute kommt, mit der Inhalte erstellt werden. Was bei den Nutzern zählt, das ist Spaß. Und Unternehmen dürfen sich über vergleichsweise geringe Kosten in der Content-Produktion freuen, da es keinen aufwändigen Dreharbeiten oder einer Nachbearbeitung von Bildern und Videos bedarf.

So lässt sich Snapchat nutzen

Erst langsam beginnen Unternehmen mit Snapchat zu experimentieren.
Im Juni bin ich über Mango gestolpert: Die Fashion-Marke hatte zu diesem Zeitpunkt begonnen, den Snapchat-Account @mango_official über Instagram bekannt zu machen.

Der erste Hinweis war noch sehr unkonkret, beim zweiten wurde aufgelöst, auf was sich Follower freuen können: Backstage-Views bei der Präsentation der neuen Kollektion in Barcelona!

Am Tag der Fashion Show wurden dann immer mehr Snaps in einer Geschichte hinzugefügt. Die Follower haben so — von den Vorbereitungen bis zur After-Show-Party — exklusive Einblicke hinter die Kulissen erhalten.

In den Weiten des Internets habe ich einen weiteren Case aus der Fashion-Welt entdeckt: ein Experiment im Bereich E-Commerce. Im Rahmen einer Kooperation mit FarFetch haben Blogger in ihren Geschichten erst Inspiration geboten und dann explizit auf ShopStyle verwiesen, wo die Fashionstücke nachgekauft werden konnten. Ein ausführlicher Artikel mit allen Infos zum Nachlesen ist hier erschienen.

Von Fashion zu Food: McDonalds ist einer der Partner, der zusammen mit Snapchat die „Sponsored Geofilters“ in einer Beta-Phase testet: In der näheren Umgebung einer Filiale wird Nutzern ein gebrandeter Filter angeboten, mit dem Fotos und Videos verziert werden können. Das zahlt mehr als offensichtlich auf den Fun-Faktor ein, den Snapchat ausmacht. Übrigens: Geofilter können bereits jetzt von jedem Nutzer erstellt werden, angesprochen werden damit insbesondere Künstler und Grafikdesigner.

Lernen können wir in Sachen Snapchat bis dato vor allem von Bloggern, YouTubern und auch „Vinern“. Sie erstellen Video-Content nicht nur für ihre, sondern auch mit ihren Communities, es findet ein kontinuierlicher Dialog statt. YouTuber sind dadurch auch auf den anderen Kanälen — und eben nicht nur auf YouTube — sehr erfolgreich. Sie haben erkannt, wie die einzelnen Kanäle funktionieren, welche Inhalte am besten wo gespielt werden und wie diese untereinander zu vernetzen sind. Snapchat ist da so etwas wie der ständige Begleiter — Fans und Follower sind bei allem und überall dabei.

Das erlebt man zum Beispiel beim YouTube-Star Sami Slimani (@samislimani):

Die Bloggerin Anja von „Travel on Toast“ (@travelontoast) nimmt einen auf ihren Reisen mit:

Und der Vine-Künstler Zach King (@zachkingsnaps) nutzt Snapchat auch als Making-of-Kanal, während er wieder eins seiner bekannten Magic Vines dreht:

Bei fast allen Beispielen handelt es sich um Videos, vor allem Influencer setzen auf bewegte Formate. Das ist nicht nur praktisch, weil sich viel mehr kommunizieren lässt, als über ein Foto, es ist noch dazu viel echter und persönlicher als ein statisches Bild. In Kombination mit der „Self-made“-Produktion und dem unmittelbaren Upload der Inhalte ist Snapchat also unschlagbar in puncto Authentizität. Und aus den genannten Gründen vergleichsweise kostengünstig noch dazu. Eine große Chance für Unternehmen, endlich auf den Bewegtbild-Zug aufzuspringen. Als Nachteil könnte man die Kurzlebigkeit der Inhalte empfinden. Da im Fokus aber immer die Zielgruppen stehen sollten, die man erreichen möchte, haben die Fragen nach Kanal und Inhalt Priorität. Und wenn Snapchat die Antwort ist, dann kann es sich lohnen, das mit der Vergänglichkeit auch Mal außer Acht zu lassen.

Tipp: Verschiedenen Influencern auf Snapchat folgen und regelmäßig in den Geschichten stöbern. So lässt sich der Kanal und die dortige Kommunikationsweise einfach am besten verstehen.

Die Zeichen stehen auf Erfolgskurs

… in Hinblick auf Bewegtbild und die Ansprache jüngerer Generationen:

  • Wo sonst schauen Nutzer Inhalte so aufmerksam?
  • Wo sonst erreicht man sie auf so persönliche Weise?
  • Wo sonst ist die Content-Erstellung so unkompliziert und schnell gemacht?

Wir können also gespannt sein, mit welchen kreativen Ideen Unternehmen und Marken uns bald noch überraschen werden. Und mit Truffle Pig und „3V“ dürfen wir in dieser Hinsicht sicherlich noch einiges erwarten.

Wie für Bewegtbild generell, kann auch der Appell für Snapchat daher nur lauten: nicht mehr lange zuschauen und abwarten, sondern selbst ausprobieren!

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Katrin Kilianski
Digitales Bewegtbild und Video

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